The Wedding Present / El Rey
El Rey Spielzeit: 45:30
Medium: CD
Label: Vibrant Records, 2008
Stil: Indie Rock

Review vom 25.07.2008


Joachim 'Joe' Brookes
»… I thought I saw a super model but she had hair where I don't think she should…«
So ist er nun mal, David Gedge, Mastermind der britischen Band The Wedding Present, die es seit 1985 gibt.
1997 gönnte man sich, aus welchen Gründen auch immer, eine Pause und Gedge machte mit seiner Freundin Sally Murrell unter dem Namen Cinerama weiter, nur um 2005 wieder The Wedding Present zu reanimieren.
Zig Umbesetzungen hat es gegeben. Einzig und alleine ist dieser David Gedge konstantes Mitglied gewesen und wird es wohl bis in alle Ewigkeit bleiben. Wer erinnert sich noch an The Wedding Presents Debüt-Album "George Best", mit dem man sich damals in die Öffentlichkeit beamte? Das ist auch schon wieder schlappe 20 Jahre her.
Gibt es Nervenpflaster? Dann sollte man dem fast 50-jährigen eins verpassen, weil er immer noch sein Innerstes nach außen krempelt und hinreißende Texte verfasst, die leider nicht im Booklet des aktuellen Lebenszeichens der Band enthalten sind. Stattdessen setzt man lieber auf Hochglanz-Impressionen in Bildern. Ich fasse es nicht.
"El Rey" ist ein Gitarren-Album.
Genial geschrammelte Gitarren mit brillantem Gesang eines erwachsen gewordenen Gedge, oder sollte man besser schreiben: Eines Gedge, der die Strömungen und uralte Themen wie Eifersucht, Lust, Untreue oder Besessenheit in lyrische Worte fasst und diese, zwischen und über sägenden Gitarren, emotional singt.
Ein guter Teil der Qualität von "El Rey" ist wohl auch auf die jahrlange fruchtbare Zusammenarbeit mit Steve Albini zurückzuführen. Der hat unter anderem auch schon für PJ Harvey, die Pixies, Urge Overkill oder Nirvana an den Reglern gesessen.
Die CD beginnt mit einem kurzen interstellaren Gemorse. Daraus schält sich eine dumpf klingende, monoton gespielte Gitarre, bevor "Santa Ana Winds" mit der gesamten Band nach zirka einer Minute so richtig los- und abgeht. Wer die Wedding Present kennt, wird es über die Maßen mögen. Wer bei der Band immer schon die Nase gerümpft hat, liest hier wahrscheinlich nicht.
Entweder man mag sie, oder eben nicht. Dazwischen passt kein Blatt Papier. Hopp oder Flopp, so könnte man sagen.
"El Rey" ist top. Herrliche Melodien stehen in einem Wechselkurs mit zum Teil sehr schrägen Gitarren ("I Lost The Monkey"). "El Rey" ist ein Gitarren-Album.
Geschickt wird in manchen Stücken eine Dynamik, bis kurz vor dem Zerbersten aufgebaut, um sich in der nächsten Sekunde in entspanntes Wohlgefallen aufzulösen.
"The Trouble With Men" hingegen ist eine dünnhäutige, düstere Ballade, in der Terry De Castro schon einmal eine Kostprobe ihrer gesanglichen Fähigkeiten abliefert.
In "Swingers" steht sie dann, einen Kontrabass zupfend, alleine am Mikrofon. Welch ein beschwingter Abschluss eines Albums, das einer Achterbahnfahrt gleich kommt. Dieser Song ist genauso extrem, wie die lauten Tracks von "El Rey". Kaum zu glauben, aber "Swingers" würde jedem Singer/Songwriter bestens zu Gesicht stehen. Feinste Melodik, auch wenn als Intro und Outro ein fürchterlich schönes Geräusch an die Lauscher kommt. Erzeugt wird es, indem man ein Plektrum über eine gewickelte Stahlsaite zieht. Dazwischen ist De Castro-Charisma pur.
Inhaltlich geht es in "Soup" um ein flüchtiges sexuelles Erlebnis und musikalisch verpackt man dieses Thema fast schon punkig.
Als Rosinenpicker empfehle ich das verträumte "Model, Actress, Whatever…", das mit einem deliziösen Refrain ausgestattet ist. Durchgängig balladesk ist dieser Track allerdings auch nicht. Vor dem einen oder anderen eruptiven Gitarren-Ausbruch muss man gewappnet sein. Schließlich wird durch den Einsatz des Wah Wah-Pedals eine ergänzende Dramatik erzeugt. Und "Boo Boo", ein Track, der annähernd doppelt so lang ist, wie die meisten anderen Nummern. Hier werden ruhigere und deftige Phasen deutlich von einander getrennt. Heiß - kalt, schwarz - weiß. Dramatisches Theater zwischen Kopfkino-Parts und Gitarren-Front.
"El Rey" ist ein Gitarren-Album.
David Gedge und sein Wedding Present langen voll zu und diese dreiviertel Stunde kann der geneigte Hörer nicht einfach so an sich vorbei ziehen lassen. Das Album hat eine über die Gravitationskraft hinausgehende Anziehung: 8 von 10 RockTimes-Uhren.
Line-up:
David Gedge (vocals, guitars, mellotron)
Christopher McConville (guitars, Hammond organ, mellotron)
Terry De Castro (bass, backing vocals)
Graeme Ramsay (drums, percussion, mellotron)
Tracklist
01:Santa Ana Winds (3:56)
02:Spider-Man On Hollywood (3:30)
03:I Lost The Monkey (3:50)
04:Soup (3:49)
05:Palisades (3:51)
06:The Trouble With Men (5:22)
07:Model, Actress, Whatever… (3:58)
08:Don't Take Me Home Until I'm Drunk (3:07)
09:The Thing I Like Best About Him Is His Girlfriend (Santa Monica And La Brea Version) (4:34)
10:Boo Boo (6:23)
11:Swingers (3:05)
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