Spielzeit: 60:31 Medium: CD Label: Eigenproduktion, 2006 Stil: Power Pop Review vom 10.09.2006 Ulli Heiser

Beim Lesen des Waschzettels dachte ich zuerst, meine tägliche Frühstückslektüre in Händen zu halten:
Brass Machine, Scarlett... Namen, die des öfteren in der 'Rheinpfalz' zu lesen sind. Kein Wunder, denn Wet Desert kommen aus Kaiserslautern und sind in der Pfalz eine feste Größe. Auch internationale Auftritte, Radioeinsätze beim SWR3, vierter Platz beim Bundesrockpreis (1999) und zweiter Platz beim Rockbuster-Wettbewerb (1998) sind in der Bandvita enthalten.

»Power-Pop mit Geige«, so die Aussage der Band, was ihre musikalische Richtung betrifft. Power-Pop geht in Ordnung. Das »mit Geige« ist mir aber nicht aussagekräftig genug, denn dieses Instrument ist für mich das Salz in der Suppe.

Produziert wurde das Album von Stefan Glass, dessen Referenzen Namen wie New Order, ABYDOS, Headcrash und Vanden Plas aufweisen. Die Produktion ist top und auch das Booklet läßt keinerlei Info vermissen. So sollte der Standard aussehen.

Hört sich alles erst mal gut an, aber wie man auf der Bandpage lesen kann, wird Ralf die Band verlassen und ob, bzw. wie es weitergeht, wird sich zeigen müssen.

Auf "Kiss The Past Goodbye" könnte man, bis auf drei Ausnahmen, jede Nummer nehmen, um die Band jemandem vorzustellen. Nicht weil sie alle gleich klingen. Oh nein, denn "My Maze" z.B. bietet herrlichen, 6-stimmigen Satzgesang, "Open Your Arms" kippt 'ne ordentliche Schippe Rockgitarre in die Gehörgänge, der Titeltrack kommt balladesk...
Allen gemein ist aber eine fast schon überperfekt zu nennende Produktion, glasklarer Sound, perfektes Pop-Songwriting der zwar radiotauglichen, aber trotzdem nicht banalen Art und natürlich die Spezialwürzung durch die Geige. Die Grundrezeptur besteht aus Ohrwurmhooks, gekonnten Refrains und schnelles auf den Punkt kommen.

Drei Nummern fallen aus dem Rahmen und das nicht unangenehm. Ach was red ich, die drei sind meine Tipps der CD. "The Flogging Reel" ist ein irisches Traditional, rockig aufbereitet, sich im Tempo steigernd und Ralf geigt sich die Seele aus dem Leib. Man drückt nach knappen drei Minuten unweigerlich die Repeat-Taste, um dieses Stück gleich nochmal zu hören.

Zu "Spent Too Much Time" schreibt die Band folgendes:
»Stilistisch und arrangementtechnisch sicher der EXPERIMENTELLSTE Song auf der CD, der gerade im Tonstudio zu vielen Diskussionen geführt hat.«
Das Tempo wird rausgenommen, es wird leicht psychedelisch und Sascha schreit mit verzerrter Stimme seinen Frust in die Welt:

»...unpack your suitcase full of dreams,
throw away the sorrow of perfidious realms,
don't ask why and don't ask how,
take your chance to live here and now.«

Dazu klingt die Geige fast sphärisch und ich wünsche mir mehr Tracks dieser Couleur. Den nächsten gibt es einen Song später: "Did You Ever".
Markus Pfeffer informiert, dass diese Nummer »ursprünglich eine Akustikgitarrenballade war und sich dann hin zu einem Klangwelten-Experiment weiterentwickelte.« Ja, psychedelische Ansätze sind auszumachen, eine starke Gitarre - mal mit dem Geigenbogen, mal mit dem Slide-Stäbchen gespielt - und Ralf soliert hier nicht mit der Geige, sondern wechselt zur Bratsche. Ein Prog'sches Keyboard tut das Übrige und "Did You Ever" ist somit 'meine Nummer'.

Tja, ich sagte es bereits: Für mich gehört die Geige zu dieser Band und dieser Musik. Ich drücke Wet Desert die Daumen, das Richtige zu tun, um weiterhin musikalisch präsent zu bleiben.

Line-up:
Sascha Kleinophorst (Gesang, Chorgesang)
Markus Pfeffer (E-Gitarren, Akustische Gitarre, Chorgesang)
Ralf Huba (Geige, Bratsche, Chorgesang)
Peter Fischer (Bass)
Thorsten Schuhmacher (Keyboards)
Tobias Herrmann (Drums, Chorgesang)
Gäste:
Stefan Glass (Percussion, Loops, zusätzliche Keyboard-Programmierung)
Der 'Kiss The Past Goodbye Chor':
Julia Herrmann, Janine Kleinophorst, Tina Kleinophorst
Isabel Romahn, Silke Schögler, Thorsten Fries, Jaleel Kleinophorst,
Jamal Kleinophorst, Sascha Kleinophorst, Markus Pfeffer, Thorsten Schuhmacher