Willie And The Poor Boys / One Night Only
Willie And The Poor Boys Spielzeit: 60:00
Medium: DVD
Label: Warner Music/WEA, 2006
Tonformat: DTS + DD 5.1 + Dolby Stereo
Bildformat: 4:3
Sprache: Englisch
Untertitel: Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch
Region-Code: 2/3/4/5/6
Special Features: Behind the Scenes - Dokumentation des 'Making Of' (ca. 30 Minuten)
Stil: Rock 'n' Roll

Review vom 03.09.2006


Olaf 'Olli' Oetken
Lustig, lustig, was in Zeiten des großen Ausverkaufs so alles auf den Markt geschmissen wird. Nachdem im Prinzip nur noch MP3-Files, Millionen weitere (komprimierte) Audioformate und Klingeltöne fröhlich aus dem Netz der Glückseligkeit gesaugt werden, wobei mir die Übersicht längst vollständig abhanden gekommen ist, lechzt die Musikindustrie verzweifelt nach Umsatz im hochpreisigen Original - Ton-/Bildträgerformat. Neben einer ausgewachsenen Schwemme von Reissues und Neuveröffentlichungen als fossile CD-Silberlinge, wobei mittlerweile wirklich alles veröffentlicht wird, was einigermaßen geradeaus pubsen kann, sehen wir uns einer schier unendlichen Flut von (Musik-) DVDs ausgesetzt. Ersteres verkauft sich eigentlich gar nicht mehr und hat viel zu häufig, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen (viele Eigenproduktionen abseits der Labels, die Outputs kleiner Spezialisten- und Idealistenlabels, super aufgemachte und ausgestattete Reissue-Reihen wie Sony/BMGs 'Legacy Edition' oder Polydor/Universals 'Deluxe Edition'), auch gar keine Daseinsberechtigung mehr, letzteres geht dagegen weg wie geschnitten Brot, was unweigerlich zur Folge hat, dass auch wirklich der letzte Furz das Licht der Öffentlichkeit erblickt, selbstredend im ultimativen DTS 5.1 Surround Sound, auch wenn die Originalaufnahmen aus einer Super-Acht-Kamera stammen.
Hier die Spreu vom Weizen zu trennen, kommt einer Sysyphus-Arbeit gleich!
Insofern beäuge ich mein neuestes DVD-Exemplar kritisch/neugierig, das sich da ziemlich vollmundig "One Night Only - A Classic Rock 'n' Roll Movie - Willie And The Poor Boys" nennt und eine Ausgrabung aus Bill Wymans persönlichem Archiv darstellt, selbstverständlich 'Digitally Remastered'.
Nun, was haben wir hier vor uns?
Ganz einfach, plump ausgedrückt handelt es sich um ein halbstündiges Video-Filmchen zum 1985er Ripple Records - Album "Willie And The Poor Boys", mit einem ebenfalls halbstündigen Bonus in Gestalt eines Making Of. Dies war wohl irgendwann als VHS-Video veröffentlicht worden, ist aber seitdem verschollen. Lohnt sich diese Ausgrabung wirklich?
Zunächst sei bemerkt, dass bereits vor zwei Jahren Sony/BMG dieses Teil wiederveröffentlicht hat, nun zieht gerade mal zwei Jahre später die Warner Music Group nach und präsentiert uns das Werk mit veränderter Cover-Gestaltung (dem Original-Cover der damaligen LP/CD gleichend), aber ohne zusätzlichem Inhalt. Insofern kapiere ich den Sinn dieser Veröffentlichung nicht. Hat Sony/BMG sein Produkt bereits vom Markt genommen? Da soll Ottonormalverbraucher noch durchsteigen.
Ansonsten ist das Werk eine nette Anekdote für ehemalige oder immer noch aktive Teddyboys und -girls, inklusive Schmalztolle und Petticoat. Darüber hinaus gibt's ein beeindruckendes Namedropping, denn neben 3/5 der Stones (Charlie Watts, Ronnie Wood und natürlich Bill Wyman himself) sind auch 2/4 der Faces (Kenney Jones und wieder Ronnie "Strubbel" Wood), 2/5 der Band vom walisischen Neo-Rock 'n' Roller Shakin' Stevens aus seiner qualitativ besten Zeit zwischen 1979 und 1982 (Mickey Gee - u.a. Ex-Love Sculpture, Ex-Grease Band und Geraint Watkins - Sessionpianist und Akkordeonspieler für Gott und die Welt, u.a. für Dave Edmunds, Nick Lowe, Rory Gallagher), ¼ der Beatles (Ringo Starr) und weitere Koryphäen wie Chris Rea (hier noch mit Milchgesicht), Andy Fairweather-Low, Mel Collins oder Henry Spinetti mit von der Part(y)ie.
Im Grunde handelt es sich dabei um einen Vorläufer der Bill Wymanschen Rhythm Kings.
In der ersten Hälfte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts fanden eine Menge Charity-Aktionen für den gemeinsamen Kumpel und Kollegen Ronnie Lane (Ex-Small Faces, Ex-Faces) und seine A.R.M.S. (Action for Research into Multiple Sclerosis) - Stiftung statt, welcher selbst an dieser tückischen Krankheit litt.
An einem schönen Morgen, irgendwann so 1983 herum, hatte unser Bill dann die glorreiche Idee, mit möglichst vielen der beteiligten Musikern ein gemeinsames Projekt zu gründen, was neben Konzerten auch eine Plattenaufnahme zeitigen und zugleich der Stiftung zugute kommen sollte. Gesagt, 'tun getan', 1985 erschien das Album "Willie And The Poor Boys", welches den guten alten Rock 'n' Roll abfeierte, wie es auch Dave Edmunds und Shakin' Stevens in Personalunion nicht besser hätten machen können (sie fabrizierten zur gleichen Zeit das durchwachsene Album "Lipstick, Powder And Paint") und marktgerecht musste natürlich auch ein Video her.
Und dabei kam das mir vorliegende Filmchen raus. Entgegen des sich mir zunächst aufdrängenden Eindrucks, es würde sich hier um einen Konzertfilm handeln, gibt's eher eine Neuauflage einer College-Abschlussparty im Stile von "Grease". Die Partyband setzt sich aus all den bereits genannten Leutchen zusammen, wobei Ronnie Wood witzigerweise ziemlich überzeugend den Saxophonröhrer mimt, alles selbstredend im Vollplayback, und vor der kleinen Bühne tanzen sich die Absolventen/Absolventinnen die Seele aus dem Leib, wunderbar stilecht eingekleidet und in typischer 80er-Musikvideoästhetik gefilmt. Eine kleine Rahmenhandlung gibt's auch, bis schließlich der Hausmeister zum Schluss den Saft abdreht, übrigens ein köstlicher Cameo-Auftritt von Ringo Starr. Zuvor können wir uns davon überzeugen, dass die alten Helden vor 21 Jahren, mit Ausnahme von Ronnie Wood, noch gar nicht so alt aussahen und manch einer, der eigentlich nie so im Rampenlicht stand, wie beispielsweise die walisischen Rock 'n' Roll Sidemen Mickey Gee und Geraint Watkins, bekommt plötzlich Gesicht und Gestalt. Dabei entpuppt sich Mickey Gee als Zwillingsbruder von Comedian Bernhard Hoecker und Geraint Watkins geriert sich als legitimer britischer Jerry Lee Lewis.
Das Making Of hat dagegen nur bedingten Unterhaltungs-/Informationswert. Immerhin amüsieren sich nicht unbedingt nüchtern wirkende Buddys wie Ronnie Wood und Ringo Starr königlich, John Entwistle (The Who) und Gary Brooker (Procol Harum) demonstrieren, dass auch sie anwesend waren, Andy Fairweather-Low gibt ehrlich zu erkennen, dass er sich über dieses Projekt wahnsinnig freut, da nach ihm schon länger kein Hahn mehr gekräht habe, wir erleben die Proben der Tänzer/innen und Bill Wyman erläutert das Zustandekommen und die Umsetzung des Projekts.
Fazit: Wir erleben hier eine ganz nette Rock 'n' Roll Revue in der Ästhetik der 80er Jahre, allerdings fast völlig frei von irgendwelchen Keyboards, so dass der Sound einigermaßen authentisch rüberkommt. Die Bildqualität entspricht dem damaligen Standard, der Ton entspricht in etwa der Qualität der dazugehörigen LP/CD. Wer damals zufälligerweise die Musikvideos zu "Lipstick, Powder And Paint" oder "Turning Away" von Shakin' Stevens gesehen hat, wird ein Déjà vu - Erlebnis haben. Im Prinzip fehlen Dave Edmunds und der 'Schüttel-Stefan' bei dieser Veranstaltung.
Ich zumindest kann in Erinnerungen schwelgen, als ich versuchte wie ein Ted auszusehen, was selbstredend grandios in die Hose ging. Ach ja, die gute alte Zeit …
Line-up:
Bill Wyman (vocals, bass)
Chris Rea (vocals)
Ringo Starr (as "The Janitor")
Ron Wood (as an actor)
Andy Fairweather-Low (guitar, vocals)
Mickey Gee (guitar)
Geraint Watkins (keyboards, vocals)
Raf Ravenscroft (sax)
Mel Collins (sax)
Terry Taylor (percussion)
Kenny Jones (drums, percussion)
Henry Spinetti (percussion)
Charlie Watts (drums)
Tracklist
01:Poor Boy Boogie
02:You Never Can Tell
03:Chicken Shack Boogie
04:Let's Talk It Over
05:All Night Long
06:Saturday Night
07:Baby Please Don't Go
08:These Arms Of Mine
09:Can You Hear Me
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