Xit / Without Reservation
Without Reservation
Lasst uns mal mit einer wilden Spekulation beginnen: Die meisten Musikfans sind Sammler. Ein beträchtlicher Anteil ihres häuslichen Refugiums dient der Lagerung von staubfangenden Musikmedien. Ein gewisser Prozentsatz ihrer finanziellen Ressourcen geht für das stetige Wachstum der Sammlung drauf und ein Großteil ihrer Freizeit für die Hege und Pflege der gesammelten Objekte. Aber nicht nur, denn der wahre Musiksammler ist auch ein passionierter Jäger. Er pirscht ständig durch seine Reviere, den virtuellen und realen Plattenläden, um lange nachgestellte Tonträger endlich in Besitz nehmen zu können. Viele von euch werden sich bestimmt wiedererkennen.
Immer wenn der Besuch einer Großstadt ansteht, wird natürlich die dortige Plattenhändlerszene beäugt. Jahrelang war ich dabei auf der Suche nach CDs der Indianerrockband Xit. So manche konnte ich erlegen. Kürzlich geschah etwas, was das Herz jedes Jägers unweigerlich zum Powerdrumming animiert. Mir fiel eine CD von Xit in die Hände, die ich gar nie gejagt hatte, weil mir deren Existenz nicht bewusst war. Um im romantischen Bild des Jägers zu bleiben, wäre wohl am ehesten der Vergleich mit so exotischen Geschöpfen wie dem weißen Raben, dem neunarmigen Octopus oder der sesshaften sibirischen Wanderameise heranzuziehen. Xit's "Without Reservation" bereichert nun stolz die Sammlung.
"Without Reservation" ist der Livemitschnitt einer Xit Show in Mystic Lake - Shakopee Mdewakanton Sioux Community. Und mit das Beste daran ist, dass es sich um eine relativ aktuelle Aufnahme aus dem Jahr 2002 handelt. Chief Tom Bee macht mit seinem Stamm also immer noch die Prärie unsicher. Alles in Allem sogar überzeugender als je zuvor. Die Set-Liste liest sich wie ein 'Best Of' seiner Schaffenskraft mit Xit. Die Performance ist resolut, die Emotionen sind echt und die Spielfreude der Band symptomatisch. Die gute Laune der Akteure, deren Begeisterung, findet den direkten Weg in die aktuelle, treibende Interpretation der Songs.
Das Album knallt dem Musikfan alles entgegen, was er sich unter Indianerrock vorzustellen vermag und vielleicht sogar noch mehr. Tom Bee kümmerte sich natürlich auch um das kulturelle Wurzelwerk der Native Nation. Die Songs werden immer wieder durch Pow-Wow Gesänge von Nicole Smigelski und Jewels Dangl veredelt. Die Symbiose von Native Rock und Indian Roots funktioniert absolut perfekt. Sie teleportiert den Musikfan in die weite Steppe Nordamerikas, mit ihrem tiefblauen Himmel, über den langsam große Herden von weißen Büffelwölkchen ziehen.
Die Arrangements werden durch das akzentuierte Schlagzeugspiel P.J. Wests aufgepeppt. Xit Songs wurden vorher wohl noch niemals mit solch einem Drive gehört. Auch P.J. vergisst dabei die Native Roots keine einzige Sekunde. Immer wieder bringt er die Toms in Stellung. Bei vielen Rocksongs spielen sie eher eine seltene Nebenrolle - beim Indianerrock sind sie hingegen eine tragende Säule der gesamten Rhythmik.
Die heimlichen Stars des Albums sind zweifellos Willy Bluehouse Johnson und Jim Boyd samt ihrer Gitarren. Sie spielen fundiert, wobei ihre technischen Fähigkeiten eher durchschnittlich sind. Aber ihr Sound ist authentisch. Die Verzerrung ist wohldosiert. Das vermittelte Klangbild versetzt den Musikfan direkt ins Auditorium. Ob sie mit Slideeinlagen glänzen, ob sie gefühlvolle Soli spielen oder ob sie sich der speziellen Rhythmik widmen - es passt einfach hervorragend
Xit Häuptling Tom Bee schafft es, seine Persönlichkeit in seine Stimme zu übertragen. Der Mann hat in seinen Texten viel zu erzählen. Anklagendes, aber auch Hoffnungsvolles. So fragt er beispielsweise den Amerikaentdecker:
"Christopher Columbus, what have you done to us?"
Man darf ihm also ruhig einmal zuhören.
Witzigerweise hat Herr Columbus übrigens bis zuletzt nicht wahrhaben wollen, als Entdecker Amerikas zu gelten. Er starb angeblich in der Überzeugung, die Westroute nach Japan geöffnet zu haben.
Leider bergen die vier Bookletseiten nicht sonderlich viel Informationen. Aber es ist geschmackvoll designet. In der Setlist fehlt traurigerweise der Xit-Hit "Relocation". Das ist schon ein Wermutstropfen, aber ansonsten gibt's einfach nichts zu meckern.
Zum Schluss möchte ich der vagen Hoffnung Ausdruck verleihen, ein paar Musikfans mögen sich doch ans Lagerfeuer gesellen und den Indianerrock mal für sich ausprobieren. In der Linkliste sind diesmal einige Sites aufgeführt, die euch Native Rock samt Soundfiles näher bringen können.
Nicht weniger als 8 RockTimes Uhren nageln wir an den Totempfahl von Xit und freuen uns jetzt schon über die nächsten Etappen auf ihrem Kriegspfad.


Spielzeit: 66:29, Medium: CD, Soar 2002
1: Beginning 2: Christopher Columbus 3: Coming of the Whiteman 4: War Cry 5: Awakening 6: We Live 7: Cement Prairie 8: At Peace 9: Nihaa Shil Hozo 10: Young Warrior 11: Color Nature Gone 12: Renegade 13:Birth 14:Reservation of Education
Olli "Wahn" Wirtz, 20.08.2005