Yardbirds
Live On Tour 2006, 12. April 2006
Kulturkraftwerk, Goslar
Yardbirds
YardbirdsManchmal passieren wirklich Dinge, mit denen man nie im Leben rechnen würde. Das beste Beispiel dafür ereignete sich Anfang des Jahres 2006, als ich beim Studium der aktuellen Tourtermine meiner persönlichen Favoriten plötzlich auf den 12. April stieß. Ein Datum wie jedes andere, wenn nicht hinter den Dates der Yardbirds unter diesem Tag der Vermerk 'Kulturkraftwerk Goslar' aufgetaucht wäre. Bei diesem Eintrag machten mich gleich zwei Dinge stutzig: Zum Ersten sagte mir der Name der Halle überhaupt nichts, und zweitens konnte ich es fast nicht glauben, dass es tatsächlich wieder mal ein Rockkonzert in größerer Form in Goslar geben sollte.
>YardbirdsDazu muss man wissen, dass in der alten Kaiserstadt am Harzrand zwar alle Jubeljahre das eine oder andere Open Air vor der ehrwürdigen Kaiserpfalz stattfindet, bei denen aber ausschließlich popige Töne angeschlagen werden. So gastierten unter anderem Leute wie Pur, Simply Red und Peter Maffay auf der grünen Konzertwiese. Für 'richtige' Rockmusik ist seit den legendären 'Goslarer Rockpalästen' mit Bands wie BAP, Joe Cocker und Alex Oriental Experience seit den achtziger Jahren einfach kein Platz mehr. Auch angesagte Szene-Clubs wie das 'Piano' gehören schon lange der Vergangenheit an.
YardbirdsUnd nun das! Es war natürlich völlig klar, dass ich mir diesen Gig nicht entgehen lassen würde. Die Yardbirds in Goslar, also nur sieben Kilometer vom häuslichen Herd entfernt, das war ja fast wie früher, als der Langelsheimer 'Beat Club' noch richtig aktiv in Sachen Rockmusik war. Zu meiner Beruhigung kannte auch mein Freund und RockTimes-Kollege Jürgen Berking das 'Kulturkraftwerk' überhaupt nicht, der ansonsten doch ein Kenner der Goslarer Szene ist.
YardbirdsNun also war der Termin gekommen und unsere Spannung stieg, als wir den Ort des Geschehens zum ersten Mal betraten. Als wir uns an der Kasse einfanden und uns mit dem Hinweis auf die RockTimes-Akreditierung vorstellten, wurden wir als Mitarbeiter eines hier bisher unbekannten Magazins zunächst neugierig beäugt.
Aber zum Glück sorgte unser vertrauenerweckendes Äußeres und der Eintrag in die Gästeliste dafür, dass wir problemlos eingelassen wurden.
YardbirdsDer erste Eindruck war durchaus positiv. Eine relativ große Bühne, verdeckt durch einen Vorhang, und davor reichlich Platz für die Zuhörer. Da im 'Kulturkraftwerk' die meiste Zeit Theater gespielt wird und dadurch normalerweise der Raum komplett bestuhlt ist, war die improvisierte Einrichtung für dieses Konzert recht spartanisch ausgefallen. Eine Theke, an der ausschließlich Getränke aus der Flasche ausgeschenkt wurden, im Raum selbst ein paar kleine Stehtische und an den Seiten hölzerne Sitzbänke, um die morschen Knochen etwas zu schonen. Aber was braucht man denn mehr, wenn ein gutes Konzert ansteht? Eigentlich nichts!
YardbirdsMusikalisch freute ich mich auf die Band, denn ich hatte sie schon einmal im Jahr 2003 live gesehen, als sie gerade ihr letztes Album "Birdland" auf den Markt gebracht hatte, mit dem ihnen eine sehr gute Produktion gelungen war. Aber es waren natürlich auch die alten Songs, mit denen die Yardbirds in den sechziger Jahren für Furore gesorgt haben und die der Band zu Weltruhm verhalfen. Allein schon ein Blick auf die ehemaligen Mitglieder der Yardbirds genügt, um zu wissen, dass hier richtig gute Musik gemacht wurde. Schon die Namen der Gitarristen, die sich bei dieser Formation die Klinke in die Hand gaben, lassen jeden Musikfan in Ehrfurcht erstarren. Paul Samwell Smith, Eric Clapton, Jeff Beck, Jimmy Page und, in der Neuzeit Gypie Mayo, alles Saitenmänner vom Feinsten und teilweise Rocklegenden. Dazu der unvergessenen Keith Relf am Mikro und an der Harmonika. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.
YardbirdsDas aktuelle Band-Line Up besteht aus den beiden Gründungsmitgliedern Jim McCarty (drums) und Chris Dreja (guitar), sowie John Idan (bass & vocals), Billy-Boy Miskimmin (Ex-Nine Below Zero, harp) und dem jungen Lead-Gitarristen Ben King, der seit September 2005 die sechs Saiten bearbeitet. So ist das Gros der Band also schon seit der Reunion in dieser Besetzung zusammen, was sich natürlich auf das Zusammenspiel sehr positiv auswirkt.
YardbirdsSo langsam füllte sich der Saal, und schließlich hatten sich ungefähr 400 erwartungsfrohe Leute vor der Bühne eingefunden. Das Spektakel begann mit einer Videoaufzeichnung aus den sechziger Jahren, in der die Yardbirds vier Songs live zum Besten gaben. Herrlich diese alten schwarz/weiß Aufnahmen mit Jimmy Page an der Klampfe und einem sehr gut aufgelegten Keith Relf, der sich beim Interview als sehr redefreudig und aufgeschlossen zeigte. Eine wirklich gelungene Einstimmung auf die Yardbirds 2006.
YardbirdsGegen 20.30 Uhr hob sich der Vorhang, und die Band legte sofort richtig los. Am linken Bühnenrand kniete sich Harmonika-Player Billy-Boy gleich richtig rein. Daneben erledigte ein sehr konzentriert wirkender Ben King seine Arbeit perfekt. Mit oftmals geschlossenen Augen spielte er sich durch die Gitarrenparts, die vor ihm von so großen Musikern kreiert worden waren. Vom Sound her hätte ich mir persönlich etwas mehr Höhen gewünscht, eine Tatsache, die aber den guten Gesamteindruck des Konzertes nicht trüben konnte. Auch der Rest der Formation wirkte von Anfang an hellwach und machte mächtig Feuer. Dabei fiel mir sofort auf, wie sich die Stimmen von John Idan und dem viel zu früh verstorbenen Keith Relf doch ähnelten.
YardbirdsDie Setlist ließ eigentlich nichts zu wünschen übrig. Es gab einen guten Querschnitt durch alle Phasen der Yardbirds. Die größten Hits von "For Your Love" über "Still I'm Said" bis hin zu "Heart Full Of Soul" fehlten ebenso wenig, wie die Blues- und Rhythm & Blues-Klassiker. Gerade in diesem Bereich gelang es den Yardbirds, die Intensität der einzelnen Stücke durch längere Improvisationen wesentlich zu erhöhen.
Yardbirds Die größte Überraschung des Konzertes aber war für mich die Coverversion von Led Zeppelins "Dazed and Confused". Das war ja schon Psychedelic pur. Auch hier zeigte Ben King wie gut er mit der Gitarre umgehen kann. Selbst ohne die markante Stimme eines Robert Plant hörte sich dieser Song richtig gut an.
Nach zwei Zugaben und hundert Minuten endete der Gig der Yardbirds. Ich glaube sowohl die Musiker, denen man die Spielfreude sichtlich anmerkte, als auch die Zuhörer dürften an diesem Abend sehr zufrieden gewesen sein.
So fuhr auch ich voll befriedigt nach Hause und nahm die Erkenntnis mit: "Goslar ist in Sachen Rockmusik doch noch nicht ganz tot, und die Yardbirds sind immer noch einen Konzertbesuch wert."


Yardbirds / Live On Tour 2006, 12. April 2006, Kulturkraftwerk Goslar
Jürgen Bauerochse, 22.04.2006