Yes / 27.05.2014, Admiralspalast, Berlin
RockTimes Konzertbericht Yes
Admiralspalast Berlin
27. Mai 2014
Konzertbericht
Stil: Progressive Rock


Artikel vom 02.06.2014


Holger Ott
YesHöre ich Musik von Yes, was leider viel zu selten vorkommt, so denke ich unwillkürlich an bombastische Stadionkonzerte und endlose Soundgewitter. Meine bisher einzige Begegnung liegt fast präzise dreißig Jahre zurück und war im Juni 1984 in der Waldbühne zu Berlin. Dennoch erinnere ich mich noch so genau an das Konzert, als wäre es erst vor ein paar Tagen gewesen. Eine außergewöhnliche Bühne und ebensolche Lightshow und natürlich die Musik der Giganten des Progressive Rock haben einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Somit hätte mich nur eine schwere Krankheit davon abhalten können, das heutige Konzert zu besuchen.
YesDie Umstände haben sich deutlich verändert. Ein kleiner Saal, in dem trotz des enormen Bekanntheitsgrades der Band einige Sitzplätze frei bleiben, eine spartanische Bühne mit bescheidener Lightshow und eine Atmosphäre, die durch das ehrwürdige Gebäude etwas erdrückend wirkt. Dennoch finde ich den Spielort sehr gut gewählt, da die Akustik im Admiralspalast einfach gigantisch ist und die Musiker von allen Sitzplätzen gut gesehen werden können.
YesYes haben sich etwas Besonderes ausgedacht, etwas das bisher, meines Wissens nach, noch keine andere Band, nicht einmal Pink Floyd umgesetzt hat: Sie spielen drei ihrer erfolgreichsten Alben song by song in voller Länge und so gut wie möglich im unverschnörkelten Original. Somit kommen selbst die Hardcore-Fans in den Genuss, Musik ihrer Lieblinge zu hören, die noch nie live gespielt wurde. Es stellt sich lediglich für die Band die Frage, welche Scheiben sie aus ihrem umfangreichen Schaffenswerk auswählen. Entschieden haben sie sich für "The Yes Album" von 1971, "Close To The Edge" aus dem Folgejahr und Going For The One, das 1977 veröffentlicht wurde. Jedes dieser drei Alben hat seinen absoluten Höhepunkt und, um es im Ablauf etwas spannender zu machen, wird beim Spielen die Reihenfolge der Alben verändert.
Yes"Close To The Edge", mit dem gleichnamigen Titelsong, eröffnet den Abend und gibt mir sogleich zwanzig Minuten Zeit, während des ersten Werkes meine Fotoarbeit zu erledigen, um mich anschließend in den gepolsterten Sitz zurückzulehnen, um nur noch genießen zu dürfen. Die Stützen von Yes, Bassist und einziges, verbliebenes Gründungsmitglied Chris Squire, Drummer Alan White und allen voran der hervorragende
Steve Howe an der Gitarre werden schon mit Standing Ovations begrüßt und es sollte nicht das letzte Mal an diesem Abend sein, dass das Publikum in Begeisterungsstürme ausbricht.
YesMein Augenmerk liegt aber auch auf den beiden letzten Zugängen, dem Keyboarder Geoff Downes - der sein Geld zusätzlich noch mit Asia verdient - und dem unscheinbaren und recht unbekannten Sänger Jon Davison. Downes hatte damals bereits für einige Jahre den Part von
Rick Wakeman übernommen, als dieser zusammen mit Jon Anderson Anfang der Achtziger die Band verließ. Er kam damals von den Buggles und hat mit ihnen den Song veröffentlicht, der als erstes Musikvideo über MTV ausgestrahlt wurde. Wer erinnert sich nicht an "Video Killed The Radio Star"? Einziges Manko bei ihm ist leider, dass er fast ausschließlich mit dem Rücken zum Publikum spielt, dafür aber sehr solide seine Keyboard-Burg beherrscht, ohne sich überflüssigen Spielereien hinzugeben.
YesVokalakrobat Davison wirkt anfangs etwas schüchtern, allerdings ist bereits nach dem ersten Song für mich klar, dass dieser Mann stimmlich zur Band wie die Faust aufs Auge passt. Keiner der hohen Töne ist so hoch, dass er ihn nicht locker erreichen könnte, zudem bringt er sich als zweiter Gitarrist und Percussionist in die Band ein. Faszinierend ist dabei zu erleben, mit welcher Leichtigkeit er die Texte performt und darin Geschichten erzählt, die man sich nicht einmal ansatzweise über die Spielzeit von zweieinhalb Stunden merken kann. Angefangen als Sänger im Kirchenchor und damals bereits mit
Foo Fighters-Drummer Taylor Hawkins befreundet, hat er seinen Weg unter anderem über Glass Hammer nun zu Yes und hoffentlich seiner Bestimmung gefunden. Jon Davison singt einfach nur göttlich.
YesDas Quintett beschränkt sich heute Abend rein auf die Musik. Ansagen zu den Songs wären ohnehin nicht nötig und für alle Unwissenden werden die Titel auf eine, etwas zu kleine, Leinwand im Hintergrund projiziert. Darauf laufen auch kurze Filme, die optisch die Songs untermalen oder einfach nur abstrakte Bilder zeigen.
Yes"Siberian Khatru" schließt das Album "Close To The Edge" ab, das zudem noch aus dem mittleren Song "And You And I" besteht. Chris Squire ergreift das Mikrofon, um die Menge zu begrüßen und mit wenigen Worten den Ablauf des Abends zu erklären. Howe ergänzt und leitet zu "Going For The One" über, das Album, für das sich die Band als nächstes entschieden hat. Es wird etwas rockiger und mit "Wonderous Stories" kommt die daraus entstandene Single zum Tragen. Auf mich hat der Song allerdings seine Wirkung verloren. Irgendwie klingt er zu schwach. Dafür folgt mit "Awaken" ein fulminantes Epos und, wie ich finde, mit Abstand das beste Werk des Konzertes.
YesEndlich zeigt auch Drummer Alan White, dass er sich nicht nur hinter seinem gigantischen Schlagzeug versteckt. Sein 'Teil' ist für Prog-Drummer ein echtes Filetstück. Nicht nur, dass er eine Gallerie von acht Toms um sich herum geschart hat, so hat er in einer zweiten Reihe darüber noch verschiedene elektronische Toms angeordnet. Leider ist sein Set sehr schlecht ausgesteuert und somit sind die klanglichen Unterschiede der Trommeln nur schwer wahrzunehmen. Zudem wird er, aus meinem Blickwinkel, ständig von Squire verdeckt und ich kann ihn leider nicht gut genug ablichten. Dafür zieht der groß gewachsene Bassist bei "Awaken" ebenfalls einen Hingucker aus dem Hut. Mit einem Triple-Neck vergnügt er nicht nur sich selbst, sondern auch das erstaunte Publikum. Da keimt dann doch noch ein Funken Gigantomanie aus früheren Tagen auf. Zweimal Bass und oben einen Sechssaiter, dem er eigenartige Klänge entlockt, lassen meine Augen und Ohren größer werden und genau das ist der Moment, als ich mich ärgere nicht weiter fotografieren zu dürfen. Dieses Prachtexemplar hätte ich den Lesern doch zu gerne präsentiert.
Standing Ovations sind die logische Schlussfolge und der einzig verdiente Dank an Yes für diese phänomenale Darbietung und das Publikum darf sich während einer zwanzigminütigen Pause von diesem Erlebnis erholen.
YesEs geht in die letzte Runde. "The Yes Album", ihr erster großer Erfolg, aus dem Jahre '71 wird zelebriert. Erster kleiner Höhepunkt ist "Clap". Nur Howe und seine akustische Gitarre - eine von vielen, die er heute Abend vorführt. Auch dafür springen die Menschen von ihren Sitzen, bevor mit "Starship Trooper" mein persönlicher Favorit durch den Saal stürmt. Ein gewaltiger, monumentaler Song, der schon vor dreißig Jahren in der Waldbühne gigantisch dargeboten wurde. Seine musikalische Wucht hat er immer noch - optischmfehlt es durch die spartanische Beleuchtung am Aha-Effekt. Dennoch bin nicht nur ich vollkommen zufrieden. Natürlich hält es nun keinen mehr auf den Sitzen. Langsam schieben sich auch die Besucher aus den hinteren Reihen nach vorne. Die Ordner geben sich geschlagen und lassen den Dingen ihren Lauf. Eine Zugabe gewährt die Band. "Roundabout" rundet den Abend über weitere fünfzehn Minuten ab und niemand möchte so recht glauben, dass es nun vorbei ist.
Yes veröffentlichten soeben mit "Heaven & Earth" eine neue CD. Vielleicht beehren sie uns in einigen Jahren erneut. Zu wünschen wäre es, denn in dieser Konstellation knüpfen sie nahtlos an ihre Glanzzeit an, und wie ich nur bestätigen kann, ist ein Konzert dieser Band ein einzigartiges musikalisches Erlebnis.
Vielen Dank an Janine Lerch, Go-On-Promotion und das Concertbuero Zahlmann für die Akkreditierung.
Line-up:
Jon Davison (vocals, guitar, percussion)
Steve Howe (guitar, vocals)
Chris Squire (bass, vocals)
Geoff Downes (keyboards)
Alan White (drums)
Yes    Yes    Yes
Setlist Yes:
01:Close To The Edge
02:And You And I
03:Siberian Khatru
04:Going For The One
05:Turn Of The Century
06:Parallels
07:Wonderous Stories
08:Awaken
09:Yours Is No Disgrace
10:Clap
11:Starship Trooper
12:I've Seen All Good People
13:A Venture
14:Perpetual Change

Encore:
15:Roundabout
Externe Links: