Yes / 05.12.2009, Messehalle, Erfurt
Messe
Yes
Messehalle Erfurt
05. Dezember 2009
Konzertbericht
Stil: Art Rock
Fotos: ©Axel Clemens



Artikel vom 22.12.2009


Ingolf Schmock
Betagte Kunstrocker im Origami-Rausch
YesVor nahezu vierzig Jahren, als die Protagonisten zaghaft versuchten, mit ihrer in Beat-und Psychedelia verwurzelten artifiziellen Spielweise, und als musikalische Verfechter einer Hippie-Utopie, Aufmerksamkeit zu erhaschen, ahnten die wenigstens, dass sie einst ein granitenes Monument auf dem Rock-Olymp errichten würden.
Dabei konstruierten die Briten ihre teils ausgedehnten Artrock-Symphonien kunstvoll arrangiert und mit überraschenden Wendungen versehen, um ihrer Leidenschaft für klassische Musikstrukturen, entgegen allen starren Formen des Rock'n'Roll, mit großen Gesten und virtuosem Handwerk wesentliche Referenzen zu erweisen.
In einer Zeit, als sich so manche Popkonsumenten an 'Love And Peace'-Gesängen nicht satt genug hören konnten, verhielten sich die Musikanten aus der einstigen Swinging Sixties-gebeutelten Hauptstadt eines Vereinigten Königreiches stets antizyklisch und schufen trotz flukturierender Besetzungslisten detailverliebte Epen, welche mit diversen Rhythmuswechseln nebst sakralen Abschweifungen und ausdauernden Akkordorgien bevorzugt gemeinen Bildungsbürgern den Himmel voller Geigen eröffneten.
YesGroßen Eindruck bei der Yes-Begründung hinterließen Beatles-Vorgaben, welche die ungestümen jungen Spunde, mit ihrem ureigenen musikalischen Stempel versehen, weiterspinnen bzw. revolutionieren wollten. Das Musikerkollektiv verzichtete auf gängige Rock-Klischees und flutete stattdessen kompositorisches Ennui mit kathetralen Tastenmalereien und betörenden Troubadour-Gesängen, um mit ihren von eklektischem Pathos und Gigantomanie überfütterten Studiowerken, wie Tales From Topographic Oceans oder "Relayer" einem künstlerischen Ikarusflug bedenklich näher zu rücken.
Summa summarum waren das Tastenvirtouse Rick Wakemans adaptierte Wagner-Gebilde, nebst Steve Howes ätherischem bzw. dem Jazz und Country geschuldeten Saitenzupfen, Chris Squires melodieführendem Bassspiel, Alan Whites fundamentalem jedoch komplexem Trommeln, und
Jon Anderson, flügellos aber mit engelsgleich geöltem Falsett - das spirituelle Abbild eines Anti-Egomanen, stark und zerbrechlich zugleich.
Im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit verkündeten Yes bis in die jüngste Zeit, abgesehen von kreativen Tälern und Phasen, als man Anfang der 80er gemeinsam mit dem Popduo The Buggles ins kommerzielle Boxhorn blies, ihr musikalisches Sakrileg und setzten dem cinemascopischen Kunstrock eine schillernde Fußnote.
YesDie musikalischen Höhen formvollendeter Kompositionen liegen seit geraumen Tagen brach und wurden spätestens mit ihren bombastgespickten Jubiläumsshows 2004 in tiefste Grabesstätten eines goldenen Rockzeitalters versenkt.
Nun befinden sich die Herren seit fast einem Jahr auf einer Konzertreise, welche bei einigen ergrauten Anhängern und Kritikern auf Empörung prallte oder selbige gar als eine installierte Selbstbeweihräucherung an den Pranger nagelten. Natürlich hat man ihnen nicht verziehen, letztendlich diesen 40-jährigen Geburtstag ohne den von gesundheitlichen Einschränkungen geschüttelten Jon Anderson abzufeiern und ihn kurzerhand durch einen verjüngten kanadischen Hinterwäldler zu ersetzen.
YesNeben den reaktivierten Vorruheständlern wusste zumindest der Anderson-Klon Benoit David gesangstechnisch zu beeindrucken, blieb aber in punkto Charisma mit peinlichem Posing meilenweit vom Original entfernt, zumal dagegen Wakeman-Sprössling Olivers blässliche Tastenakrobatik in sperrigen Übergängen und laboranten Triolen als Gipfel der Ekstase stecken blieb.
Zwar erinnerte einiges während des Erfurter Gastspiels an die Blütezeit der Siebziger, als die fünf Virtuosen ihre verzahnten und rekordverdächtigen instrumentalen Wettkämpfe auf den Rockbühnen dieser Welt austrugen, doch vermochte sich die zwar soundtechnisch aufpolierte aber dennoch wermutströpfige Präsentation unter der kindlichen Origami-Kulisse von einer eklatanten Zweischneidigkeit nicht freizusprechen.
YesDer magische Mehrwert manierierender Süßlichkeiten wie "Onward" oder "And You And I" nebst wiederbelebter Prähistorien und aufgeplusterter Hitparaden-Brecher werden an diesem Abend vom Großteil der aufmerksamen Stuhlsitzer als verlockend klingende petit fours ihrer Jugendzeit empfangen und zu Sehnsuchtsmelodien eingefroren. Auch wenn die Exzentrik vergangener Tage verloren schien, konnten die drei reiferen Herren und ihre rekrutierten Frischzellen dank ungebremster Spielfreude das überwiegend betagte Publikum von deren Rheumasitzen reißen.
YesYes agierten inmitten ihrer antiquarischen Deko weit mehr als bemüht und wussten mit den Anderson-Verweigerern "Tempus Fugit" und dem überlangen "Machine Messiah" vom mainstreambekehrten Drama-Machwerk zu überraschen.
Am Ende blieb ein Abend, welcher so manchen Betrachter berührend verunsicherte, andererseits aber auf gänzlich entblößende Weise in seinem künstlerischen Anspruch forderte. Ohne gichtgeplagten Tasten-Senior und Falsett-Hoheit Jon Anderson laufen die Kunstrocker künftig dennoch in Gefahr, süffisante und generationsübergreifende musikalische Denkmäler allmählich zu schalen Blaupausen juveniler Emotionen gerinnen zu lassen.
Mein besonderer Dank für die freundliche Unterstützung gilt Raphaela Ciblis, Moderne Welt Veranstaltungs-AG und dem Personal der Messe Erfurt.
Bilder vom Konzert
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