Yes / The Word Is Live
The Word Is Live
"Ladies and gentlemen - YES!"
Mit diesen Worten wird die Yes- Triple- Live CD "The Word Is Yes" eröffnet. Eine klasse und passende Introduktion: unspektakulär, prägnant, gradlinig und auf den Punkt gebracht. Die Betonung des Sprechers liegt auf YES. Ob er damals wohl geahnt hat, wie glanzvoll sich die Karriere der Band entwickeln sollte?
Das zeitliche Spektrum der Liveaufnahmen beginnt 1970 und endet 1988. Dazwischen hat sich die Yes-World oft gedreht. Das Line Up wurde bis auf Basser Chris Squire komplett ausgewechselt. Auf einigen Positionen sogar mehr als einmal. Die Musik startet mit klassischen Rock Elementen, entwickelt sich zu Progressive Rock mit Jazzrock- Einflüssen und ebbt auf CD 3 in sehr gutem Stadion Rock aus. Aber Yes klingen über die gesamte Spannbreite immer wie Yes. Die Klangfarben nicht nur eines Jon Anderson sind zu charakteristisch, zu einnehmend, um sie zu verwechseln.
Ja, Jon Anderson! Seine Stimme wird geliebt und sie wird gehasst. Seine Bühnendarstellung ist für Manche zu weich, zu vergeistigt. Aber Freunde, mit dieser Stimme würde ihm keiner eine energiegeladene Physical-Acting-Show abnehmen. Niemand wird ihm hingegen absprechen, dass er ein brillanter Sänger ist. Wo andere Vocalisten mit den Jahren Einbussen bei der Kehlkopf-Performance hinnehmen müssen, klingt Anderson heutzutage genauso überzeugend wie zu Beginn seiner Laufbahn mit Yes. Einige behaupten gar, er sei mit der Zeit noch besser geworden. Die Musikfans können sich auf dieser Livecompilation jetzt selbst ein Bild davon machen. Interessanterweise sind sogar 3 Anderson- lose Stücke aus der Anderson-losen Yeszeit zu hören. Für eine dramatisch kurze Zeit und für ein Album übernahm Trevor Horn um 1980 das Mikro.
Widmen wir uns den Trommlern.
An den Schießbuden agierten Bill Bruford und Alan White. In der 'Union' Phase der Band - so um 1991- sogar gemeinsam. Über Bruford braucht kein Wort mehr verloren zu werden; seine Qualitäten als Trommler sind hinlänglich bekannt. Aber Alan White stand doch immer ein bisschen im Schatten seines virtuosen Vorgängers. Vielleicht ein wenig zu Unrecht. Was er drauf hat, zeigt er eindrucksvoll bei "Sound Chaser". Dieser hochkomplexe Song ist ein Feuerwerk für Drums und Guitar - eine auditive Eruption und live ein Genuss.
Was wäre Yes ohne Rick Wakeman? Auch eine ganze Menge, wie man sich auf "The Word Is Live" überzeugen kann. Zum Yes - Beginn schlug Tony Kay die Tasten an. Bei der "Pop Rock mit toupierten Haaren" -lastigen Inkarnation der Band in den 80'er Jahren kam er dann noch mal zum Einsatz. Sicherlich verblasst er ein wenig neben dem strahlenden Stern eines Rick Wakemans, aber er ist ein ziemlich guter Keyboarder.
Im Gegensatz dazu bewegt sich Patrick Moraz durchaus auf gleicher Augenhöhe mit Wakeman. Leider spielte er in der Mitte der 70'er Jahre nur für eine relativ kurze Zeit bei Yes, bis er ab "Going For The One" wieder von Wakeman abgelöst wurde. Patrick gibt sich auf CD 2 bei 5 Stücken die Ehre, darunter beim schon erwähnten "Soundchaser" und beim Intro für "Siberian Kathru" mit dem hoffnungsvollen Namen Apocalypse. Darin eingebunden ist eine Melodiefolge von "You And I". Last but not least bleibt noch der spätere Asiat Geoff Downes zu nennen, der die Band, ebenfalls wie Trevor Horn übrigens, in dramatischen Zeiten vervollständigte.
Kommen wir nun zu den Gitarristen. Mit dem Namen Yes verbindet man natürlich sofort den sechs-Saiten Gott Steve Howe. Mit seiner speziellen, rasanten Spielweise und mit seinem für ihn so typischen Gibson-Sound prägte er den Yes-Sound wie sonst nur Jon Anderson. Schon aus diesem Grund ist Yes Musik ein Leckerbissen für alle Gitarrenfreunde. Aber auch sein Nachfolger und Vorgänger Trevor Rabin beherrscht sein Instrument. Während der "Union" Shows beispielsweise stelle ihn Anderson als "... also a great guitarist" vor. Die Kinogänger unter euch haben seinen Namen vielleicht im Abspann des einen oder anderen Hollywood Streifens gelesen. Soundtracks sind nun mal eines seiner Standbeine. Trevor Rabins Zeit mit Yes war überaus erfolgreich. Schließlich war er maßgeblich am Topseller "9012" beteiligt. - Nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Songwriter und Mitsänger.
Schön, dass auch mal Live Songs aus den Yes Anfangstagen mit Peter Banks an der Axt veröffentlicht werden. Der konnte und kann es auch. Hört ruhig mal in "Then" hinein. Banks ist teilweise ganz schön flink auf dem Griffbrett.
Wie sich Ideen entwickeln, wird eindrucksvoll bei "For Everyone" demonstriert. Ist doch tatsächlich ein Thema aus "Starship Troopers" zu erkennen.
Das Rückgrat der Band spielt Bass, schreibt Songs, singt Background und läuft mit kindlicher Freude in extravaganten Bühnenoutfits herum. Chris Squire war und ist die Naturkonstante von Yes. Der Superbasser rumpelt mit seinem Instrument ebenso sicher songdienlich im Hintergrund des Arrangements herum, wie er die Songs mit melodiösen Rhythmen und kreativen Bassläufen aufpeppt. Er ist einer der wenigen Tieffrequenzer, die einzelnen Abschnitten eines Tracks derart ihren Stempel aufdrücken können, dass sie über die charakteristische Spielart definiert werden. Ja genau, ich schiele bei dieser Aussage beispielsweise in Richtung "Heart Of The Sunrise".
Der Sound ist Alles in Allem recht brauchbar. Allerdings schleicht sich schon mal ein Brummen oder Knacken ein. Das betrifft die Songs des Drama - Line Ups. Ob es davon keine anderen Aufnahmen mehr geben sollte? Dem Genuss schadet es wirklich nur ganz wenig. Vielmehr bekommt der Musikfan auf "The Word Is Yes" viele intensive, beherzte und energische Interpretationen bekannter und weniger bekannter Songs in die Gehörschnecke.
Die Triple CD erscheint in einem regelrechten Buch, für dessen Titelbild wieder mal Roger Dean den Pinsel geschwungen hat. Die Symbiose aus visueller und auditiver Kunst funktioniert noch immer bestens. Dazu kann im Buch vieles gelesen und bestaunt werden. Allerdings sind die ersten beiden CDs überlappend angeordnet. CD 2 kann deswegen nicht entnommen werden, ohne Cd 1 auch herauszunehmen.
Die Songauswahl greift die Standards wie "Roundabout" und "Heart Of The Sunrise" ab, seltenere Highlights a la "Awaken" und "Soundchaser" und live-nicht-mehr-hörbar-Geglaubtes in Gestalt von "Shoot High, Aim Low" oder "Tempus Fugit". Klar werden einige jetzt wieder darüber meckern, warum denn "Don't Kill The Whale" oder "Close To The Edge" nicht den Weg auf den Triple gefunden haben. Aber mal ehrlich: who cares?
Weil 1988 nun auch schon locker 17 Jahre her ist, besteht doch irgendwie - vielleicht etwas verfrüht - die Hoffung auf "The Word Is Live" Part II. Schließlich wurden seitdem fleißig Shows mitgeschnitten. Gute Songs sind danach eh entstanden und wir hätten die Gelegenheit, auch auf die beiden anderen Musiker einzugehen, die als Yesser Platten gemacht haben. Da wäre der Keyboarder Igor Khoroshev und Multitalent Billy Sherwood, der sich schon mal konspirativ mit Chris Squire zu CD Aufnahmen trifft.
Ja, liebe Musikfans! Egal welche Yes- Liveplatten oder DVDs auch immer bei euch daheim im Regal verstauben. "The Word Is Live" sollte unbedingt dazu gehören. Beim Schreiben dieser Worte klingt gerade "Awaken" aus. Die Begeisterung und Ergriffenheit will einfach nicht nachlassen...


Spielzeit: knapp 4 Stunden, Medium:3-CD, Black Lotus / Twilight, 2005
CD I:
1:Then 2:For Everyone 3:Astral Traveller 4:Everydays 5:Yours Is No Disgrace 6:I've Seen All Good People 7:America 8:It's Love
CD II:
1:Apocalypse 2:Siberian Khatru 3:Sound Chaser 4:Sweet Dreams 5:Future Times/Rejoice 6:Circus Of Heaven 7:The Big Medley (Time And A Word, Long Distance Runaround, Survival, The Fisch, Perpetual Change, Soon) 8:Hello Chicago 9:Roundabout
CD III:
1:Heart Of The Sunrise 2:Awaken 3:Go Through This 4:We Can Fly From Here 5:Tempus Fugit 6:Rythm Of Love 7:Hold On 8:Shoot High, Aim Low 9:Make It Easy/Owner Of A Lonely Heart
Olli "Wahn" Wirtz, 19.10.2005