Zan Zone / Shorts
Shorts Spielzeit: 73:13
Medium: CD
Label: Randomaxe Records, 2013
Stil: Fusion


Review vom 04.10.2013


Wolfgang Giese
Heute wird Musik geboten, die das normale Hörempfinden für viele sicher sprengt, denn außer Einzelelementen verschiedener Musikstile findet darüber hinaus noch eine Verschmelzung dieser statt, sodass auf den ersten Blick - oder besser Höreindruck - ein wilder Mix von offenbar verrückt gewordenen Musikern veranstaltet worden ist. Doch so schlimm ist es gar nicht, letztlich bleibt es unter dem Strich einheitlich und etwas, was definitiv vereint, ist die fast durchgehend gute Laune, die verbreitet wird.
Zan Zone stammen aus New York - so bunt wie dessen Bevölkerung, gerade hinsichtlich des großen historischen europäischen Einflusses. So findet im Eröffnungstitel auch ein Volkslied aus dem frühen siebzehnten Jahrhundert Verwendung, "Lasst uns erfreuen", erstveröffentlicht in einem Hymnenbuch aus 1623, vom Kölner Peter von Brachel. Die Musik der nordamerikanischen Ureinwohner findet auch Berücksichtigung bei Titel Nummer sieben, in Zusammenhang mit einem Mann aus dem neunzehnten Jahrhundert: Used-As-A-Shield, ein Angehöriger der Lakota.
Zan Burnham soll bereits seit über zwanzig Jahren bestrebt sein, unterschiedliche musikalische Einflüsse unter einen Hut zu bringen, 1995 war das Ergebnis eine erste Langspielplatte. Seit 2010 ist er mit der nun veröffentlichten Scheibe beschäftigt. Sehr gute Musiker waren an den Aufnahmen beteiligt. Für mich als Jazzer besonders auffällig ist die Beteiligung des Jazzers Bill Ware am Vibrafon - einer, der neben Gary Burtonals einer der Erneuerer des Instruments gilt.
Die Vielseitigkeit der Musik hat m. E. den Vorteil, dass verschiedene Stile angerissen werden und es dem Hörer ermöglicht wird, sich auch mit bis dato ihm unbekannter Musik zu befassen. Somit öffnet Burnham damit quasi neue Türen. Dazu kommen das exquisite Songwriting und die sehr vielschichtigen Arrangements, die aber nie verkopft wirken, sondern direkt die Seele anspringen. Viel Groove und Leidenschaft tropfen aus den Instrumenten und Stimmen. Dabei beginnt die Platte ganz beschaulich, als würde man einen Schritt in das Mittelalter gehen und auf den Minnesang warten. Diese Melodie hätte seinerzeit gut und gern auf Krummhörnen geblasen werden können - wie oben bereits aufgeklärt, geht es tatsächlich in das Jahr 1623.
Eine gar merkwürdig anmutende Atmosphäre mit einer scheinbar ständig solierenden Gitarre, die leicht zittrig klingt, leitet uns zu weiteren musikalischen Ufern. Herrlich, wie der Gesang doch manchmal unglaublich sympathisch daneben zu liegen scheint, man höre nur einmal "Ice Day", und wie der Sänger beherzt schreit : »I don't wanna die! « Mitten im Song entwickelt sich dann noch eine keltisch anmutende Melodie, bis wir dann beim nächsten Song bereits im Bereich der The Pogues gelandet sind! Oder ist es doch Paul Simon mit "Graceland", das hier stark durchschimmert? Ich sage ja: völlig irre, diese Musik, angenehm und wohltuend irre aber! "Metamorphosis" ist eines der drei Instrumentals der Platte und bringt ein wenig Ruhe in das Geschehen. Die Geige spielt eine schöne Melodie und man kann ein wenig ins Träumen geraten. Aber auch gesanglich ausgestaltete Balladen gibt es zu hören, so gleich das anschließende "Things That Make Me Cry" zum Beispiel.
Im Reggae-Rhythmus geht es mit "Bad Timing" ab und dazu schwelgt ein Akkordeon. Auch hier ist der Gesang so herrlich schräg, mir fällt der frühe Jonathan Richman ein. Darüber hinaus klingen auch gelegentlich Dexy's Midnight Runners und deren typischer Sound durch und mit "I Color Me Blue" wird, unterstützt von coolen Vibrafonklängen, eine Jazzballade vorgelegt. Yippie-Ya-Yeah, die Ghostriders traben langsam vorbei mit herrlicher Surfgitarre ausgestattet. Ja, auch das gibt es hier, auf "Jalopy" - ganz super gemacht. Ein Stück, das den Reigen dieser Musik wunderbar abrundet.
So ist das Ergebnis eine Wundertüte voll scheinbar unbedarft und mit viel Freude gespielter Musik, auch einmal mit Jam-Charakter, wie bei einem der langen Stücke besonders, auf "Learning How To Love". Ein Song voller Gefühle, Lachen und Sehnsucht, ebenfalls ein Volltreffer, bis wir dann mit "Fly Away" noch mit einem Zitat konfrontiert werden: "Up Up And Away (In My Beautiful Balloon)" und uns ein von Kneipengeräuschen eingeleiteter Schlusssong, der wieder zum Jazz führt. Genau hier würde Tom Waits prima passen!
Diese Musik ist so ungewöhnlich, so ungewöhnlich gut, dass ich schon wieder einen Tipp abgeben muss!
Line-up:
Zan Burnham (vocals, guitars, mandolin, banjo, electric bass, keyboards, percussion,glockenspiel)
Philip Dessinger (vocals)
Mark Harrington (vocals)
Bruce Davidson (vocals)
Tammy Infusino (backing vocals and laughs)
Laura Gold (backing vocals)
Kat Craig (backing vocals)
Samantha Jane Williams (backing vocals)
Arianne Burnham (backing vocals)
Jess Burnham (backing vocals)
Carl Pugliese (chant)
Bill Ware (vibraphone)
Charlie Burnham (violin)
Saddi Zain (acoustic bass)
Joe Raposo (electric bass)
Kurt Bergland (drums)
Leigh Stuart (cello)
Rich Cohn (accordion)
Mike Neer (lap steel guitar)
Tracklist
01:Paean To The Muse (2:13)
02:One Step Left (4:24)
03:Ice Day (5:44)
04:Days Of Our Lives (6:35)
05:Metamorphosis (4:24)
06:Things That Make Me Cry (4:35)
07:Only The Earth Endures (7:53)
08:Bad Timing (5:19)
09:I Color Me Blue (6:57)
10:Jalopy (3:35)
11:Learning How To Love (9:29)
12:Fly Away (6:30)
13:I'm On My Way (4:57)
(all songs written, arranged & orchestrated by Zan Burnham,
except #2 by Dessinger/Burnham/Textor)
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