Bob Dylan - Songs größer als das Leben?
Zwischenruf »Alles was ich jemals getan habe, war, grundehrliche Lieder zu singen, die machtvolle neue Wirklichkeiten ausdrückten« denn Bob Dylan hatte gerade »nichts anderes zu tun.«
Entstehen auf diese Weise Songs, die größer sind als das Leben? Die Meisten werden diese Frage wohl mit 'Ja' beantworten - der Zwischenrufer meint: 'Nein'.




Zwischenruf vom 04.11.2010


Steve Braun
Und wieder taucht eine fette Musikbox sowie die x-te Biografie von Robert Allen Zimmerman, der sich inspiriert durch seinen Lieblingsdichter Dylan Thomas den Künstlernamen Bob Dylan gab, in den Regalen virtueller und realer Plattenläden auf und die Anhängerschaft, die ohnehin schon jeden Ton von ihm besitzt, wird entzückt aufschreien. Der 'Meister' meldet sich wieder zu Wort...
Mir ging dieser bärbeißige Grieskram immer sonstwo vorbei. Gut, "Like A Rolling Stone", "Knockin' On Heaven's Door" oder "Man In The Long Black Coat" waren eindeutig geniale Nummern, allerdings schienen sie mir den ganzen Hype um diesen hässlichen Vogel dann letztlich doch nicht wert zu sein. Die Jubelarien um den Mann ließen mich völlig kalt, bis ich die von Wolfgang Niedecken gelesene Dylan-Autobiografie "Chronicles Volume One" hörte. Das hätte ich mir wohl besser geschenkt, denn seitdem verachte ich Bob Dylan abgrundtief - ganz so wie ich es JEDEM Zyniker zukommen lasse. Wer in absichtlich verletzender Weise die Wertvorstellungen anderer herabsetzt oder missachtet, hat (im Gegensatz zum bissigen Sarkastiker) - nach meinen Moralvorstellungen - keine Achtung verdient. Punktum.
Bob Dylan hat meines Erachtens nichts anderes als das große Pech gehabt, in den 1960ern einige außergewöhnlich gute Songs geschrieben zu haben. Und sich, um noch eins auf die Misere draufzusetzen, mit einer Handvoll genialer Textzeilen eine riesige Schar anbetungswilliger Jünger einzuhandeln, die er nicht mehr los wurde. »Ich hatte kaum etwas gemeinsam mit dieser Generation ... und wusste noch weniger über die Generation, deren Stimme ich angeblich war«. Bis heute lässt der übellaunige Kauz keine Gelegenheit aus, seine Verehrer zu vergrätzen - doch die lassen sich nicht abschütteln und kleben an seinen Lippen wie Groupies in den goldenen 70ern.
Hier haben wir den Knackpunkt in Bob Dylans Biografie: In der Zeit des Vietnamkrieges sei ihm - so der große Meister - zunächst die Rolle des Predigers zugedacht und später die Ausrufung zum 'Messias' erteilt worden. Dylan beteuert, sich nie größer gemacht zu haben, als er gewesen sei - was ich ihm durchaus abnehme. Nichts anderes als ein einfacher Folksänger will er gewesen sein. Warum hat er das seinerzeit nicht ebenso wortreich wie gut vierzig Jahre später seiner Anhängerschaft klar gemacht? Warum hat er sich nicht verweigert? Nichts da, für seine 'Jünger', die in ihm den »Prinzen der Protestbewegung« sahen, hat er nichts als Spott übrig. Getreu dem Motto 'Das Publikum bekomme, was es verdient' habe er seine Songs »wie Dreck an die Wand geworfen« und das, was letztlich heruntergefallen ist, auf seinen Scheiben verewigt. Genau hier vermittelt sich dem zunehmend verärgerten Leser/Hörer die hässliche Maske des Zynikers. Denn: Selbstverständlich hat er all die Tantiemen, die ihm seine gold- und platindekorierten Tonträger eingebracht haben, nur zu gerne eingesteckt. Keiner missgönnt dem - im Lebensstil eher Konservativen - sein Anwesen am Atlantik und seine Ausflüge in die Karibik auf der eigenen Luxusjacht. Aber wem hat er wohl dieses Leben zu verdanken? Es gibt genug Beispiele von Superstars, die ihren Fans bis zum heutigen Tag für ihre Treue dankbar sind.
Hochachtungswert wäre es gewesen, wenn Dylan das konsequente Leben eines Woody Guthrie, dessen Songs er als »größer als das Leben« empfand, geführt hätte und ein einfacher Folksänger geblieben wäre. Womit ich nicht sagen möchte, es sei unanständig mit seiner Musik Geld, viel Geld zu verdienen. Widerwärtig ist es vielmehr, seine 'Geldgeber' derart schmählich der Lächerlichkeit preiszugeben. »Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht nass« - an diesem Spagat ist Robert Allen Zimmerman, der er wohl besser geblieben wäre, meines Erachtens gescheitert.
Warum nur musste ich Trottel mir "Chronicles Volume One" antun? Ohne diese Autobiografie wäre alles beim Alten geblieben: Dylan wäre für mich ein misanthropischer Kauz, der nicht singen und bestenfalls mittelprächtig Gitarre spielen kann, geblieben. Jetzt ist diese »Ikone wider Willen« nichts anderes als ein arroganter, zynischer Freak, dessen Veröffentlichungen mir jedesmal die Galle hochkochen lassen.
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