Dolby 5.1
Zwischenruf
Dolby 5.1
Einige besonders aufmerksame Leser werden sicherlich mitbekommen haben, dass mein Verhältnis zu "Dolby 5.1" noch janusköpfig ist. Jedes mal wenn ich mir eine DVD mit diesem Sound reinschiebe, bin ich zuerst restlos begeistert. Aber mit zunehmender Laufzeit wird der Enthusiasmus schwächer.
"Dolby" war doch das System, auf das alle so scharf waren, damals, als noch Kassettendecks gekauft wurden. Wer "Dolby" hatte, war ein König. Aussicht auf den Kaiserthron mit unvorstellbarer Macht hatte aber nur jemand, der mit "Dolby B" aufwarten konnte. Hatte jemand ein mit "Dolby C" ausgerüstetes Deck, rangierte er unmittelbar hinter Gott und bekam obendrein die besten Bräute.
Mit den Kassettendecks verschwand auch die Rauschunterdrückung a la "Dolby" aus dem öffentlichen Interesse. Alle sprachen nur noch von CDs mit AAD, ADD oder DDD. Von DAT, MP3, Mp4 oder Minidisk. Dann plötzlich tauchte der Begriff "Dolby" wieder im allgemeinen Sprachgebrauch auf. War es das erste mal im Kino?
Jedenfalls dachten so unaudiophile Leutchen wie meine Wenigkeit zunächst, "Dolby 5.1" sei ein weiteres Release von "Dolby", also ähnlich nummeriert wie ein Computerprogramm. - Exkurs: Als Audiophile definiere ich diese Typen, die auf ihrer sündhaft teuren Anlage nur deswegen Eric Claptons "Unplugged" abspielen, weil das Quietschen so plastisch und authentisch rüberkommt, wenn der mit seinen schwitzigen Fingern über das Griffbrett rutscht. Als die DVD, einschließlich Heimkino, salonfähig wurde, sprach sich endlich herum, was mit "Dolby 5.1" gemeint war. Räumlicher Klang mit 5 Satellitenboxen und einem Subwoofer. Das kommt schon toll, wenn der LKW mit tiefem Grollen quer durchs Wohnzimmer donnert. Keine Frage!
Schon bald witterte auch die Musikindustrie Lunte. Mittlerweile sind Konzertmitschnitte von allen möglichen Bands auf DVD erschienen - mit "Dolby 5.1" Sound.
Die DVD ist als Medium weitaus bequemer als ein VHS-Tape. Sie ist leichter, benötigt weniger Lagerplatz und alle hoffen, dass sie länger hält. Meine persönliche Einschätzung ist, dass sie sich auch besser verkauft als ein VHS- Video. Weitaus mehr meiner Bekannten besitzen Konzert-DVDs als Konzert-VHS-Bänder. Und wenn der DVD Spieler an einer ordentlich Anlage angeschlossen ist, erhält man wirklich einen brachialen Sound. So weit, so gut.
Langsam aber sicher ebbt die erste Euphorie ab. Man beginnt gewissenhafter zuzuhören. Es ist doch wirklich ungewohnt, wenn ein Gitarrenheld auf dem Bildschirm ein sagenhaftes Solo zelebriert, der Ton dazu aber von hinten links kommt.
Werden die Sinne nicht vernebelt, wenn im Fernsehen ein Typ vom Schlage eines John Bonham alles gibt und die Drums gegen den Uhrzeigersinn im Kreis herum durch die Bude bollern?
Der Effekt ist anfangs ja ganz nett, aber dann?
Die Versuchung wird immer größer, am "Dolby"-Verstärker statt "Surround" einfach "Stereo" einzustellen, damit die hinteren Speaker stumm bleiben.
Wie schnell sich die Industrie den vermeintlichen Hörerwünschen anpasst, ist phänomenal. Einige Konzert- DVDs hatten ja schon als Extras Bonusaudiotracks der jeweiligen Band, speziell für Dolby 5.1 abgemischt.
Mittlerweile gibt es auch Bands, die ihre CDs noch einmal als "5.1-Mix" heraus bringen, wie etwa Porcupine Tree mit "In Absentia".
Das erinnert wieder mal schwer an die 70'er Jahre, als ein paar Soundpioniere mit der Idee der Quadrophonie den Markt revolutionieren wollten - und scheiterten.
Mann, was hat der Sound heute doch für eine Bandbreite. Da gibt es immer noch die älteren Herren, die samstags nachmittags "Sport und Musik" hören - natürlich mindestens auf Vol 8, ohne Höhen und am besten in breitem "Bergarbeiter-Mono". Und daneben gibt es die "Extrem Audiophilen", denen "Dolby 5.1" schon zu ordinär ist und die wieder verzweifelt nach dem neuen, diesmal wirklich ultimativen Hörkick suchen. Mal sehen, wo das hinführt.
Aber eines ist sicher: Es gibt was auf die Ohren.
Olli "Wahn" Wirtz, 25.01.2005