Editorial - August 2010



Editorial vom 01.08.2010


Steve Braun
Liebe RockTimes-Freunde,
Aus Sicht der Politik müsste eigentlich in jedem Jahr eine Fußballweltmeisterschaft stattfinden. Erinnern wir uns an 2002: Da hat Schröder mittels einer ergurkten Final-Teilnahme seine Wiederwahl still und heimlich erstoibert. Oder 2006: Hier wurde mitten in einem Sommermärchen eine gigantische Mehrwertsteuererhöhung im Land des Wintermärchens mit Pauken und Posaunen durchgemerkelt. Und 2010? Da bekam das erneut durch Fußball sedierte Völkchen einen neuen Bundeskasper und eine bittere Gesundheitspille von einem ebenso schlitzohrigen wie -äugigen, wirtschaftsliberalen Hanswurst und (kaum) einer hat's bewesterwellet.
Und nun? Wir mögen zwar Papst und manchmal auch Lena sein, aber Weltmeister sind wir wieder nicht ... Dafür sind wir jetzt Schland-o-Schland. SOS ... Herr, wirf Hirn vom Himmel, denn Deutschland verblödet! Da mag man sich kaum vorstellen, was uns in vier Jahren erwarten könnte ...
Ein beredtes Bild von der Stimmungslage unseres Völkchens gab es im Internet zu bestaunen. Völlig klar, dass es für ein Land, das gefühlt »von der Maas bis an die Memel« und »von der Etsch bis an den Belt« reicht, alles andere als ein Weltmeistertitel inakzeptabel ist. Nichts mehr zu spüren von der kleinlauten Bescheidenheit vor sechzig Jahren. Fahnen-besoffen tragen wir unseren Nationalstolz wieder zur Schau. 'Stolz, ein Deutscher zu sein' - das war bis vor wenigen Jahren noch das Motto einer widerwärtigen, rechtsextremistischen Partei. Schon seit mindestens vier Jahren muss man nicht mehr verstohlen um sich blicken, wenn man das Lied der Deutschen - wenn auch 'light' - mitsingt und der Stolz, ein Deutscher zu sein, gehört bereits zum politischen 'Neu-Sprech'. Hurra, wir sind wieder wer!!
Ach ja, Fußball wurde ja auch noch gespielt ... und wie! Da musste man sich schon des Öfteren die Augen reiben: Die Brasilianer spielten tumb-teutschen Rumpelfußball - die Deutschen zauberten brasilianisch. Eine solche deutsche Mannschaft habe ich persönlich seit 1980 nicht mehr gesehen. Da verzeihe ich dem Schweini sogar seine stramme CSU-Mitgliedschaft und Lahm vergebe ich bereitwillig seine unglaublich dumme - weil unsportliche - Aussage nach dem verlorenen Halbfinale, dass auf dieses Spiel [gemeint war das 'kleine' Finale] »keiner Lust« habe. Deutschland hat wunderbaren Zauberfußball zelebriert - Schland-o-Schland bin ich allerdings immer noch nicht.
Schland-o-Schland ist einfach nur 'gaga' und genau das verdient jeder, der seine tägliche Dosis Musik von einem singenden Suppenhuhn bezieht, das sich völlig zu Recht Lady Gaga nennt. Ein Jeder bekomme, was er verdient ... Womit wir beim leidigen Thema 'Musik' wären.
Der aufmerksame Leser unserer News-Sektion wird sich des Eindrucks kaum erwehren können, auf einem sich immer schneller drehenden Karussell des musikalischen Irrsinns zu sitzen. Ob
Ozzy Osbourne, Steven Tyler, Liam Gallagher oder Dave Mustaine ... die Egozentriertheit erschüttert. Es drängt sich die Frage auf, ob wir von RockTimes 'nützliche Idioten' dieser Herren (die Damen stehen ihnen - wenn auch hier ungenannt - gleichberechtigt zur Seite) sein wollen. Man könnte diese Art der Nachrichten schlichtweg ausblenden und sich auf 'Fakten, Fakten, Fakten' konzentrieren. Andererseits ist der Spott über die Dämlichkeit so mancher Aussage eine Katharsis für jeden News-Scout. Ihr glaubt ja gar nicht, wie viel Quatsch man da tagtäglich auf den Schirm bekommt. Gezielte Seitenhiebe sind da äußerst hilfreich, um nicht zum Zyniker zu mutieren.
Richtig traurige Nachrichten hatten wir wieder zu vermelden:
Klar scheint zu sein, dass die Black Crowes sich auf eine Abschiedstour begeben werden. Die Herren um die Robinson-Brüder lösen sich zwar nicht auf, wann sie allerdings wieder zusammen musizieren wollen steht in den berühmten Sternen. Ein Gutes hat die Sache: Vielleicht darf nun endlich wieder mit einem neuen Studio-Album von Luther Dickinsons North Mississippi Allstars gerechnet werden ...
Auch Derek Trucks legt seine Band auf Eis - hier dürfen wir uns allerdings auf ein gemeinsames Album mit Ehefrau Susan Tedeschi freuen.
Verabschieden dürfen wir uns auch von Bret Michaels' geistiger Zurechnungsfähigkeit. Der Drogenfund in seinen beiden Tourbussen will so gar nicht zu seinem Saubermann-Image, das er beinahe täglich in Fernsehinterviews - die natürlich via Clip am nächsten Tag durch sämtliche Internet-Gazetten wabern - zur Schau stellt, passen. Jetzt wird der auf wundersame Art und Weise von einer Hirnblutung Genesene sogar Juror in der "American Idiot" ... pardon "American Idol" TV-Show. Da kommt der Drogenfund eher ungelegen.
Ich gehe - und das ist meine ganz persönliche Meinung - noch einen Schritt weiter und bezichtige den wenige Tage nach seiner 'Hirnblutung' bereits wieder fleißig Tourenden der äußerst geschmacklosen Täuschung der Öffentlichkeit! Zufällig weiß ich genau, wie die Therapie nach einer Hirnblutung aussieht. Da muss man nämlich vier Wochen strengste Bettruhe, die ersten beiden Wochen liegend, einhalten - zunächst sogar auf der Intensivstation. Selbst Abführmittel werden verabreicht, denn man will unter allen Umständen jeder akut lebensgefährlichen Erhöhung des Drucks im Gehirn entgegen wirken. Bret Michaels dagegen ist nach weniger als zehn Tagen bereits aus dem Krankenhaus entlassen - eine Woche später steht er wieder auf Amerikas Bühnen. Eine neue Single, die 'promotet' werden möchte, hat er natürlich auch schon in der Hinterhand und so tritt er während seiner Tour beinahe täglich in irgendwelchen TV-Sendungen auf. Ein neues Album wird er natürlich auch bald machen und denkt gar über eine - Achtung, jetzt kommt es - Autobiografie nach. Und was wird die wohl zum Inhalt haben? Beste Gründe, Bret Michaels' Geisteszustand erheblich in Frage zu stellen ...
Aber der Juli wusste auch gute Nachrichten unters Volk zu streuen: Take That sind wieder fröhlich vereint. Heulboje Robbie Williams ist reumütig heimgekehrt. Aber kaum hatten wir diese Neuigkeit halbwegs verdaut, erreichten uns die nächsten grauenerregenden Bilder, diesmal von der Love Parade. Einundwanzig Menschen mussten sterben, weil unfähige Veranstalter mit skrupellosen Kommunalpolitikern und willfährigen Beamten gemeinsame Sache machten. Sicherheitsbedenken, die im vergangenen Jahr in Bochum zur Absage dieser Veranstaltung führten, wurden in den Wind geblasen. Schließlich ist der Pott derzeit die 'Kulturhauptstadt Europas' - das 'Ding' musste auf Biegen und Brechen durchgeführt werden. Mindestens ebenso erschütternd waren die Bilder vom vergangenen Sonntag von der offiziellen Pressekonferenz der Hauptverantwortlichen, die via Phoenix live der staunenden Öffentlichkeit präsentiert wurden. Sprachlosigkeit, einmal nicht angebracht, auf allen Seiten und eine Demonstration dessen, was passiert wenn Dummheit und Unfähigkeit Hand in Hand gehen. Es bleibt zu hoffen, dass diesmal wirklich lückenlos aufgeklärt wird, was wohl wieder mal ein frommer Wunsch bleiben dürfte. Alles, das lehrt die Erfahrung, wird eben nicht gut ...
Es bleibt zu hoffen, dass uns der August bessere Nachrichten beschert. RockTimes wird mit täglich frischem, musikalischen Stoff das seine dazu betragen.
Euer Steve
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