Bölkstoff in Berlin Pankow!
Rockbar Pankow Erster Rock'n'Roll-Stammtisch in der Berliner Rockbar Pankow.



Zwischenruf vom 24.01.2010


Holger Schade
Rockbar Pankow Die Rockbar Pankow hat am 19. Januar zum ersten Rock'n'Roll-Stammtisch inklusive Jam Session geladen. Das will ich mir genauer anschauen, denn in Berlin treffen sich zwar Liedermacher '… auf dem Boot' und '… in-the-round', Blueser bei 'Speiche' und Klezmermusiker zum Klezmerstammtisch im 'Oberwasser', aber für Rockmusiker war mir bislang noch kein regelmäßiger Treff aufgefallen, der über das Angebot einer Rockdiskothek hinausgeht.
Mühlenstraße 30 in Berlin-Pankow um 18 Uhr - ich stehe vor einem recht dunkel erscheinenden Laden mit Freitreppe; vom Brauereischild grüßt freundlich "Werner" mit einer Flasche Bölkstoff in der Hand (tatsächlich gibt es dieses Kultbier in der Rockbar; für die Ost-West-Quote sorgt Ampelmännchen-Bier, ansonsten Becks und Hasseröder). Im Inneren ist der erste Eindruck der eines Irish Pubs, der zweite Blick verlockt zum Stöbern: Die Wände sind mit Original-Tourplakaten wohl aller wichtigen großen Rockbands seit den 70er Jahren bedeckt, zudem hängen dort CD-Cover, signierte Fotos und sogar eine Goldene Schallplatte von
John Lennon.
So ist ganz klar, woran das Herz der Rockbar-Chefin, die Krümel genannt wird, hängt. Es gibt eine Reihe gemütlicher Sitzecken, die übliche Bar mit Drechselholz, einen Seitenraum mit Billard und Dart und - was das Wichtigste ist - eine kleine Bühne samt Ton- und Lichttechnik. Diese wirkt etwas improvisiert, bietet aber Platz genug für eine Standard-Bandbesetzung. Jetzt um 18 Uhr, wenn Rockmusiker noch beim Frühstück sitzen, ist die Bühne noch leer.
Die Getränkekarte ist übersichtlich, aber durchaus ausreichend gefüllt. Raffinierte Cocktails sucht man hier vergebens und auch auf Speisen wurde verzichtet. Dafür hat niemand was dagegen, wenn man sich eine mitgebrachte Stulle ins Gesicht steckt. Zutritt in die Rockbar ist erst ab 18 Jahren und Raucher dürfen drin bleiben.
Ich ploppe mir ein Bölkstoff-Fläschchen auf (1,80 EUR) und lasse mir von der äußerst ansehnlichen, aber eher Rockbar Pankow zarten Chefin, die hier unter den Rockern dennoch Respekt genießt, noch einen kleinen Hinterhof mit Biergartenausstattung und Grillecke zeigen, der jetzt allerdings winterfest eingefroren ist.
Einen Haustechniker (Matze) gibt es auch, der alle typischen Attribute des Ton- und Lichttechnikers an sich trägt: Cargohose, vollgestopfte Weste und Anhängsel am Gürtel, die eines Kerkermeisters würdig wären.
Kurz nach 19 Uhr rempeln schwer bepackte Gäste durch die Tür. Dass es Musiker sind, erkennt man am Gepäck in Case- und Bag-Form. Eines der Flightcases ist mit Freddys Dinner beschriftet, einer Rock/Punk/Metalband aus Berlin, die mit einem Gründungsdatum von 1994 bereits zu den Urgesteinen der hauptstädtischen Szene gehört. Es kommen dann insgesamt in etwa so viele Musiker, wie in eine große Ska- oder kleine Bigband passen und auch genau so viele 'sonstige' Gäste.
Es wird gequatscht, wer wen wo live gesehen hat und ab 20 Uhr werden die Instrumente und Amps von allerlei wechselnden Musikformationen durcheinander benutzt. Gesehen wurden dabei u.a. Musiker von Geheimkapelle Selber, Freddys Dinner, Dadrocks, Three Kings On The Hill, H-Minor, Expressivo und Hensley. Da es ein Wochentag ist, wird ab 22 Uhr nur noch unplugged gespielt, was offensichtlich für manchen der mitspielenden Musiker eine neue Erfahrung ist.
Der besondere Reiz liegt begründet in einem kleinen Manko des Clubs: Es gibt keinen echten Backstagebereich. Das heißt, die gerade nicht spielenden Musiker und ihre Freunde sitzen mit anderen Gästen, Rockliebhabern zusammen an der Bar und es ist absolut in Ordnung, wenn man sie anspricht. Umgekehrt bietet sich die Gelegenheit, Fans von jeweils anderen Bands direkt kennenzulernen und ihnen die eigenen Stücke darzubieten. Was man auch als 'Cross-Marketing in Win-Win-Situation' bezeichnen könnte. Wir nennen es mal lieber 'gelungener Abend'.
Die Gespräche drehen sich inzwischen um Proberaum-Mieten, MySpace-Hacks und Musikalisches. Musik kommt zwischendurch von Krümels Festplatte, wobei auffällt, dass diese nicht nur mit den berühmtesten Chart-Rockbands gefüllt ist, sondern auch mit den Stücken der zahlreichen, oft noch unbekannten Bands, die bereits in der Rockbar waren oder die durch Gäste und Mitarbeiter in die Sammlung geraten sind. So gibt es immer mal wieder etwas zu entdecken bzw. erhören; Musikwünsche können ebenfalls geäußert werden.
Rockbar Pankow Insgesamt ist der Charakter des Abends ungezwungen und kommunikativ. Als zwangloser Treff von Musikern und Musikliebhabern angelegt, erfüllt er seinen Zweck und lässt potentielle Möglichkeiten erahnen, die bei diesem ersten Termin zwar schon angesprochen wurden, jedoch noch nicht voll zum Tragen kamen. So ist denkbar, dass ambitionierte Band/Livefotografen ihre Arbeiten vorstellen (in Form von kleinen Ausstellungen oder Alben zum Stöbern) und so zu neuen 'Opfern' oder Auftraggebern kommen. Ambitionierte Labelinhaber oder Festivalmacher könnten sich neue Bands anschauen. Musiker könnten Neues ausprobieren und direkte Publikumsreaktionen und -meinungen dazu einholen. Oder zwei Gitarristen wollen mal um die Wette spielen …
In einem Monat, am 16. Februar, gibt es den nächsten Rock'n'Roll-Stammtisch (im gleichen Rhythmus dann auch wieder am 16. März usw.). Ich bin sicher, ich guck dann wieder, was es Neues gibt.
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