Zwanzig vergessene Hymnen des Southern Rock
Rebel Flag Sie haben sich tief in die Rockhistorie eingebrannt, die großen Hymnen des Southern Rock:
Green Grass And High Tides, Free Bird, Highway Song, Can't You See, Jessica, The Devil Went Down To Georgia, Lonesome Guitar, Dreams I'll Never See...
Hab ich etwa noch eine vergessen???

Die kürzliche Lektüre eines Rockbuches mit dem reichlich vermessenen Titel
Die 101 wichtigsten Platten der Welt lud geradezu zum Sinnieren über all die zu unrecht vergessenen Musiker des Genres und ihre vom Nirwana des Rock verschluckten Hymnen ein. Hier sind nun zwanzig Rebelflag-ummantelte, musikalische 'Untote' des Genres!





Zwischenruf vom 19.03.2013


Steve Braun
Die meisten Southern-Rocker, die ich hier vorzustellen gedenke, haben kaum mehr als ein Album auf die Rille gebracht. Dieser Umstand ist keinesfalls der Qualität geschuldet, sondern vielmehr darauf zurückzuführen, dass Ende der Neunziger/Anfang des neuen Jahrhunderts die Vermarktung in Eigenregie via Internet noch in den Kinderschuhen steckte. So manche große Karriere ist deshalb in Depressionen und Selbstzweifeln versandet. Viele der hier Vorgestellten 'krebsen' bis heute durch den Südosten der Staaten - ganz bitter wird es, wenn man als Bühnenstaffage für Skynyrd herhalten muss, um finanziell über die Runden zu kommen. Traurig!!
Die Auswahl der Songs gestaltete sich verdammt schwierig: Zuerst sollten es zehn Songs sein. Völlig unrealistisch - viel zu wenig! Mehr als vierzig schafften es in die persönliche Endrunde - viel zu viel! Schweren Herzens musste also diese Liste auf die zwanzig Highlights zusammengestrichen werden. Auf Platzierungen wurde bewusst verzichtet, allerdings - um einer gewissen Dramaturgie gerecht zu werden - steigert sich diese Liste nach dem persönlichen Gusto des Schreiberlings. Je weiter unten, desto besser? Im Prinzip ja, aber ein augenzwinkernder Hinweis auf die sehr subjektive Sicht muss hier angemerkt werden!
Allen CollinsAllen Collins "Chapter One"
Qualitativ ist diese Nummer vielleicht nicht der 'Burner'. Trotzdem taucht er hier auf, weil die Geschichte des Allen Larkin Collins Jr. - des besten Gitarristen, den Skynyrd je hatte - so wahnsinnig traurig ist. Als schwerstverletzter Überlebender des 1977er Flugzeugabsturzes war er gerade mehr schlecht als Recht wieder auf die Beine gekommen, als er während der ersten Tour mit der Rossington Collins Band seine über alles geliebte Frau Kathy verlor. Ein Schicksalsschlag, den der 'Dürre' niemals verkraftet hatte und den er zunehmend im Alkohol zu ertränken suchte. Volltrunken raste er mit seinem Sportwagen 1986 in einen Horror-Crash. Seine Freundin starb und er blieb bis zu seinem Tod querschnittgelähmt. Still und leise blies ihm vier Jahre später eine simple Lungenentzündung das Lebenslicht aus - viel Gegenwehr wird er wohl nicht mehr geleistet haben. Einer der ganz tragischen Lebensläufe des Southern Rock...
Dazwischen - 1983 - nahm Collins gemeinsam mit seinen Skynyrd-Buddies Billy Powell und Leon Wilkeson das Album "Here There And Back" auf. Die Scheibe floppte gnadenlos - und sicherlich zu Recht. Aber zwei, drei gute Ansätze waren zu verzeichnen - "Chapter One" ist einer davon. Jimmy Dougherty zeigt als Sänger und Co-Autor eine wirklich ansprechende Leistung, vor allem mit einem griffigen Refrain. Das für das Genre typische 'Stop-and-go-Riff' macht einen ganze Menge Druck - Collins' fast einminütiges Solo hat Seele und Biss. Keine ganz große, aber eine wunderschöne Nummer!
Road DawgsRoad Dawgs "Softail"
Zum brünftigen Sound einer Softail-Harley gips hier derart was auf den Deckel, dass die Zündkerzen unter der Schädelhaube schnackeln. Der Song basiert auf einem Monster-Riff, das durch herrlich versoffene Vocals, reichliche Twin-Läufe und die obligatorische Gitarrenschlacht garniert wird. Produziert haben übrigens Hughie Thomasson und Ean Evens (ruhet beide in Frieden) - ein Umstand, der für Qualität spricht. Trotzdem hat man von dem Vierer aus West Virginia nie wieder einen Ton gehört. Wohl dem, der sich rechtzeitig "Fire On The Highway" gesichert hat, denn auch wenn die restlichen Titel nicht an "Softail" heranreichen, so sind sie doch allesamt weit über dem Durchschnitt. Die Road Dawgs düsten mit diesem trefflich "Fire On The Highway" betitelten Album aufrecht in die untergehende Sonne und waren nie mehr gesehen...
RegulatorsRegulators "Above The Law"
"Burn Them Bridges Down" oder "Lies" hieß die schwierige Frage bei diesem Album. Und weil eine Entscheidung da kaum möglich war, musste halt "Above The Law" dran glauben. Mit einer Front von gleich vier Gitarristen legten die Mannen um die beiden Shouter Ronnie Farrell und Gary Jeffries ein gewaltiges Brett vor. Gary Jeffries? Richtig, den kennen wir doch! Vor zwei Jahren hat die coole Socke eine redaktionell hochgelobte Scheibe abgeliefert und auch den Regulators drückte er seine markante Stimme auf. "Above The Law" zeigt, wie wenig es für eine gelungene 'Hymne' braucht: Ein simpel rumpelndes Schlagzeug, eine Gitarren-Armada, ein klimperndes Honkytonk-Piano, einen exzellenten Shouter mit dem instinktiven Gefühl für die besondere Hook. Auch ein derart einfach gestricktes Stück kann eine unglaubliche Magie entwickeln, wenn Musiker beteiligt sind, die über das 'Shining' verfügen. Es gibt Leute, die den Erstling der Regulators vorziehen - ich bevorzuge dagegen "Bar & Grill", weil es statt im AOR viel stärker im Southern Rock verwurzelt ist.
Greg Billings BandGreg Billings Band "Okeechobee Whiskey"
Kleine Scherzfrage: Was für ein Geräusch entfährt einem einsamen Angler, wenn er in Floridas Swamps von einem Alligator in den Allerwertesten gebissen wird? »Okeechobee!!!!«
In der Version der Greg Billings Band klingt das allerdings wie ein Lustschrei, denn "Okeechobee Whiskey" ist die pure Partydroge!! Knapp fünf Minuten dampft und brodelt dieser lupenreine Swamp-Rocker wie ein Geysir kurz vor dem Ausbruch. Statt einem Gitarren-Battle messen sich hier Billings' Harp und George Harris' schwelende Axt. Was für einen Spaß die Band vor und auf der Bühne mit diesem Live-Kracher verbreitet, kann man besonders schön auf der DVD "No Sauce Needed!" bewundern. Greg Billings ist übrigens ein ganz enger Buddy eines anderen Wahnsinnigen, Brian Johnson, mit dem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit um Floridas Häuser zu ziehen pflegt... und wie dieser ist Greg ein ganz feiner Kerl, wie ich in einem längeren Mailwechsel bezüglich eines Reviews zur DVD feststellen durfte.
Shy BlakemanShy Blakeman "The Unsung"
Wenn Shy Blakeman jetzt nicht in unserem Index zu finden gewesen wäre, hätte mich das schwerst enttäuscht. Warum der Rezensent allerdings ausgerechnet meinen persönlichen Favoriten des Albums, "The Unsung", abwatscht, kann ich kaum nachvollziehen. Der Verfasser bemängelt vor allem den monotonen Gesang und übersieht dabei vielleicht, dass es sich hier um einen sehr traurigen Titel handelt, der den Opfern des verheerenden Hurricane Kathrina gewidmet ist. Einem Trauermarsch gleich marschieren Shy Blakeman und seine Whiskey Fever Band zu von einem Dudelsack (evtl. auch Synthesizer?) geprägten Klängen in Moll. Ich persönlich finde die Interpretation des Textes in dieser schwerblütigen Form nicht nur absolut angemessen sondern geradezu mitreißend und genau deshalb ziehe ich "The Unsung" dem herrlichen, von Fiddle und Mandoline dominierten Country-Rocker "Shine" vor.
Carol ChaseCarol Chase "Tough Enough"
Arme Carol Chase! Was für eine Stimme ist da zu einem Schattendasein als 'Stehrummchen' in der linken hinteren Bühnenecke Lynyrd Skynyrds verurteilt. Wenn man andersrum gehässig argumentieren wollte, könnte man auch sticheln, dass die Dame wohl die stets gut gefüllten skynyrd'schen 'Fleischtöpfe' der 'Erbsensuppe', die in Clubs reichlich sauer verdient werden muss, vorzieht. Aber wer - bitte schön - ist hier schon gehässig...
Auf dem Blue Highway, dem bislang einzigen Soloalbum der Südstaaten-Chanteuse, wird mit "Tough Enough" - um mal im Bild zu bleiben - ein echtes Gourmethäppchen präsentiert. Knietief ist dieser Southern-Rocker im Blues Rock verwurzelt und beweist zudem eindrucksvoll, dass Carol Chase auch eine exzellente Songschreiberin ist. Der Gesang bedient sich satt an den Stilmitteln des Soul und verschmilzt mit den glutvoll agierenden Mitstreitern zu einer Mördernummer. Carol Chase muss leider die einzige Dame in dieser Liste bleiben, was schonungslos aufzeigt, wie männlich dominiert diese Domäne immer noch ist. Sie könnte dies ändern, wenn sie endlich mal ins kalte Wasser springen würde!
Judge ParkerJudge Parker "Sweet Delta Water"
Einen zuckersüßen Ohrwurm legten Judge Parker mit "Sweet Delta Water"auf ihrem 1998er Debütalbum vor. Kriegst du nicht mehr aus dem Ohr, wenn du einmal angefixt bist!! Eine herzzerreißend wimmernde Fiddle, zittrige Mandolinen, dazu ein schmelziger Satzgesang - eigentlich allesamt für Southern Rock eher unübliche Zutaten. Diese zauberhafte Hookline im Refrain entwickelt sich zu einem echten Frauenversteher. Damit bekommst du garantiert jede Southern-Braut vom Chopper!
Der Vierer aus Arkansas ist übrigens alles andere als das berühmte Huhn mit dem Korn... Reihenweise liefer(te)n sie tolle Songs ab, nur bis über den Atlantik hat sich das leider nie herumgesprochen. Ihr aktuelles Album "Along For The Ride" war zwar erstmals auch in Deutschland erhältlich - für den berühmten Fuß in der Tür hat es aber wieder nicht gereicht. Das Leben ist eben manchmal hart, aber dafür fast immer ungerecht!!!
Rebel StormRebel Storm "True Tales Of The Black Forrest"
Über mangelnden Zuspruch in unseren Breiten konnten sich Rebel Storm dagegen nie beklagen. Man kann sogar sagen, dass die Band hierzulande ihre größten Erfolge feiern konnte. Der Fünfer stammt aus Tacoma/Washington und ist damit diametral zur eigentlichen Heimat des Southern Rock, dem Südosten der US, angesiedelt. Eine wichtige These wird hier eindrucksvoll bewiesen: Southern Rock ist keine geographische Angelegenheit sondern ein Lebensgefühl!! Kein anderes 'neuzeitliches' Genrekind hat sich ähnlich stark an den Allman Brothers angelehnt - und das richtig gut. "True Tales Of The Black Forrest" wurde angeblich im Rahmen einer Deutschlandtour im Schwarzwald komponiert. Sie steht eindeutig in der Tradition von "Jessica" und der ollen "Lizzy", ohne billig abzukupfern. Bandleader Billy Moss duelliert sich hier gitarristisch mit seinem Sohn Troy, virtuos und federleicht gleichermaßen. Der Co-Leader Don Swensen liefert derart knurrige Barry Oakley-Gedächtnis-Bassfiguren dazu, dass einem schwindelig zu werden scheint, während Joe Turnbull mit seiner flirrenden B3 den Laden zusammenhält, bevor alles abhebt. Was hätte aus Rebel Storm für eine Erfolgsstory werden können, wenn sich die beiden Streithansel Billy Moss und Don Swensen nicht ständig wegen Nichtigkeiten gefetzt hätten. Derzeit sind sie offenbar mit zwei verschiedenen Rebel Storm-Formationen unterwegs und lassen wohl keine Gelegenheit aus, dem anderen in die Suppe zu spucken. Auch das ist Southern Rock...
Jimmie Van ZantJimmie Van Zant "Ronnie's Song"
Seit Jahrzehnten versucht die Southern-Szene einen Longtrack zu kreieren, der es an Größe und Bedeutung mit "Free Bird" aufnehmen könnte. Zumeist ging das kläglich in die berüchtigte Hose. Ausgerechnet Ronnie Van Zants Cousin, Jimmie, gelang das Kunststück. "Ronnie's Song" ist strukturell ganz ähnlich aufgebaut: Eine stille Ballade steigert sich sukzessive in einen monumentalen, sehr heavy ausgelegten Gitarrenrocker. Ein Song, der abwechselt unter und, in Form von Gänsehautschauern, über die Haut geht - ein Song, der zu Tränen rühren kann. Die Van Zant-Familie war übrigens 'not amused'. Man warf Jimmie vor, sich mit dem Tod seines Cousins eine 'goldene Nase' verdienen zu wollen. Ziemlich absurd, denn Erfolg hatte er trotz des Klassealbums "Southern Comfort" nie - mehr schlecht als recht schlägt sich Jimmy bis heute durch.
Ein kleines persönliches Off-Topic am Rande: Jimmie Van Zant wäre - da sind sich viele Fans einig - der einzige gewesen, der Ronnie bei Skynyrd adäquat ersetzen hätte. Seine Stimme war und ist deutlich näher bei Ronnies Organ - aber er war halt nur der Cousin. Auch das macht ihn zu einem tragischen Helden der Southern Rock-Familie...
J.J. MugglerJ.J. Muggler Band "Walk On"
"Walk On" ist der wohl - rein monetär betrachtet - teuersten Scheibe meines Southern Rock-Sammelsuriums entliehen. Kübelweise schüttet unser Daniel bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen scharfzüngigen Spott über J.B. Elston aus. Zumeist liegt ja dieser nicht zu Unrecht 'Dangerous' genannte Kollege richtig - hier irrt er gnadenlos, weil er die Band auf die Stimme des Sängers reduziert und weder dessen exzellentes Slide-Spiel noch die traumwandlerisch stilsicher agierende Truppe hinter diesem würdigt. Dass J.J. Muggler eine der besten 'neuzeitlichen' Southern Rock-Bands ist, beweisen sie mit "Walk On" eindrucksvoll. Die lässig-lockere Stimmung bleibt dem Song erhalten, auch wenn dieser sich von einem gezupften Intro kontinuierlich in einen formidablen Rocker steigert. Elston beweist hier, dass er keinesfalls nur 'Versoffen' drauf hat und glänzt obendrein mit seiner omnipräsenten Slide. Obwohl die Truppe aus Lousianas Sümpfen stammt und dies auch zumeist deutlich wahrnehmbar ist, wird hier eher mit der flirrenden Leichtigkeit der ABB agiert. Besonders schön wird dies, wenn sich in dem (zu kurzen) jammigen Solopart die Gitarristen J.B. Elston und 'Jumpin' Johnny' Trosclair im Verbund mit dem Hammondspieler Jan Cocciara duellieren.
Mit Hard Luck Town lieferten J.J. Muggler vor drei Jahren ein bemerkenswertes Lebenszeichen - in saustarker Besetzung übrigens - ab. Diese Band beweist immer noch: the South rules the music world!!
RettigRettig "Outspoken Man"
Pat Rettig mag hierzulande VÖLLIG unbekannt sein, in der quirligen Musikszene von Los Angeles geniest er höchstes Ansehen. Mit dem mir einzig bekannten "White Album" lieferte er ein prall gefülltes Paket unterschiedlichster Stilrichtungen ab. Von Soul über Singer/Songwriter bis hin zu einer ordentlichen Portion Blues Rock war alles vertreten - siebzehn richtig gute Rocksongs. Auch zwei lupenreine Southern-Rocker waren dort vertreten - beide so unglaublich gut, dass der Multiinstrumentalist erst jetzt in dieser Liste auftaucht. Die beiden Titel sind derart 'outstanding', dass die Wahl richtig schwer fiel. "Outspoken Man" zu hören ist so ähnlich wie in einer schwül-heißen Nacht in Mississippi, an einem der zahllosen Bayous sitzend und von Mücken zerstochen Alligatoren zu zählen! Still 'switcht' man in den Song - ebenso still wird man hinausbegleitet. Dazwischen liegen alle Sünden einer tropischen Nacht. Rundherum ein perfekter Song, der durch die exquisiten Harmony Vocals von Töchterchen Brianna noch zusätzlich aufgewertet wird. Eine Schande, dass wir "Outspoken Man" hier nicht 'ohr-al' präsentieren können, denn im Web ist kein einziger Soundschnipsel davon zu hören. Auch auf Rettigs Website (s. u.) wird man nicht fündig. Die dort präsentierten aktuellen Songs reichen aber allesamt nicht an die des "White Album" heran!
Screamin' Cheetah WheeliesScreamin' Cheetah Wheelies "Father Speaks"
Am Beispiel der Wheelies könnte man exemplarisch den Kannibalismus im Musikbusiness verdeutlichen. Kaum eine Band ist derart von inkompetenten Labels verheizt worden. Entnervt warf die überaus talentierte Truppe 2006 - im verflixten dreizehnten Jahr ihres Bestehens - frustriert das Handtuch. Allerdings muss man auch anmerken, dass die Wheelies kein einziges Album hervorgebracht haben, das restlos überzeugen konnte. Ein, zwei schwächere Titel waren immer darunter. Das gilt auch für ihren wohl besten Output, dem 1999er "Magnolia". Hier sind einige Songs zu finden, die so groß wie das Leben sind und "Father Speaks" ist der größte unter ihnen!! Der siebenminütige Longtrack ist - wie man unschwer schlussfolgern kann - an des Sängers Vater adressiert. Ein zutiefst aufwühlendes und verstörendes Epos. Die Abgründe, die sich da offenbar bei Mike Farris auftun, werden in einem überaus dramatischen Arrangement bildhaft dargestellt. "Father Speaks" lässt den Hörer atem- und sprachlos zurück und zwingt zum manischen Betätigen der Repeat-Taste. Was für eine großartige Band ist hier von der ignoranten Öffentlichkeit 'ausgekotzt' worden...
18801880 "Gold"
Im Fall von 1880 gilt: Blindes Huhn findet auch mal... einen Nugget. Die Kalifornier glänzten auf ihren beiden Alben, die Anfang des neuen Jahrtausends erschienen waren, hauptsächlich mit rüpelhaften Rotzern. Filigrane Finessen wurden zumeist bereits im Ansatz gnadenlos niedergeknüppelt. Ein einziger von 21 der Nachwelt hinterlassenen Songs blieb bei mir hängen - und wie! "Gold" hätte alle Zutaten zu einer Hymne, die in einem Atemzug mit den in der Einleitung Aufgezählten genannt werden müsste - aber diese Klassenummer verrottet ausschließlich in den Regalen der beinharten Southern Rock-Fraktion. Eine zauberhaft gezupfte Einleitung, auf die zwei brettharte Leads einsteigen, die Strophe steigert sich stetig und stimmig über einer glutvollen Gitarrenbasis in einen Refrain mit toller Hook. Ein Finale furioso, das an die genialsten Großtaten der Outlaws nahtlos anzuknüpfen scheint, beschließt "Gold" geradezu ekstatisch. Trotz der fast sechs Minuten wirkt der Song unglaublich kompakt und eingängig. Danke für diesen Nugget, ihr blinden Hühner!
NDNNDN "Warrior's Pride"
NDN ist die Kurzform von 'Indian' und in der Tat: Eine überaus geschätzte 'Rothaut' steckt hinter dem Projekt, Greg 'Two Wolfs' Walker (Blackfoot) hier mit seinem Blutsbruder Richard P. Luciano. 1999 legten sie dieses Glanzstück des mit neuem Selbstbewusstsein getränkten Native American Rock vor. In dem Titelstück "Warrior's Pride" liegen alle Qualen, die die geschundenen und geschändeten amerikanischen Ureinwohner in den letzten Jahrhunderten erdulden mussten. Dass 'Two Wolfs' nicht der stärkste Sänger ist, können wir hier getrost ausblenden - es schmälert die Größe dieser Heldentat in keiner Weise. Stilistisch ist "Warrior's Pride" ein 'klassischer' Southern Rock-Longtrack: Eine langsame Ballade steigert sich in die obligatorische Gitarrenschlacht zum Ausklang - so weit, so bekannt. Hier ist es der Text der zusätzliche Gänsehautschauer über den Rücken jagt... in nur fünf Minuten wird alles ausgedrückt, wofür "Der mit dem Wolf tanzt" nahezu drei Stunden gebraucht hat. HOKA HEY!!!
Sol DogSol Dog "Anyway"
Und weiter steigert sich Qualität und Intensität der vorgestellten Songs. Hier jetzt ein 'besser' oder 'schlechter' zu konstatieren wäre grob fahrlässig. Zwei überaus starke Alben hat Sol Dog der Nachwelt hinterlassen, wobei Whatever Gets You There qualitativ schon den Vogel abschießt. Die schemenhaft angedeutete historische Dampflok auf dem Cover verspricht nicht zu viel: Nicht nur bei "Anyway" war gewaltig Druck im Kessel, aber nie derart explosiv wie in diesem absoluten Highlight der Scheibe. Hier brodelt und dampft es von der ersten Minute an: funky Gitarren, wummernde Bässe und scheppernde Drums - eine brandheiße Kiste. Ron Rifkin, der hier The Reverend vom Mikro verdrängt hatte, darf sich hemmungslos auf seiner B3 austoben, was er denn auch ausgiebig tut. Gegen Ende malträtiert der Reverend derart gnadenlos sein Wah Wah-Pedal, dass es nach der Aufnahmesession sicherlich nur noch Schrottwert besaß. "Anyway" ist sicherlich im Southern Rock verortet, bekommt seine Würze allerdings von seinem eindeutig 'jammigen' Charakter, der das an sich simple Thema in gigantische Dimensionen aufbläst. Schlicht und ergreifend ausgedrückt: sensationell!!!
LaidlawLaidlaw "Burnin'"
Eigentlich empfiehlt es sich in meinem Alter, ein gepacktes Notfallköfferchen bereit zu halten. Man weiß ja nie, was das Leben noch so für einen an Überraschungen bereit hält. Laidlaws "First Big Picnic" wäre garantiert darin, denn das Scheibchen ersetzt jede Herz-Lungen-Maschine auf völlig komplikationsfreie Weise. Das Cover hat bei oberflächigem Studium sicher so manchem potenziellen Käufer die Brieftasche bleischwer werden lassen. Dabei braucht man die CD nur umzudrehen und man sieht auf dem Back Cover sieben sehr haarige Gestalten und weiß sofort: des basst scho!!
»No fillers - only killers« selten war dieser Spruch trefflicher angebracht, macht allerdings die Auswahl des ultimativen Highlights schwierig. Auch wenn die Interpretation des Klassikers Rock & Roll Hoochie Koo sensationell rattenscharf ist, eine Eigenkomposition sollte es in dem Fall schon sein. Und weil wir noch keine klassische Powerballade hatten, picken wir mal aus dem Reigen der neun Eigengewächsen "Burnin'" heraus. Nomen est omen! Wer nach den knapp fünf Minuten nicht brennt, hat ein Herz aus Asbest. Die Double Leads perlen von vorne bis hinten - da hilft nur, die Luftgitarre auspacken und sich vorstellen, die zweite Stimme neben Craig DeFalco spielen zu dürfen! Vom einstimmigen Intro bis zum zweistimmigen Outro - hier passt alles: Strophen, Refrains und die Bridge verfügen allesamt über packend eingängige Melodieführungen.
Dass Laidlaw nie wieder an diese kompakte Genialität anschließen konnte, liegt - wie so oft im Southern Rock - an den ständigen Personalquerelen. Der einzige Bannerträger bis heute, Craig DeFalco, hatte nie wieder so bärenstarkes Personal wie den Slide-Gitarristen Buzzy James und den überragenden Sänger Tommy Roberts an seiner Seite. Und genau deshalb blieb der Band eine weitere waschechte Hymne wie "Burnin'" verwehrt.
CatawompusCatawompus "Mean Woman Blues"
Die letzten drei Sätze können im Fall von "It's Spelled C.A.T.A.W.O.M.P.U.S." eins zu eins übernommen werden. Völlig egal was diese Abkürzungen bedeuten mag - nie wieder konnte der Vierer aus Nashville aufgrund besagter Besetzungswechsel an dieses formidable Album anschließen. Und drei richtig gute Alben wurden auf den virtuellen Krabbeltischen verramscht. Das war vor allem deswegen so schade, weil es die Mannen um Bandleader Douglas Gerry (er starb im vergangenen Jahr bei einem Autounfall) wie keine zweiten verstanden, richtig griffige Southern-Rocker mit Hitparaden- und Suchtpotenzial zu schreiben. "Mean Woman Blues" ist so ein Exemplar: Genretypisch schwerblütig pulsierend, Riffs mit einem unglaublichen Zug nach vorne, ein Klassesänger mit dem Gespür für die Hook und wenn dann noch derart gute Backgroundsängerinnen mitwirken, explodiert jeder Refrain. Das Cover verspricht nicht zu viel: Nicht nur beim "Mean Woman Blues" gips voll auf die Zwölf und nicht zu knapp! Ein unglaublich geiler Song... und auch der Rest des Albums überzeugt gnadenlos.
NatchezNatchez "Faudrait Que Je t'Appelle"
Ihr werdet es kaum glauben, aber eine französische (!!) Southern Rock-Band schießt hier einen der Geier ab!! Vergesst den ganzen Scheiß', den die alten Schlachtrösser im Skynyrd-Fahrwasser in den letzten fünfzehn Jahren fabriziert haben - Faudrait Que Je t'Appelle steckt (fast) alles in den Sack, was da seit 1977 aus dem Heartland des Southern Rock über den Atlantik geschwappt ist!! Gut, der Fairness halber muss ich einschränkend anmerken, dass Natchez davor und danach nie wieder eine derartige Mördernummer gelungen ist - das schmälert dieses Schätzchen allerdings in keiner Weise. Hier köchelt nix auf Sparflamme - hier gips kein Schicki-Micki-Gedöns sondern feurig-heißen Speck mit Bohnen auf den Teller. Dieses glühend-heiße Riff bekommt keiner mehr aus dem Ohr - der röhrende Gesang stopft alte Socken! Die Exotik der französischen Sprache tut ein Übriges hinzu. Was das Brüderpaar Thierry und Emmanuelle Aeschbach hier geschaffen haben, ist für die Southern Rock-Ewigkeit...
Einen Steinwurf von der französischen Grenze zu leben, hat im Fall Natchez was Gutes: Die Jungs aus der Champagne spielen des Öfteren im Elsass und in Lothringen. Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte unbedingt mit diesen vier supernetten Burschen ein Bierchen nach der Show zischen!
New Soul CowboysNew Soul Cowboys "Painted Horse"
Das vorgenannte Brett ist natürlich extrem schwer zu toppen, aber "Painted Horse" kann zumindest auf gleicher Höhe vorfahren. Okay, dem Kollegen Kempfenstein ging seinerzeit das an den Refrain anschließende »Bang, bang, bang« ziemlich auf den Zeiger. Es mag dem genreunkundigen Dampfhammerspezialisten nachgesehen sein: »Bang bang bang giddy-up bang bang« ist natürlich das Geräusch, mit dem der Southern Rock die Riffs ins Hirn der Fangemeinde meißelt!! Das brutal geknüppelte Riff lüftet auch gleich die Hirnschale des Hörers. Die gezupfte Banjo-Figur dazu ist ein schlichtweg genialer, niemals zuvor gehörter Kontrast. Ein großartiger Chorus, eine stimmungsvolle Bridge und wütende Gitarrensoli - hier stimmt einfach alles. "Painted Horse" ist nicht die berühmte bunte Kuh sondern ein von neu-beseelten Cowboys zugerittener rassiger Araberhengst in metallic-blau. Zu schade, dass nach diesem ersten Album bereits der wilde Ritt der New Soul Cowboys beendet war.
TishamingoTishamingo "Get On Back"
Wer jetzt ganz unten stehen 'darf', ist nun wirklich Jacke wie Hose. Auch die fünf zuletzt Genannten hätten es verdient! Ich hab mal den Song ausgewählt, der einen müden Schreiberling wieder anturnt.
Wenn mich diese ganze graue musikalische Ursuppe mal wieder so richtig anödet, dann schmeiße ich "Get On Back" an. Wie eine Furie rast das Killer-Riff, das im Folgenden den Refrain untermalen wird, in Tishamingos Paradenummer hinein. "Get On Back" lebt von der enormen Hochspannung zwischen diesem Wahnsinns-Chorus und der eher spartanisch mit einem knurrigen Wurlitzer untermalten Strophe. Danach die Bridge und zwei völlig unterschiedliche Gitarrensoli besänftigen die Situation geringfügig, bevor der Song in ein geradezu orgiastisches Finale einbiegt. Das ist die berüchtigte 'loaded gun' in den Händen jedes Freundes des Südstaatenrock!! Und was machen Tishamingo nach dieser Steilvorlage?? Ihr bis dato bestes Album und verabschieden sich sang- und klanglos. Da haben wir ihn mal wieder, diesen vermaledeiten Südstaaten-Schlendrian - etwas mehr von diesen ungeliebten deutschen Sekundärtugenden und so manche hoffnungsvolle Kapelle wäre zum Superstar geworden. Mit "The Point" hatte Tishamingo einen Matchpoint... und hat ihn leichtfertig vergeben. Wie man's besser macht, zeigt derzeit unsere heiß geliebte Nachtschwalbe!!
Ich hoffe sehr, dass die Lektüre des Artikels kurzweilig-unterhaltend war. Liebesbriefe und Hass-Mails, Einladungen zum Essen und Weinpräsente, Geldspenden und Autogrammwünsche dürfen gerne hier hinterlegt werden ;-)
Tracklist
20:Allen Collins "Chapter One" ("Here There And Back", 1983)
19:Road Dawgs "Softail" ("Fire On The Highway", 2003)
18:Regulators "Above The Law" ("Bar & Grill", 1998)
17:Greg Billings Band "Okeechobee Whiskey" ("Do Overs", 2008)
16:Shy Blakeman & Whiskey Fever Band "The Unsung" ("Southern Roots Revival", 2005)

15:Carol Chase "Tough Enough" ("Blue Highway", 2004)
14:Judge Parker "Sweet Delta Water" ("Same", 1998)
13:Rebel Storm "True Tales Of The Black Forrest" ("The Hard Way", 2003)
12:Jimmie Van Zant "Ronnie's Song" ("Southern Comfort", 2000)
11:J.J. Muggler Band "Walk On" ("Same", 1994)

10:Rettig "Outspoken Man" ("White Album", 2007)
09:Screamin' Cheetah Wheelies "Father Speaks" ("Magnolia", 1999)
08:1880 "Gold" ("Same", 2002)
07:NDN "Warrior's Pride" ("Warrior's Pride", 1999)
06:Sol Dog "Anyway" ("Whatever Gets You There", 2005)

05:Laidlaw "Burnin'" ("First Big Picnic", 1999)
04:Catawompus "Mean Woman Blues" ("It's Spelled...", 2005)
03:Natchez "Faudrait Que Je t'Appelle" ("Retour A La Source", 2006)
02:New Soul Cowboys "Painted Horse" ("Same", 2009)
01:Tishamingo "Get On Back" ("The Point", 2007)
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