Abmahnabzocke
 Abmahnungen
was bisher die Musikwelt vor allem im Zusammenhang mit illegalem Filesharing berührte, tritt nun in neuer Dimension auf.




Zwischenruf vom 17.08.2013


Sabine Feickert
»Wer schreibt, der bleibt!« so sagt ein Sprichwort. Und jetzt hoffe ich inständig, dass es sich tatsächlich um ein solches handelt und nicht eines Tages in einigen Jahren irgendein Urheber selbigens sich per Abmahnanwalt bei mir meldet und eine vier- oder gar fünfstellige Nutzungsgebühr von mir verlangt. Oder möglicherweise ein Unternehmen in der Zwischenzeit ein Markenrecht auf diesen Begriff angemeldet hat.
Übertrieben? Vielleicht... ein wenig. Aber lest selbst!
Februar 2012: 3Sat berichtet darüber, dass die SZ und die FAZ den Bariton Peter Schöne wegen Urheberrechtsverletzungen verklagen und Schadenersatz fordern. Schöne hatte Artikel der Zeitungen ungefragt und kommentarlos als Pressemappe auf seine Website gestellt. Der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Jan Bernd Nordemann, erläutert bei 3Sat dazu: »Man darf aus Zeitungsartikeln durchaus zitieren. Man muss allerdings ein solches Zitat verwenden, um seine eigene Auffassung zu belegen.« Oper, Bariton (sogar ziemlich erfolgreich), nicht gefragt und die Forderungen der Zeitungen (350.- € wollte die SZ, 1800.- € die FAZ, gezahlt hat Schöne letztlich 1400€) waren nicht unbedingt ein Schnäppchen, es lässt sich aber mit sehr viel gutem Willen noch eine gewisse Verhältnismäßigkeit mit der Lupe finden.
Juli 2013: Liedermacherin Scarlett O' und ihr Kollege Michael Zachcial erhalten Abmahnungen einer Bremer Anwaltskanzlei, die einen Musikjournalisten vertritt. Dieser hatte 2008 für eine Kreiszeitung einen Konzertbericht über die betreffenden Künstler verfasst, jene hatten diesen Bericht auf ihren Websites im Pressespiegel unter Nennung des Autors sowie der Zeitung veröffentlicht. Die Nutzungsgebühr für ungenehmigte Textnutzung soll pro Jahr 1.900,- € betragen. Als Vergleich wird eine sofortige Zahlung von 600,- € an den Journalisten angeboten, weiterhin 869,- € für die Kanzlei. Bei erneuter Textverwendung würden 5.100,- € Vertragsstrafe fällig – so erläutert Scarlett O' auf ihrer Homepage.
Kollegen, packt die Inselplatten ein, unsere Renten sind gesichert!
Ironie beiseite, Verständnis für alle Kollegen, die von ihrer Schreibe leben müssen raus – und trotzdem, DIE Nummer ist echt – nee, ich schreibs jetzt besser nicht, sonst hab ich womöglich noch 'ne Beleidigungsklage an der Backe. Dass die Honorare der Tageszeitungen in der Regel nicht gerade üppig bemessen sind, hat sich wahrscheinlich schon rumgesprochen. Sich dann aber ein zigfaches bei kleinen Künstlern, die üblicherweise auch nicht im Geld schwimmen, auf DIE Tour holen zu wollen... da bleibt mir glatt die Spucke weg. »Copyright-Trolls« nennt 3Sat die Anwälte, die sich darauf spezialisiert haben, Urheberrechtsverstöße im Web zu suchen und mit automatisierten Schreiben dafür dann abzukassieren – und zwar im großen Stil. [Meine eigene Auffassung, lege ich hier jetzt lieber nicht in aller Ausführlichkeit dar, 3Sat drückt das echt nett aus, weil – siehe oben.] Und das alles womöglich mit Rückendeckung durch Gerichte...
Juli 2013: Das Börsenblatt berichtet, dass das Landgericht München im Rechtsstreit zwischen buch.de und der FAZ, sich wohl sehr wahrscheinlich der Ansicht der FAZ in großen Teilen anschließen wird und die Verwendung von Rezensionsausschnitten im Rahmen der Online-Buchwerbung Lizenzgebühren kosten darf.
Okay, für mein Bauchgefühl gibt es noch einen Unterschied, ob ein großer Händler solche Zitate (einer großen Zeitung) in seinen Artikelpräsentationen verwendet oder ein Künstler sie in seiner Pressemappe zeigt. Ob die Richter das allerdings ebenso empfinden???
Juristen hin Abzocker her, wir RockTimer sehen es so:
Ausschnitte aus unseren Rezensionen auf Künstlerwebsites (oder auch Flyern/Promozetteln) mit Namensnennung und ggf. Link finden wir okay (Adieu schöne Insel, samt -platten...). Im Zweifelsfall ganz einfach kurz anfragen. Ach übrigens – nur mal so als Anregung – gelegentlich findet sich ja auch ein Fan, der ein Review ins Englische (oder andere Fremdsprachen) übersetzt – es spricht nichts, aber auch gar nichts dagegen, diese Übersetzung dann beispielsweise auf unserer Facebookseite als Kommentar unter den Link zum Review zu setzen.
Nicht die feine Art finden wir jedoch, wenn komplette Reviews als Forenbeiträge oder ähnliches unter fremden Federn auftauchen.
Und doch – wie jede Medaille, hat auch diese hier zwei Seiten.
Juni 2013: Das Rhein-Neckar-Blog erklärt, warum es nicht über das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen berichtet. 30.- € Akkreditierungsgebühr sollen pro Journalist entrichtet werden. Redaktionsleiter Hardy Prothmann rechnet in seinem Artikel detailliert vor, warum sich das für Journalisten nicht rechnen kann und letzten Endes die Pressefreiheit einschränkt.
Glücklicherweise sind das Ausnahmen, doch gelegentlich werden auch wir mit solchen 'Begehrlichkeiten' konfrontiert. Dazu sei nur kurz angemerkt, dass es ein himmelweiter Unterschied ist, ob ein Konzert, ein Buch, ja sogar eine CD oder DVD zum 'Privatvergnügen' oder zum Rezensieren 'konsumiert' wird. Ach ja, wenn wir schon dabei sind – nein, wir wollen nicht deshalb CDs statt Downloads, um sie mit sensationellen Margen auf 'iBäh' zu verticken, sondern weil es bei uns zum Standard gehört, Musik auf einer halbwegs vernünftigen Anlage zu hören und nicht nur am Rechner oder MP3-Player. Weil wir uns mit der Musik, die wir besprechen, intensiv befassen und uns dafür Zeit nehmen. Zum Hören, Schreiben, (ggf. auch) drüber diskutieren und lektorieren. Weshalb es manchmal übrigens auch etwas dauern kann, bis ein Review in RockTimes-Qualität online geht... wer uns kennt, weiß, was ich meine.
Das, was wir mit vielen Bands, Clubs und Veranstaltern schon seit etlichen Jahren ganz unkompliziert handhaben, möchten wir auch in Zukunft gerne beibehalten. Ohne Abzocke. Hand drauf!!