Molly Hatchet / April 1991, Freiheitshalle, Hof
Live
Southern Rock im Frankenland anno '91
Die mörderische Südstaatenhure in der Freiheitshalle zu Hof

Stil: Southern Rock


Artikel vom 18.08.2007


Klaus Baumann
Angeregt durch die beiden wirklich äußerst lesenswerten Deep Purple-Zeitdokumente von Frank Hesterberg (Kopenhagen 1973 und London 1968), möchte ich eine vergleichbare Anekdote übermitteln, die einen ähnlichen Spirit atmet. Erzählen muss ich sie wohl alleine schon deswegen, um meiner 'Chronistenpflicht' genüge zu tun...
Die Begebenheit, die ich zum Besten geben möchte, trug sich im April 1991 zu. Zu einer Zeit also, als nach den einstmals 'großen' Gruppen kaum ein Hahn mehr krähte.
Damals befand sich mein Lebensmittelpunkt vorübergehend in der oberfränkischen Provinz (Bayreuth, um genau zu sein), und so bot es sich an, Molly Hatchet auf deren '91er-Tournee in Hof zu begutachten. Die dortige Freiheitshalle (Nomen est Omen?) stand zu dieser Zeit zudem in dem Ruf, als eine der wenigen Konzerthallen alkoholisches Bier auszuschenken (von dem ebenfalls erhältlichen Hartstoff ganz zu schweigen), kurzum: Die Voraussetzungen schienen optimal.
Flugs wurden über unsere Hofer Connection Tickets besorgt, und eigentlich hätte es uns stutzig machen sollen, dass unsere Karten die laufenden Nummern 1 bis 3 aufwiesen ...
Wie dem auch sei - bester Stimmung machten wir uns per Auto auf nach Hof und fanden dort eine nur äußerst spärlich besuchte Halle vor. Unter diesen Bedingungen war es ein leichtes, sich einen Sitzplatz mit direktem Blick zur Bühne zu sichern, vor der sich während des Auftritts der Quasi-Legende Foghat gerade mal eine Handvoll Fans tummelte. Dem musikalisch Dargebotenen tat dies jedoch keinen Abbruch, und getreu dem Tour-Motto "Southern Nights" boten Foghat einen erstaunlich tighten Auftritt. Etwas blueslastig zwar, doch in Anbetracht des Alters der ergrauten Herren nicht weiter verwunderlich.
Zum Auftritt des Headliners zog es die meisten der Anwesenden, uns eingeschlossen, dann vor die Bühne, so dass sich dem Betrachter ein wohl etwas merkwürdiger Anblick bot: Ein Pulk von ein paar hundert Leuten Fußvolk direkt am Ort des Geschehens, ein verlorenes Häuflein offensichtlich nur mäßig Interessierter auf den Rängen und dazwischen gähnende Leere.
Als das Saallicht erlosch, schwollen die Hatchet-Sprechchöre an, und mit dem Erstrahlen der Bühnenbeleuchtung entlud sich die Spannung der Meute in dem obligatorischen Jubel. Molly Hatchet enterten die Bühne (oder besser: Danny Joe Brown [† 10.03.2005], Bobby Ingram, John Galvin und drei völlig unbekannte Musiker, ein Umstand, der bereits vorher am T-Shirt-Stand beim Studium der aktuellen Tourshirts für dezentes Stirnrunzeln gesorgt hatte) und stiegen gleich druckvoll mit "Take Miss Lucy Home" ein, soweit ich mich recht erinnere. Sänger Danny Joe Brown indes schien alles andere als zufrieden zu sein und brach das Stück nach einigen Takten wild gestikulierend ab. Die Band verstummte, und Brown schickte ein paar kernige Flüche in Richtung des Mixers. Schnell wurde dem Publikum klar: Der Gute ist ja hackedicht!, und die ersten höhnischen "Whiskey Man"-Rufe wurden laut.
Die Band begann das Stück von vorne und fand mit zunehmender Konzertdauer auch immer besser zueinander. Lediglich Danny Joe Browns Zustand verschlechterte sich zusehends; sichtlich angeschlagen wankte er auf der Bühne umher und verpasste Einsatz um Einsatz. Als er schließlich auch noch begann, Nonsenstexte zu singen, wurde es der Band zu bunt. Immer öfter schubste Bobby Ingram seinen Sänger vom Mikro weg und ersetzte den fehlenden Gesang durch Gitarrenlicks und -soli. Gegen Ende der Show spielten Molly Hatchet dann mehr oder weniger einen fulminanten Instrumentalgig, der von den paar noch vor der Bühne verbliebenen Die-Hardlern lautstark bejubelt wurde. Die Musiker spielten sich sprichwörtlich den Arsch ab, Danny Joe Brown hing missgelaunt auf der Bühne herum und in vorderster Front solierte sich Bobby Ingram mit einem unglaublich feisten Grinsen im Gesicht die Seele aus dem Leib.
Später, auf der einsamen Zugfahrt zurück nach Bayreuth (der Rest unserer Gang stammte aus Hof und blieb gleich dort), wich meine Irritation dann allmählich einem Gefühl der Begeisterung, das man in dieser Form wohl nur kennt, wenn man etwas wahrhaft Unvergessliches erlebt hat. Daran konnte nicht einmal ein mehrstündiger Umsteigeaufenthalt im spätnächtlichen Fränkisch Sibirien etwas ändern.
Molly Hatchet haben sich ja glücklicherweise inzwischen längst wieder berappelt und sind eigentlich fast besser als jemals zuvor (unbestreitbar aber definitiv härter), und auch wenn sich schon lange kein Mitglied der Urformation mehr in den Reihen der Bandmitglieder befindet, so gebührt ihnen doch ein Sonderlob für ihren außerordentlichen Durchhaltewillen. Hätte man damals schon gewusst, wie schlimm es tatsächlich um Danny Joe Browns Gesundheitszustand bestellt war (R.I.P., Danny!), wer weiß, in welchem Licht einem dieses Konzert dann in Erinnerung geblieben wäre? So war es schlicht und ergreifend einmalig im wahrsten Sinne des Wortes!
The south has risen again, Hell yeah!
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