Sahara / For All The Clowns
For All The Clowns Spielzeit: 42:29
Medium: CD
Label: Ohrwaschl Records (Ariola), 1975
Stil: Progressive Rock


Review vom 02.02.2007


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
Nach dem sich Sahara im Jahr 2005 reformiert haben, ist es an der Zeit, sich noch einmal den letzten Output der Münchener Kultrocker "For All The Clowns" aus dem Jahr 1975 anzuhören. Die Band tourte mit dem Vorgängeralbum Sunrise im Gepäck gut zwei Jahre von 1973-1975 durch ganz Deutschland. Unvergessen sind dabei Auftritte in der Hamburger Rockfabrik und auf dem Rockfestival in Lindau zusammen mit den Scorpions, die sich zum damaligen Zeitpunkt, noch mit u.a. Uli Jon Roth an der Gitarre, ebenfalls einen Ausnahmestatus erarbeiteten. 1975 verließen zwei Bandmitglieder (wir erinnern uns, die Formation hieß ursprünglich Subject Esq.) die Band. Schlagzeuger und Manager Harry Rosenkind trennte sich von Sahara, für ihn kam Holger Brandt (Ex-Missing Link). Und auch Leadgitarrist Nick Woodland ging andere Wege, er wurde durch Günter Moll ersetzt.
In dieser neuen Besetzung gingen Sahara ins Studio, um ihr neues Album "For All The Clowns" einzuspielen. Waren sowohl auf "Sunrise" und auch auf dem Debütalbum noch mächtige Jazz-Einflüsse zu vernehmen, so verschwanden diese ausnahmslos auf dem neuen Album. Die Band setzte auf progressive Rockmusik, auf Überraschungseffekte in den einzelnen Titeln. Rockmusik ja, aber kaum eine Spur von Mainstream.
"Flying Dancer" offeriert neue und ausgiebige Gesangspassagen. Der Sound ist symphonisch und leichte Einflüsse von Yes sind offenkundig. "The Source" entführt den Hörer zunächst in eine Galaxie, sehr keyboardträchtig, wie man es von progressiver Musik aus den 70er Jahren kennt. Orgeltöne wie sie die frühen Jane verwendet hatten und ein prächtiger Chorgesang lassen aufhorchen. Irgendwie klingt das sehr tragend und einfühlsam. Es wurden schon damals eine Menge Effekte eingesetzt. So ertönt die Sologitarre keineswegs schrill, sondern schmiegt sich sanft an das gesamte Soundgebilde an. Nick Woodland spielt hier übrigens noch die 12-string-guitar und gibt damit eine vorerst letzte Visitenkarte in Sachen Sahara ab. Gesangstechnisch scheinen Sahara auf diesem Album die typischen Beatphasen der 60er-Jahre hinter sich gelassen zu haben. Alles klingt etwas moderner.
Der Titeltrack "For All The Clowns" wartet mit einer Länge von 11 Minuten auf. Insbesondere zu Beginn erahnt man floydige Ähnlichkeiten. Zwischendrin spielt der Bass dezente Läufe und setzt dennoch deutliche Akzente. Darüber legen sich atmosphärische Synthie-Töne und geben dem Song so eine ganz eigene Note. Im weiteren Verlauf gesellen sich tolle Cleansounds der Gitarre dazu und die Schose steigert sich zunehmend. Mit mehr Crunch angereichert, wird der Beat-Rhytmus aufgenommen und dann wird es wieder ruhig. Sind das die Akkorde, die den Urknall ins Sahara-Universum bedeuten, wie die örtliche Presse im Raum München unlängst schrieb? Seien wir ehrlich, Manfred Mann's Earth Band hatte z.B. auf Solar Fire und Nightingales And Bombers für ähnliche Soundstrukturen Höchstnoten eingefahren. Nur, um da mal eine Hausnummer zu nennen. Und trotz allem bewahren sich Sahara ihren eigenen Stil.
Wirklich klassisch geht es nahtlos in den nächsten Longtrack, "The Mountain King", über. Ein höchst interessanter Gitarrenriff eröffnet diesen Mammutsong mit immerhin über 13 Minuten Länge. Da spielt sich dann der nächste Verdächtige ins Ohr. Altmeister Ian Anderson von Jethro Tull hatte unlängst die Querflöte populär gemacht und so genießt man diese Einlagen von Michael Hofmann ganz besonders. Und auch Gentle Giant scheinen einen maßgeblichen Einfluss auf die Musiker gehabt zu haben. Sprechgesänge mischen sich in den Ablauf ein und dann kommen wir in den Bereich einer typischen Improvisation. Immer und immer wieder treibt die Rhythmussektion an und die Solo-Gitarre kann sich austoben. Schließlich rockt die gesamte Band richtig und kräftig ab.
Fast schon frühlingshafte Töne erklingen bei "Dream Queen", die Flöte dominiert und spielerisch recht leichtgängig setzt der eingängige Gesang ein. Im letzten Drittel nehmen Sahara noch einmal etwas Fahrt auf und lassen mit Vogelgezwitscher und akustischen Gitarren ein sehr interessantes Album zu Ende gehen.
"For All The Clowns" ist das zweite (das Subject Esq.-Album jetzt mal nicht mitgezählt) und zugleich letzte Album. Es folgte nach der Veröffentlichung noch eine Tournee durch Holland. Am 24.07.1977 fand im Theater der Jugend in München ein letztes großes Konzert statt, danach löste sich die Band auf. Gut 30 Jahre später, am 02.08.2006, stehen Sahara im Münchner Theatron wieder in Originalbesetzung auf der Bühne. Reunion gelungen! Und jetzt sind wir gespannt, was da vielleicht noch folgt. Als aller erstes freuen wir uns auf die Jungs beim diesjährigen Burg Herzberg-Festival.
Line-up:
Holger Brandt (drums, percussion)
Hennes Hering (organ, piano, synthesizer)
Michael Hofmann (moog-synth, guitars, flutes, vocals)
Günther Moll (guitars, vocals)
Stephan Wissnet (bass, acoustic guitars, lead-vocals)
Alex Pittwohn (co-ordinator & stagesound)
Nick Woodland (12-string-guitar # 2)
Tracklist
01:Flying Dancer (3:25)
02:The Source (Part I & Part II) (7:12)
03:For All The Clowns (11:01)
04:Prélude (1:04)
05:The Mountain King (Part I & Part II) (13:20)
06:Dream Queen (5:05)
07:Fool The Fortune (1:19)
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