Julian Sas / Coming Home
Coming Home Spielzeit: 57:33
Medium: CD
Label: Cavalier Music, 2015
Stil: Blues Rock

Review vom 09.02.2016


Mike Kempf
Für einen RockTimer ist es quasi unumgänglich, dass im Laufe seiner Schreibertätigkeit unzählige Konzertbesuche auflaufen. So natürlich auch bei mir, und selbst als Kritiker erscheint es mir durchaus nachvollziehbar, dass man für den einen oder anderen Musiker mehr Sympathie entwickelt als für den Rest erlebter Rockmusiker, die besonders live beim Kunden schwer punkten wollen.
Im Bezug auf eines meiner bevorzugten Genres - Blues Rock - hat mich der Holländer Julian Sas, als er 2009 im Quasimodo von Berlin erstmalig seine Visitenkarte abgab, von Anfang an zu einhundert Prozent überzeugt. Um anschließend meine Sas-Neugier zu befriedigen, wurden nachfolgend meine Anfragen für Interviews stets bejaht. So entstanden 2010 und 2012 zwei, wie ich finde, sehr aussagekräftige Exemplare des beliebten Frage- und Antwortspiels. Dabei kam besonders eines zum Vorschein: Ein Julian Sas, egal welche Fragen man ihm stellt, nimmt kein Blatt vor den Mund und bezieht zu jedem Thema Stellung. Genau auf diese seine positiven Tugenden - Ehrlichkeit, Authentizität und immer geradeaus denkend - ist sein neuestes Werk, "Coming Home", aufgebaut.
Mit "Jump For Joy" wird das Album eröffnet und fördert gleich mal einen kleinen Unterschied gegenüber der Vorgängerplatte Bound To Roll zutage. Hatte der holländische Gitarrenchamp noch 2012 auf die Dienste des Organisten Willem van der Schoof gesetzt, dürfte es vor allem dem eingefleischten Sas-Fan längst bekannt sein, dass er im letzten Jahr mit dem Pianomann Roland Bakker ein neues Bandmitglied begrüßen konnte. Bakker feiert nun auf "Coming Home" seine Premiere und wird wohl auch künftig fürs Tastenspiel zuständig sein. Für mich gab er bereits beim letztjährigen Blues-Festival in Prießnitz bei Frohburg sein Debüt und ich habe mich schon damals gefragt: Wie kann man, mit der Figur eines strammen Möbelpackers und Händen, groß wie 'Tennisschläger', ausgestattet, derart filigran Keyboard spielen?
Egal, Mister Bakker hat's drauf und begleitet seinen neuen Arbeitgeber mit einem erstklassig vorgetragenen Klangfundament. Allerdings ist er auch in der Lage, so wie zum Beispiel bei "Fear Of Falling", mit gefühlvoller Soloarbeit zu brillieren und es scheint mir, als ob er - trotz der kurzen Zugehörigkeit zu der Band - kaum noch wegzudenken wäre. Im Zusammenspiel des rhythmischen Untergrunds müssen natürlich auch Rob Heijne (Schlagzeug) und Tenny Tahamata (Bass) erwähnt werden. Während Kraftwerker Heijne für mich zu den besten Drummern der Gegenwart zählt, konnte vermutlich niemand ahnen, dass der ebenfalls sehr gute Tahamata bei "Coming Home" seine letzten Bassläufe einspielte - zumindest für die Sas-Band. Warum das so ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß aber, dass von nun an der Grieche Fotis Anagnostou an der Seite des holländischen Blues Rock-Asses die dicken Saiten zupft.
Auch wenn ich Tahamatas Abgang als schmerzvoll registriere, konnte ich von beiden Seiten erfahren, dass die Trennung in aller Freundschaft, in beiderseitigem Einvernehmen vollzogen wurde. Trotzdem dürfte jedem Musikfreund klar sein: Julian Sas schaut nur nach vorn und wird sich mit dem neuen Mann aus dem 'Gyros'-Land keinesfalls verschlechtert haben.
Für den reinen Rockmusikliebhaber kann mitentscheidend sein, dass es bereits mit dem ersten Song keine Anlaufschwierigkeiten zu registrieren gibt. So wie man es aus dem Hause Sas gewohnt ist, legt die Band sehr energiegeladen los und selbst die Slow Blues-Nummer "Fear Of Falling" lässt keine Langeweile aufkommen. Ganz im Gegenteil: Nach nur zwei Minuten mischt sich Julians '59er Stratocaster limitied edition' ein, brilliert mit exzellenten Saitenvibrationen und erzählt eine wundervolle Geschichte. Letztlich fährt das Trio - Julians Gesang, die Strat und Bakkers Tastenzauber - das Teil sicher in den Hafen und hinterlässt bei mir ein wohliges Gefühl.
Mit den Slide-Nummern "End Of The Line" und "Brighter Days" gibt's zwei weitere Leckerlis auf die Lauscher und lässt feststellen: Mister Sas weiß auch mit einem Bottleneck spielstark zu überzeugen. Zum Schluss wird "Walking Home With Angels" zelebriert. Eine sehr gefühl- und schmerzvolle Ballade, bei der es abermals Julians Gitarrenzauber ist, der den Song ins rechte Licht rückt.
So wie es sich für ein anständiges Blues Rock-Album gehört, ist "Coming Home" eine sehr gitarrenlastige Platte geworden. Dabei demonstriert Hollands vielleicht bester Blueser fast alle Facetten des Bluesgitarrenspiels. Nicht komplett auf 'volle Attacke' ausgerichtet, besticht das aktuelle Werk eher mit viel Abwechslung und sehr viel Gefühl. Auch ein Grund, warum ich dem Interessierten anraten möchte, die Tonkonserve mehrmals zu hören. Dabei sollte man beim Öffnen der Lautenregler nicht sparen, denn je lauter, umso druckvoller ertönt es aus den Boxen und lassen sich die musikalischen Feinheiten besser heraushören.
Einige Musikfreunde aus meinem privaten Umfeld sprechen bereits vom besten Album, das je aus der Feder des Ausnahme-Bluesers entstanden ist. Für mich gehört "Coming Home" in jedem Fall zu seinen Top-Platten, ohne mich hier auf eine Rangliste seiner bisherigen Veröffentlichungen festzulegen. Und doch - ob Top-Platte oder nur gute Scheibe - wer nur einmal Sas und Co. 'live on stage' erleben konnte, das Feuer in ihren Augen lodern sah, ihre geballte Ladung Energie um die Ohren gehauen bekam, der dürfte wissen: Die Julian Sas Band ist live noch ein Stück besser - einfach unschlagbar!
Line-up:
Julian Sas (vocals, guitars)
Tenny Tahamata (bass)
Roland Bakker (piano, organ)
Rob Heijne (drums)
Tracklist
01:Jump For Joy (4:55)
02:Did You Ever Wonder (3:46)
03:A Change Is Gonna Come (6:30)
04:The Road Is My Companion (5:13)
05:Fear Of Falling (7:07)
06:Coming Home (4:25)
07:End Of The Line (3:51)
08:Shame On You (6:36)
09:Stop Talking Jive (3:19)
10:Brighter Days (5:36)
11:Walking Home With Angels (6:15)
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