Ich bin, rein musikalisch gesehen, 10 Jahre zu spät geboren!
Raimund und Mike
RockTimes im Gespräch mit Raimund Burke. Wir philosophieren mit ihm über "Christmas Classics", St. Pauli, Pop Musik, Bandgründungen, Taijiquan und viele andere, interessante Themen. Aber lest selbst:



Interview vom 18.02.2011


Mike Kempf
Im Dezember 2010 hatte unser Magazin "Christmas Classics" vom Hamburger Raimund Burke zur Verlosung auserkoren. Später durfte ich Raimund auf St. Pauli persönlich kennlernen und darf behaupten, dass wir uns sympathisch gegenüber saßen. Aus einer geplanten halben Stunde wurden über zwei und meinem Bitten ihn zu einem Interview zu bewegen, wurde sofort zugesagt. Ich darf so viel verraten, dass wir an manchen Stellen aus dem Lachen kaum herauskamen, aber nie die Ernsthaftigkeit des Frage- und Antwortspiels außer Acht ließen. An dieser Stelle: Vielen Dank, Raimund!
Rocktimes: Hallo Raimund, wie ist es Dir recht? Soll ich Dich als Hamburger oder als St. Paulianer vorstellen?
Raimund Burke: Hallo Mike, och, Hamburger mit Hauptwohnsitz auf St. Pauli ist ok. Gut, ich hab jetzt eh nur den, aber das klang grad so gut. (lacht)
Rocktimes: O.K. Hamburger mit Hauptwohnsitz auf St. Pauli. Wenn ich an St. Pauli denke, fallen mir sofort die Beatles, der Star Club oder auch AC/DC ein, die in den 60/70ern oft die Hansestadt besuchten oder gar dort wohnten. Fallen Dir Geschichten aus dieser Zeit ein, die Du vielleicht selbst erlebt hast oder Dir nachträglich berichtet wurden?
Raimund: Also ich bin ja erst 1993 nach Hamburg gekommen und sowieso erst 1969 geboren. Insofern hab ich diese Zeit ganz knapp verpasst. Aber ich denke immer wieder mal, dass ich, rein musikalisch gesehen, irgendwie 10 Jahre zu spät geboren bin. Was man auch in meiner Musik hört, denke ich. So habe ich leider diese legendäre Zeit nicht selber erlebt.
Rocktimes: Apropos Musik: Als ich Anfang 2009 Dein Album Into My Arena mit meinem Seziermesser auseinander nahm, verglich ich Deine Klampferei mit denen, die wahre Gitarrenmeister sind, z. B. Joe Satriani oder Steve Vai. Habe ich mich da zu weit aus dem Fenster gelehnt, oder hast Du auch von anderen Magazinen ähnliche Feedbacks erhalten?
Raimund: Das kann ich Dir gar nicht sagen, ob Du Dich da zu weit rausgelehnt hast. Ich meine, das muss jeder für sich entscheiden. Um ehrlich zu sein, kam der Vergleich aber schon ziemlich häufig. Das liegt natürlich erst mal, gottseidank, immer im Ohr des Betrachters. Ich freue mich immer total darüber. Besser als wenn man mich mit 'nem (Akustik-) Metzger oder so vergleichen würde! Stimmt's? (lacht)
Rocktimes: Ja, sicher, und ein Vergleich mit 'nem Metzger würde einer Majestätsbeleidigung gleichkommen. (ich muss nun auch lachen)
Im Ernst, Deine Fingerfertigkeit an der Gitarre finde ich bemerkenswert! Als ich zur Adventszeit Dein neuestes Werk Christmas Classics bewertete, da las ich im beigefügten Info-Flyer erstklassige Feedbacks von Alannah Myles, Jörg Sander, Guido Bungenstock oder Stevie Salas. Hältst Du zu den genannten Musikern Kontakt, oder wie kommt's?
Raimund: Manche von ihnen kenne ich, aber es sind oft auch Musiker dabei, die ich nicht persönlich kenne. Umso schöner, wenn sie wirklich meinen Kram anhören und was schreiben. Alannah Myles z. B. habe ich einfach mal angeschrieben und sie gefragt, ob sie nicht auf ein kleines Statement Lust hat. Und erst nachdem sie antwortete, fiel mir auf, dass ja einer der Songs, nämlich "Morgen Kinder wird's was geben", welcher quasi eine Hommage an "Black Velvet", von ihr ist. Irgendwie hatte ich das gar nicht mehr auf der Uhr. Sie hat nicht gemeckert, sondern fand das ganze Ding ziemlich cool. Was mich wiederum sehr freut. (grinst) Guido und ich sind mittlerweile befreundet und mit Jörg habe ich damals den Popkurs zusammen gemacht. Wir kennen uns also schon ein bisschen länger. 'Schlange' her! (lustiges Wortspiel von Raimund)
Rocktimes: Popkurs? Heißt das, dass Du auch auf Popmusik stehst?
Raimund: Kontaktstudiengang Popularmusik an der Hochschule für Musik und Theater hier in Hamburg. 'Popkurs' halt. (schmunzelt) Wenn sie gut gemacht ist, die Popmusik, immer. Ich finde z.B. wirklich gute Frauenstimmen absolut toll. So was wie Mariah Carey und so - Hammer. Schau Dir mal die Live-DVD von Anastacia an. Wenn das keine Hard Rock-Band ist, weiß ich's auch nicht. Die geben verdammt viel Gas. Sowieso, wenn Musik gut gemacht ist und mir gefällt, ist mir die Richtung egal. Scheuklappendenken ist da total out. Aber, und das muss ich trotzdem dazu sagen, wenn ich 'ne Zeit lang was 'anderes' gehört habe, dann fehlt mir schon ein bisschen der 'Druck' in der ganzen anderen Mucke.
Rocktimes: Anastacia und Mariah Carey? Raimund, wenn Du noch 100 Euro raufpackst, dann schaue ich mir die Bräute an. Im Ernst: Auch ich halte nichts von Scheuklappendenken und höre sehr vielseitig. Doch die Glitzergirls treffen einfach nicht meinen Geschmack. Neulich hat mir mein Kumpel und Bon Scott-Imitator Shorty Pink empfohlen, was die doch für 'ne geile Show abzieht. Sorry, ich habe mir echt Mühe gegeben, drei, vier Songs durchgehalten, doch dann war meine Schmerzgrenze erreicht: Ich komme mit den aufgebrezelten Damen einfach nicht klar, da bevorzuge ich, wenn's auch engstirnig erscheint, den puren Rock'n'Roll, der vor allem früher in Deinem Bezirk, im Star-Club, gespielt wurde. Oh, Moment mal, es geht ja nicht um mich, sondern um Dich! Ich weiß, dass Du Autodidakt bist und Deine Alben komplett allein einspielst. Hast Du nicht schon mal daran gedacht, eine Band zu gründen, damit man Dich auch live erleben kann?
Raimund: Eine Band? Das ist das mit den ganzen anderen Leuten drin, oder? Das, wo meistens, alles ist supertoll, und kurz bevor man einen wichtigen Gig hat, einer abspringt, damit man auf keinen Fall zum Erfolg kommt? Und dann muss man wieder neue Leute einarbeiten, und alles geht von vorne los? Nö. Das ist nicht geplant. Klingt ein wenig zynisch 'ne?! (grinst)
Ich finde, das klaut einem enorm viel Energie, die man besser zum Songwriting gebrauchen kann. Aber im Ernst ist es ja so, dass meine Musik ja nicht so ganz einfach auf eine Bühne zu bringen ist. Ich bräuchte da schon mindestens fünf Leute dazu. Und die müssten sich natürlich auf meinen Kram zu hundert Prozent einlassen und trotzdem das Zeugs locker spielen können. Also das eigene Ego hinten anstellen. Das ist total schwierig. Aber mein Anspruch wäre dann natürlich auch, die Musik genauso auch live zu präsentieren, wie ich sie mir ausgedacht habe. Das ist doch ziemlich schwer. Leider kommt noch dazu, dass instrumentale Musik nur eine kleine Nische an Hörern bedient. Und dann bekommt man schnell auch ein finanzielles Problem, denn die Musiker wollen ja auch bezahlt werden. Ich kann 'se ja nicht alle zwingen! (lacht) Wenn ich in einer anderen Band spielte, würde das irgendwie anders aussehen. Da verschieben sich meine Ansprüche ein bisschen. Wenn ich also 'nur' einen instrumentalen Part ausfüllen würde, kann ich ganz andere Kompromisse eingehen, als bei meiner Musik. Denn wenn ich sie mir so ausdenke, würde ich sie auch genauso live zeigen wollen. Eine abgespeckte Version kann ich mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorstellen.
Rocktimes: Hmm, O.K., Deine Argumente leuchten mir ein. Dann lass mich mal bezüglich eines Arrangements, Du als Gastspieler in irgendeiner Band, nachhaken. Gab es in der Vergangenheit und aktuell Nachfragen, ob Du Dich als 'Edel'-Klampfer auf einer fremden CD verewigen solltest oder sollst?
Raimund: Naja, das kommt schon mal vor. Unterbrich mich, wenn ich das schon mal erzählt habe. Ach nee, das geht ja gar nicht! Cool…
Ich hab z.B. die Sologitarren bei der Safkan-Produktion eingespielt. Tolle türkisch-deutsche Rockmucke. Ich hoffe bei der nächsten Safkan-CD wieder ein paar Sachen spielen zu können. Die Band muss man unterstützen. Das ist echt gutes Zeugs!
Oder neulich, als ich zufällig im Docmaklang Studio in Osnabrück war, haben dort gerade Mourning Caress ihr Album aufgenommen und ich hab spontan ein Solo beigesteuert. Macht Spaß so was. Ich hab sogar letztes Jahr, und jetzt halt Dich fest Mike, bei einer Funknummer die 'Gittis' eingespielt! Keine Zerre, kein Marshall, keine Matte im Gesicht; nur meine kleine "Burkinstein" (so nennt er seine Lieblingsgitarre) und ich. Man glaubt es kaum. (lacht)
Rocktimes: Dich und unterbrechen? Um da eine Chance zu haben, müsste ich Dir wohl gegens Schienbein treten (müssen beide herzhaft lachen) Nee, nee, erzähle ruhig weiter, den Leser wird es sicherlich interessieren.
Sag mal, werden diese Fremdausflüge auch honoriert oder sind es einfach nur reine Gefälligkeitsdienste?
Raimund: Ist ja nix umsonst in dieser Welt heutzutage. (grinst)
Rocktimes: Raimund, wie würde Dein optimales Line-up ausschauen? Ich fang mal an: Leadguitar: Raimund Burke. Und weiter…
Raimund: Du meinst, wenn 'se alle machen würden, was ich möchte? Puh! Nee, ich antworte mal politisch und sage: Die Frage stellt sich so nicht! (schmunzelt)
Natürlich habe ich ein paar Lieblingsmusiker, aber jetzt eine fiktive Allstarband aufzuzeigen ist irgendwie unsinnig für mich. Wenn es mich fünfmal gäbe - obwohl - ich glaube, das wäre irgendwie auch anstrengend. Und finde mal eine Bühne, wo fünf so riesige Typen draufpassen. (lacht) Und erst diese Egos - haach…(nachdenklicher Blick)
Rocktimes: O.K. Wie sieht Deine Freizeitgestaltung aus, wenn es sich nicht gerade um Musik handelt?
Raimund: Wie geht denn Freizeitgestaltung ohne Musik? (lächelt) Ich gehe gerne mal in den Ü-Raum zum Trommeln. Das ist so eine Art Hobby von mir. Jetzt habe ich ja wieder ein Schlagzeug. Ich hatte jahrelang keines mehr. Aber da ein Freund von mir letztes Jahr gestorben ist, habe ich gesagt, dann übernehme ich das Set von ihm und halte es in Ehren. Und so bin ich nun doch wieder zu 'nem Set gekommen.
Was ich auch gerne mache, ist im Park Taijiquan zu üben. Alleine oder auch gerne mal mit Kollegen dort. Was viele nicht wissen, ist, dass Taiji eine Kampfkunst lehrt, die zudem auch noch sehr effektiv ist. Wird ja gerne als 'Rentnerkarate' verschrien. Aber wenn es ordentlich und vor allem umfangreich geübt und gelehrt wird, ist sie sehr nützlich, auch oder eben gerade in der Selbstverteidigung. Im Alltag gibt es ja auch ohne einen 'Angriff' genug Situationen, wo man eine wirklich gute 'Haltung' oder einen guten 'Stand' gebrauchen kann. Tolle Sache das… (lacht) Oder mit der Frau ins Kino oder so, oder hab ich jetzt lesen, Rad fahren, Reiten und so sagen müssen?!? (lacht heftig)
Rocktimes: Aber Raimund, Du sollst und kannst sagen, was Du willst. Sonst denken unsere Leser, dass ich Dich beeinflussen würde. Immerhin hast Du auch zugegeben, dass Du Mariah Carey gut findest. Und ich habe diese Meinung, obwohl ich es nur schwer nachvollziehen kann, akzeptiert (lache). Das mit Deinem Freund tut mir echt leid! Das war für Dich bestimmt eine schwere Zeit. Was steht für die Zukunft an? Dürfen wir mit einem neuen Album rechnen?
Raimund: Na, so leicht lasse ich mich nun auch wieder nicht beeinflussen. (grinst)
Mit 'nem neuem Album muss man immer rechnen! (schmunzelt) Im Moment beschäftige ich mich mit so einer Art Remix, angereichert mit neu eingespielten Gittis, von älteren Songs. Ich weiß noch nicht genau, was damit dann passieren wird. Ich muss mir für das nächste Album-Projekt aber ein bisschen mehr Zeit lassen. Das Ding wird kompliziert und, äh, sagen wir mal, umfangreich. Ich habe ziemlich viel Gefallen daran gefunden, andere Songs in meinem 'Stil', wenn man so will, zu adaptieren. Und das wird wohl als nächstes kommen. Mehr will ich noch nicht verraten
Rocktimes: Gut Raimund, dann lass ich mich mal überraschen. So, meinen Fragenkatalog habe ich abgearbeitet. Das letzte Wort gehört Dir. Vielleicht ein Nachricht an Deine Fans? Ich bedanke mich jedenfalls fürs nette und lustige Gespräch und denke, dass wir demnächst auf St. Pauli wieder ein Stück Kuchen mit 'nem Kräutertee verputzen
Raimund: Kuchen geht immer klar! (lacht)
Ich freue mich, dass die "Christmas Classics" so gut angenommen wurde. So eine Rechnung kann ja auch mal nicht aufgehen. Hat aber gut geklappt. Ansonsten bitte alle gesund bleiben, damit wir auch bei der nächsten CD wieder hier oder an anderer Stelle zusammen kommen können!
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