Dr. Lonnie Smith / Spiral
Spiral Spielzeit: 49:20
Medium: CD
Label: Palmetto Records, 2010
Stil: Jazz

Review vom 05.07.2010


Wolfgang Giese
Ja, das ist moderner Soul Jazz.
Lonnie Smith, später wurde noch der 'Dr.' hinzugefügt, ist bekannt geworden in den sechziger Jahren als orgelndes Bandmitglied bei George Benson, anschließend durch seine Zusammenarbeit mit dem Saxofonisten Lou Donaldson.
Am dritten Juli dieses Jahres feierte Smith seinen 68. Geburtstag. Zunächst eher als Sänger und Trompeter aktiv, verfiel er im Alter von 20 der Hammond-Orgel. Niemand weiß so genau, wie es zum akademischen Namenszusatz kam und warum er ständig diesen Turban trägt. Angeblich soll ihm der Titel von Musikern verliehen worden sein. Akzeptieren wir beides also als Markenzeichen.
Klar doch - großes musikalisches Vorbild wurde schon früh der Kollege Jimmy Smith. Ab 1968 veröffentlichte er beachtliche Platten für das Label Blue Note (ich empfehle "Think"), danach auf diversen Labels, bis er 2004 bei Palmetto landete und dort seitdem vier Einspielungen vornahm. Hier nun die aktuelle Platte. Um es gleich vorweg zu nehmen: wieder eine ganz hervorragende Einspielung voller Groove und Soul.
"Mellow Mood", eingeleitet durch einen enorm federnden Rhythmus, beschwört den Sound der Vergangenheit, als Jimmy Smith, der 'Vater der Hammond', wirkte, und doch ist das zeitgemäßer Sound, der voller Dynamik sprüht, und das ungeheuer groovend. Wir können einen treibenden Beat mit klar punktuiertem Gitarrenspiel mit perlenden Single-Notes genießen.
Der Standard von Frank Loesser, "I've Never Been In Love Before", wirkt in seiner Art viel 'altmodischer' und ist eher an alte Zeiten angelehnt und wird mit energischem, aber verhaltenem Swing dezent vorangetrieben.
"Frame For The Blues": Entgegen der Suggestion des Titels ist das kein klassischer Blues in diesem Sinne, aber eine mit bluesigem Unterton bestückte 'Late Night-Ballade'. Tupfend schiebt sich die Band durch die fast neun Minuten. Ein wohldurchdachtes Gitarrensolo schwingt mit uns durch die nächtliche Atmosphäre, in seiner Eleganz unspektakulär, aber verdammt gefühlvoll vorgetragen und mit viel Wärme im Ton - ich werde mich näher mit Jonathan Kreisberg beschäftigen müssen, ein guter Mann, jawoll!
Und nun folgt ein sehr jazzrockender Track, auch ein Standard, jedoch sehr modern interpretiert. Der sehr gute Drummer treibt voran und reißt alle mit, die Band zeigt ihre Homogenität, ja, sie spielt famos zusammen, ständige Interaktion zeugt von Einfühlsamkeit untereinander, das ist einer der Toptitel!
"Sweet And Lovely" swingt elegant, eben süß und entzückend, ganz cool wird dieses Stück aus dem Ärmel geschüttelt. Nichts ist steif oder bemüht, aber auch nicht sachlich oder trocken, eher spielerisch. Auf "Spiral" kann man sich treiben lassen - eine verträumte Atmosphäre wird hier geschaffen, mit akzentuierten 'Klacks' des Drummers, der damit der ansonsten fließenden Musik eine Richtung gibt. Es finden sich viele spontane Ideen, die im Zuwerfen der Bälle jedes Musikers unmittelbar umgesetzt zu scheinen werden. Sicher das lockerste Stück des Albums, dabei ganz und gar nicht aufdringlich, dafür jedoch eindringlich!
Die "Lifetime" von Tony Williams und die Platte Emergency! kommt mir bei "Beehive" in den Sinn: Entfremdete Orgelklänge und verzerrte Gitarrensounds erinnern spontan daran, auch wohnt diesem Titel in etwa die Energie inne, durch die sich die damalige Band des Drummers auszeichnete. Dieser Song ist ein wahrer bunter Farbfleck auf der Leinwand der Musik. Als alter Jazzrocker, der ich bin, mein erklärter Favorit! Ich liebe es, diese Energie zu spüren und mit ihr zu gehen auf die schnelle Fahrt! Der Organist zeigt hier seine 'modernste' Vorstellung.
Einen haben wir noch. Ich stelle mir ein japanisches Kirschblütenfest vor und die Band hat die Aufgabe erhalten, den alten Hit "Sukiyaki" (ja, er ist es - »beim Suki-Suki-Yaki in Naga-Naga-Saki«) für das Fest als Hintergrundmusik zu gestalten. Diese leicht exotische Ausprägung wird vom Gitarristen auf der akustischen Gitarre umgesetzt und Smith setzt dezente, mitunter anschwellende Orgelklänge dazu, während der Schlagzeuger lediglich perkussiv abrundet. Ein ungewöhnlicher Abschluss, der dann ausgeblendet wird und wie ein 'offenes Ende' den Zuhörer mit seinen Gedanken zurück lässt.
Der Organist zeigt keine Zeichen von Übermüdung, die Musik ist so frisch wie 'neugeboren', einen wesentlichen Anteil haben daran der antreibende und dynamische texanische Schlagzeuger sowie der brillant aufspielende Gitarrist aus New York, der übrigens auch im Rockgeschäft tätig war und Smith ist ganz lässig mit gefühlvoller Professionalität am Werk.
Line-up:
Dr. Lonnie Smith (Hammond B3 organ)
Jonathan Kreisberg (guitar)
Jamire Williams (drums)
Tracklist
01:Mellow Mood (J.Smith) 5:13
02:I've Never Been In Love Before (F.Loesser) 5:11
03:Frame For The Blues (S.Hampton) 8:53
04:I Didn't Know What Time It Was (Hart, Rodgers) 7:49
05:Sweet & Lovely (Arnheim, Lemare, Tobias) 5:57
06:Spiral (L.Smith) 5:55
07:Beehive (H.Mabern) 6:41
08:Sukiyaki (H.N.Rokusuke) 3:40
Externe Links: