Jimmy Gee / 06.12.2013, Quasimodo, Berlin
Quasimodo
Jimmy Gee
Quasimodo Berlin
06. Dezember 2013
Konzertbericht
Stil: Rock
Fotos: ©Andrè Gehrmann


Artikel vom 17.12.2013


Mike Kempf
Darauf habe ich lange warten müssen, doch zum Nikolaus ist es endlich soweit: Mein Trainingspartner in Sachen Fitness, Jimmy Gee, spielt an diesem Freitag, den 6. Dezember, in meinem zweiten Wohnzimmer, dem Quasimodo. Vorab hat Jimmys Management es geschafft, auf allen Litfaßsäulen in Berlin mit Werbeplakaten auf den Gig hinzuweisen und selbst sein umgestylter Tourbus (eine alte Feuerwehr) fährt ständig durch Berlins Straßen, um alles mögliche zu tun, damit der Berliner Kultclub gut besucht wird. Dass er vor gut zwei Wochen vom deutschen Rock- und Pop-Preis zum besten deutschen Gitarristen 2013 gewählt wurde, dürfte ein weiterer guter Grund für die Berliner Musikfreunde sein, sich diesen außergewöhnlichen Musiker mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Für mich beginnt der Arbeitstag bereits um 17:00 Uhr, denn ich will nicht nur alles Drumherum aufsaugen, sondern möchte vor allem beim Soundcheck dabei sein. Dieser ist nämlich unheimlich wichtig, da es gilt, Jimmys MGH-Custom-Gitarren den Klang zu verleihen, damit später die Fans in den Genuss bester Soundqualität kommen. In der Tat, der Tontechniker ist für gut eineinhalb Stunden absoluter Chef im Ring, registriert jede Anmerkung der Bandmitglieder und reguliert an seinem Mischpult den perfekten Raumklang. An dieser Stelle gebührt dem Regler-Experten ein fettes Extralob!
Jimmy GeeBevor die Party erst so richtig abgehen kann, begrüße ich Tom Zips, der in gut zwei Stunden die Anwesenden mit drei Solo-Auftritten auf Betriebstemperatur bringen soll. Durch unsere nette Unterhaltung vergeht die Zeit relativ schnell und ehe wir uns versehen, betritt der Jimmy Gee-Troß nach einem zwischenzeitlichen Restaurantbesuch um ca. 20:45 Uhr den Backstagebereich, um sich nun gezielt vorzubereiten. Leider schafft es ein sogenannter Hobbyfotograf, sich im großen Jimmy-Team unbemerkt in den Club zu schleusen. Das wäre vielleicht gar nicht aufgefallen, wenn dieser nicht ohne Skrupel und Erlaubnis zahlreiche intime Bilder geknipst hätte, dessen Gehabe die Band mächtig aufstößt und nur durch eindeutige Gesten dieser endlich den Aufenthaltsraum verlässt. So ein Verhalten widerspricht jeder Grundlage von gutem Journalismus und wir von RockTimes distanzieren uns entschieden von solch unseriösen Praktiken!
Jimmy GeeDer Club füllt sich zusehends und zwar so gut, dass sogar in der ersten Reihe die Luft ziemlich dünn wird und ich mich frage, wie sich Nachwuchstalent Tom fühlen muss, als dieser um kurz vor halb elf die Bühne betritt, auf der solche grandiosen Musiker wie B.B. King, Joe Bonamassa oder erst neulich Eric Sardinas groß aufspielten? Auch wenn ich beim Jungspund eine leichte Aufgeregtheit verspüre, spult er seine Songs so gut herunter, dass er von den Fans noch um eine Zugabe gebeten wird. Klasse, für einen unter uns hat sich der Abend schon mal vollends gelohnt.
Jimmy GeeSchnell noch 'ne Tasse Bier geschlabbert und dann ist es auch schon soweit. Gastdrummer Daniel Stieg läutet ein Intro ein, indem zuerst Bassist Ingo Siara mit stark groovendem Bassgezupfe einsteigt, dem sich anschließend Rhythmiker Eda mit seinem Sechssaiter anschließt und letztlich der Hauptprotagonist des Abends aus dem Backstage seine Klampfe erklingen lässt. Sekunden später betritt er mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen höchstpersönlich die Holzplanken des legendären Clubs, um schon mit dem Intro, das nahtlos in den Opener des Abends "My Toy" übergeht, eine grandiose Duftmarke zu setzen. Oh ja, das Teil hat gesessen und verspricht noch einiges. Fortlaufend demonstriert er einige Male, warum er zum besten Gitarristen des Jahres gewählt wurde. Denn wenn er seine messerscharfen Soloattacken in die Meute wirft, bleibt kaum ein Auge trocken. Doch jedesmal, wenn mein Adrenalin in ungeahnte Höhen schnellt, sorgt er prompt mit einer Ballade dafür, dass sich mein Kreislauf wieder abrupt normalisiert. Nichts gegen seine langsamen Stücke, die sich auf seinen beiden Alben
Rock'n'Roll Will Never Die und Rock Your Town glänzend anhören, doch bei einer Live-Vorstellung - zumindest bei mir - eher zum Ausbremsen der Begeisterung dienen. Dafür finde ich die Idee, dass er sich zur Feier des Tages bei seinen zahlreichen Gitarrenwechsel von einer bildhübschen 'Nikoläusin' unterstützen lässt, sehr passend und witzig.
Jimmy GeeWarum hat sich Jimmy überhaupt eines Gastdrummers bedient, hat er mit Leo Sieg doch einen neuen Stammschlagzeuger? Später befragt, antwortet Jimmy: »Als der Gig fürs Quasimodo zustande kam, da hatte ich noch keinen neuen Drummer. Daniel kenne ich schon aus meiner Jugendzeit und ich musste erstmal auf Nummer sicher gehen, und weil ich Daniel nicht so einfach absagen wollte, spielen heute eben beide«. Dass Daniel nicht zum ersten Mal mit Sticks an einer 'Muckibude' ackert, erkennt sogar ein Blinder. Seine angespannte Körpersprache ist genau das, was dieser Band richtig gut steht, doch tut er damit auch Jimmys Stammkraft damit einen Gefallen? Ich habe da so meine Bedenken, denn Mister Stieg hat für diesen Abend die Messlatte ganz schön hochgehängt. Stieg ist es auch, der sich nach dem AC/DC-Klassiker "T N T" noch ein ansprechendes Drum-Solo hinlegt, bevor er sich erst mal verabschiedet.
Jimmy GeeAb "Rock'n'Roll Will Never Die" übernimmt nun der neue Stammdrummer Leo Sieg das Zepter an den Fellen. Dieser spielt grundsolide, erlaubt sich keinerlei Fehler, hält die Kapelle im Rhythmus und erledigt fürs erste seinen Job. Ob er nun wirklich die Verstärkung für die Band ist, darüber möchte ich hier abschließend nicht urteilen. Dafür bedarf es einer Begutachtung über einen Arbeitsnachweis in voller Distanz. Auf diesen Abend gemünzt, hat mich Leihschlagzeuger Daniel zwar mehr überzeugt, jedoch handelt es sich hierbei vorerst nur um eine Momentaufnahme. Die Band gestaltet ihren Gig sehr abwechslungsreich, bewegt sich zwischen Blues-, Hard- und Classic Rock. Obwohl Jimmy ganz klar im Zentrum des Geschehens steht, ist er immer darauf bedacht seinen musikalischen Mitstreitern auch mal die Hauptrolle zu überlassen. So darf Ingo beim Stones-Teil "Honky Tonk Woman" am Gesangsmikro mal so richtig seine Stimmbänder zum Besten geben und Eda wird die Ehre zuteil, den Purple-Klassiker "Smoke On The Water" vorzutragen. Es ist gleichzeitig der Schlussakt der Veranstaltung, wobei von den Fans die Regularien eingehalten werden und sie der Band erwartungsgemäß noch eine Zugabe abverlangt. Aus der werden sogar zwei, neben "Hallejujah" präsentiert die Band mit "I Feel Blue" ein weiteres Highlight.
Bin ich ein guter Journalist, wenn ich alles durch die rosarote Brille sehe und nur das Schöne herausfiltere? Ich denke nicht, deshalb habe ich auch Kritisches anzumerken. Doch zunächst das Positive: Der Laden ist gut besucht, Jimmy hat mehrfach eindrucksvoll unterstrichen, warum er zum besten deutschen Gitarristen 2013 gewählt wurde. Ob als krasser Gitarrenflitzer oder als softer gefühlvoller Saitenstreichler, egal, Jimmy beherrscht einfach alle Facetten der Spielkunst und bringt alle Voraussetzungen mit, um sich mit seiner Band im internationalen Geschäft ganz nach vorne zu spielen. Die Setliste wurde sehr abwechslungsreich gestaltet, spiegelt die Vielfalt an Styles wider, die auch auf seinen beiden bisherigen Alben zu hören sind. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Dinge die mir nicht sonderlich gefallen. So sind zum Beispiel die Dialoge zwischen den Songs auf Dauer zu langweilig, weil sie so gestaltet werden, dass die Fans jedesmal voll darauf anspringen und einige in reiner Selbstdarstellung auch jedesmal Ingo aufs Korn nehmen und irgendwer ständig ein Kind von ihm haben will. Na ja, aufs Gesamte gesehen hat es mein Nervenkostüm mehr strapaziert, als dass sich durch diese 'Show-Einlagen' meine Lachmuskeln in Wallung bringen ließen und ich glaube zu spüren, dass es dem guten Ingo selbst zu viel des Guten war. Weniger Smalltalk kann hier durchaus mehr sein, denn so geht ihnen etwas die Souveränität flöten. Überhaupt sollte sich die Band einfach mehr ihre musikalischen Fähigkeiten konzentrieren, anstatt auf jeden Zuruf zu reagieren und nicht zu sehr auf Lack, Leder und Schminke zu setzen. Dass nach "Smoke On The Water" den Fans als erste Zugabe der Leonard Cohen-Hit "Hallejulah" angeboten wird, empfinde ich in etwa so, als ob ich mit 'nem Ferrari die Route 66 herunterrausche und urplötzlich, völlig unerwartet in eine Tempo-30-Zone gerate. Dass ich bei diesem Teil nicht umgehend in den tiefsten Winterschlaf verfalle, grenzt schon fast an ein Wunder.
Jimmy GeeAls die Messe endgültig gelesen ist, sind sich fast alle Zeitzeugen über die außergewöhnlich gute Qualität der Band einig. So registriere ich meist zufriedene Gesichter, aber auch einige Kritiker, die mehr Wert darauf legen, sich - zumindest live - mehr rockige Songs der Marke "Arabian Girl" wünschen, dem ich mich gerne anschließe. Für die Fans, die sich abschließend noch mit CDs eindecken wollen, gibt es leider nur seine aktuelle Scheibe "Rock Your Town" zu erwerben, dazu noch ein paar Poster - fertig. Hier sehe ich, anhand von Nachfragen der Fans für weitere Souvenirs, noch Handlungsbedarf. In der Tat wirkte der Merchandise-Stand etwas 'nackig' und somit wurde es schlichtweg versäumt die Bandkasse ordentlich zu füllen. Im Prinzip zähle ich hier nur Kleinigkeiten auf, die es aber anhand Jimmys eigenen Anspruchs, zu verbessern gilt. Hier und da etwas mehr Professionalität eingebracht, kann letztlich der Schlüssel zum Erfolg sein, um 2014 voll durchzustarten. Leider kann ich auf seiner HP fürs kommende Jahr keine fest eingeplanten Konzerte finden und hoffe, dass sie sich die Band nicht nur mit Auftritten in Amateurclubs begnügt. Wer so ein riesiges Potenzial wie diese Band besitzt, der sollte, nein, der MUSS sich endgültig freischwimmen und nur noch die angesagtesten Clubs buchen.
Jimmy Gee    Jimmy Gee    Jimmy Gee
Jimmy Gee    Jimmy Gee
Line-up:
Jimmy Gee (vocals, guitar)
Eda Schilling (rhythm guitar, keyboards, background vocals)
Ingo Siara (bass, background vocals)
Leo Sieg (drums)
Daniel Stieg (drums)
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