Erja Lyytinen / Forbidden Fruit
Forbidden Fruit Spielzeit: 42:55
Medium: CD
Label: Ruf Records, 2013
Stil: Soul, Blues, R&B

Review vom 19.01.2013


Joachim 'Joe' Brookes
Während des ersten Tracks von "Forbidden Fruit" meint man, Verpackung und Inhalt passen nicht zusammen. Da muss etwas vertauscht worden sein. Aber nein, dem ist nicht so. Die Finnin Erja Lyytinen geht vermeintlich neue Wege, oder besser – andere Wege. Wer die Musikerin als eine besondere Slidegitarristin einsortiert hat, wird nur wenig von der 'verbotenen Frucht' genießen können, denn sie setzt das Bottleneck nicht durchgehend ein. Aber wenn, dann ist der Hörer fasziniert ... hin und weg. So in "Death Letter", einem Song von Son House, einem ihrer favorisierten Künstler und eine Tampa Red-Komposition ist dann auch gleich mit von der Partie. In dem bodenständig-erdigen Slow Blues "Things About Coming My Way" ist das Metallröhrchen ebenfalls aktiv. Unterlegt mit einem besonderen Rhythmussound bringt sie moderne Elemente in das Arrangement.
Ansonsten lässt Erja Lyytinen das Bottleneck doch ziemlich abkühlen. In "Jealousy" sowie "Press The Bottom" fährt sie noch mit dem Metallröhrchen über die Saiten. In diesem Metier ist sie meisterlich. Was sich aus meiner Sicht bereits in Voracious Love andeutete, wird in vorliegendem Album quasi konsequent vorgesetzt. Die Protagonistin verzückt den Hörer mit ihrem Charme aus Soul und R&B. Der Blues wird nun zur schönsten Nebensache der Welt. Auf "Forbidden Fruit" zeigt sich die sympathische Finnin manchmal auch so, wie sie auf dem Coverbild abgebildet ist. Nebenbei sei bemerkt, dass Beth Hart es auf Bang Bang Boom Boom nicht anders gemacht hat und ihr musikalisches Spielfeld ebenfalls expandiert hat.
In einem Umfeld aus Soul und R&B klingt Erja Lyytinens Stimme um einiges gereifter. Mit einem derartigen Gesang geht die Musikerin konsequent nach vorne. Gerde in diesem Genre müssen die Stimmbänder besonders geölt sein, sonst geht der Schuss eher nach hinten los. Ganz weit vorne und überzeugend ist ihr Gitarrenspiel, auch ohne Metallröhrchen.
Mit dem Titelsong "Forbidden Fruit" wickelt einen Erja Lyytinen dann komplett um den Finger. Man greift unweigerlich nach dem Apfel. Diese Ballade ist Verführung pur. Alles ist auf Einflussnahme bis in die Tiefen der Seele gestellt und so werden die fünfeinhalb Minuten zu dem Highlight der Platte. Obwohl das Jahr noch jung ist, mag hiermit die Liste der Songs des Jahres eröffnet sein. Alan Darby war an der Komposition von zwei Songs ("Joyful Misery", "At Least We Still Fight") beteiligt. Er spielte unter anderem für Steve Harley, Mark Knopfler, John Martyn, Robert Palmer oder Bonnie Tyler Gitarre. Für eine andere Bonnie hat er Songs geschrieben. Ergeben sich daraus eventuell Parallelen zur amerikanischen Künstlerin? In gewisser Weise ist es so, allerdings eröffnet die Finnin schon jetzt andere Spielwiesen, sodass ein Vergleich hier wohl etwas hinken würde.
In den Linernotes schreibt Erja Lyytinen unter anderem: »Music and blues is a therapy for so many of us and helps us to get through so many obstacles. This is he fruit of our labour, not forbidden at all, so please take a bite and enjoy!« Aber gerne doch, möchte man der Musikerin zurufen. Das Album hat seine Brillanz nicht unbedingt in der Gesamtspielzeit von knapp dreiundvierzig Minuten. Wie bereits angedeutet wurde, ist Erja Lyytinen meines Erachtens auf dem bestens bestellten Weg, R&B, Soul und Blues zu einer umwerfenden eigenen Mischung verschmelzen zu lassen.
Nicht nur weil "Change Of Season" mit über siebeneinhalb Minuten der längste Track des Albums ist, entwickelt diese Nummer erst nach dem einen oder anderen zusätzlichen Spin eine volle Pracht. Melancholie, Melodie und ein Gitarrenspiel zum Niederknien offenbaren sich dem Hörer wie eine sich im Zeitraffer entfaltende Blüte in der wärmenden Morgensonne. Der lange Instrumentalteil, eine Wiese für fantastische Spielereien, gehört Lyytinens Sechssaiter und der Orgel. Neben den musikalischen Möglichkeiten der Protagonistin muss man der Band ebenfalls ein großes Lob aussprechen.
"Forbidden Fruit" enthält genau die passende Musik für aufgeschlossene, vorurteilsfreie Hörer. Erja Lyytinen hat aus meiner Sicht einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht. Das Album ist sowohl vom Gitarrenspiel als auch gesanglich eine überzeugende Platte, die man ohne Einschränkung weiterempfehlen kann.
Line-up:
Erja Lyytinen (lead guitar, acoustic guitar, electric guitar, slide guitar, keyboards, vocals)
Davide Floreno (acoustic guitar, electric guitar, backing vocals)
Harri Taittonen (keyboards, Hammond organ, piano)
Roger Inniss (bass, double bass)
Miri Miettinen (drums, percussion, backing vocals)
Tracklist
01:Joyful Misery [E. Lyytinen/A. Darby] (4:27)
02:Hold On Together [E. Lyytinen] (3:55)
03:At Least We Still Fight [E. Lyytinen/A. Darby] (3:30)
04:Forbidden Fruit [E. Lyytinen] (5:30)
05:Death Letter [Eddie J. Jr. House] (4:37)
06:Change Of Season [E. Lyytinen/D. Floreno] (7:39)
07:Jealousy [E. Lyytinen] (3:58)
08:Press My Button [Lil Johnson] (4:23)
09:Things About Coming My Way [DP, arranged by H. Whittaker/J.T. Williams] (4:43)
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