Roger McGuinn's Thunderbyrd
Rockpalast - West Coast Legends, Vol. 4
Rockpalast - West Coast Legends, Vol. 4 Spielzeit: 72:00
Medium: DVD
Technische Daten:
Bildformat: 4:3
Sound: Dolby Digital
Videoformat: DVD 5
Region Code: 0
FSK Altersbeschränkung: Keine
Label: MIG Music, 2010 (1977)
Stil: Rock


Review vom 07.08.2010


Markus Kerren
Nachdem die Auftritte von Rory Gallagher und Little Feat von der 1. Rockpalast-Nacht ja schon seit Jahren auf DVD erhältlich sind, erschien dieser Tage - MIG Music macht's möglich - endlich auch der Auftritt von Roger McGuinn's Thunderbyrd auf diesem Medium. McGuinn, dessen ersten Solo-Jahre von 1973 - 1975 von eher moderatem Erfolg bestimmt waren, erlebte dann jedoch durch die Teilnahme an Bob Dylans Rolling Thunder Revue einen neuen Frühling und immensen Inspirations-Fluss. Mit Musikern, die ebenfalls bei dieser Tour dabei waren, nahm er 1976 dann sein - meiner Meinung nach - bestes Soloalbum "Cardiff Rose" auf. Und auch ins Folgejahr 1977 konnte er dieses Hoch mitnehmen. Er stellte eine neue Band zusammen und nahm ein weiteres sehr gutes, schlicht Thunderbyrd betiteltes, Album auf.
Dass die Truppe in dieser legendären 1. Rockpalast-Nacht als Headliner auf der Running Order stand, war sicherlich berechtigt, für die Amerikaner aber auch etwas anstrengend, da der Auftritt dadurch erst in den frühen Morgenstunden des 24. Juli beginnen konnte. Den vier Musikern ist jedoch nichts anzumerken, während sie ihren Set mit einem beherzten "Lover Of The Bayou" (der Nummer, die mich vor vielen Jahren zum Byrds-Fan werden ließ) startet. Ziemlich schnell fällt auf, dass der Sound für diese DVD-Ausgabe deutlich verbessert wurde. Spätestens bei dem lang gezogenen Gesang zum Ende jeder Strophe des Openers, bei dem das furchtbare Feedback der Original-Show entfernt werden konnte.
Direkt im Anschluss folgt dann mit den Tracks "American Girl", "Mr. Spaceman" und den zusammengefügten Titeln "Why Baby Why/Tiffany Queen" die heißeste Phase des gesamten Konzertes. Die Band feuert hier aus allen Rohren und ist einfach nur glühend heiß. Adrenalin fließt in Strömen und McGuinns Augäpfel quellen immer wieder besorgniserregend weit aus ihren Höhlen, was eventuell auch an etwas übertriebenem Genuss von Vitamin C gelegen haben kann. Dass davon in dieser Nacht einiges im Umlauf war, wissen wir ja spätestens seit den Reviews zum
Auftritt von Little Feat aus der gleichen Nacht.
Der Legende nach war McGuinn wie vom Blitz getroffen, als er zum ersten Mal Tom Pettys "American Girl" hörte. Er war der Meinung, dass dies eigentlich sein Song, bzw. perfekt wie für ihn gemacht sei. So kommt die Version dieses Abends dann auch sehr intensiv rüber. Mit Rick Vito war ein bereits damals überdurchschnittlich starker Solo-Gitarrist am Start und die Funken fliegen nur so. "Mr. Spaceman" wurde gar mit zwei Soli von jeweils einem der beiden Gitarristen gebracht und wie die Band den Übergang aus dem Vito-Solo für "Why Baby Why" zum anschließenden "Tiffany Queen" bringt, ist einfach nur Weltklasse. Das ist auf die Hundertstel-Sekunde getimt, was alles andere als einfach ist, wie jeder bestätigen kann, der schon mal halbwegs ernsthaft in einer Band gespielt hat.
Greg Thomas am Schlagzeug und der Bassist Charlie Harrison (der auch sehr gute Background Vocals beisteuert) spielen grundsolide und liefern einen klasse Job ab, bleiben aber meistens im Hintergrund. Zugeschnitten war das Konzert ganz klar auf McGuinn und Rick Vito, der sogar bei zwei Songs ("Juice Head" sowie "Midnight Dew") den Leadgesang übernehmen durfte/wollte/sollte. Selbst wenn es dann ab der Dylan-Nummer "Golden Loom" wieder etwas gemäßigter zugeht, so bleibt es weiterhin sehr inspiriert und speziell Rick Vito steht regelrecht unter Feuer. Neben dem klasse gebrachten "Chestnut Mare" (die letzten Hit-Single der Byrds von 1970), bei dem Rick Vito den besten Clarence White gibt, den er drauf hat, kommen mit den bereits erwähnten "American Girl", "Why Baby Why", "Golden Loom" und "We Can Do It All Over Again" sowie "Dixie Highway" auch ca. die Hälfte der Stücke des damals aktuellen Studioalbums zum Zuge.
"Shoot Him", das damals brandneu war und von McGuinn für den Soundtrack eines Kinofilms geschrieben wurde, hält, wenn es auch nicht zu den Highlights des Morgens gezählt werden kann, das hohe Qualitäts-Level und nach einer sehr coolen Version des Byrds-Klassikers "I Feel A Whole Lot Better" zieht sich die Band dann erstmal zum Verschnaufen zurück. An den Percussions war übrigens Sam Clayton von Little Feat für die letzten vier Nummern des regulären Sets eingeladen worden, der den Gesamtsound ebenfalls noch bereicherte.
Als Zugabe wurden die großen Byrds-Hits "Turn, Turn, Turn", "Mr. Tambourine Man" und "Eight Miles High" gewählt, die auch schön zelebriert werden. Aber die Luft ist zu diesem Zeitpunkt irgendwie ein bisschen raus und die Musiker sind erschöpft, obwohl sie speziell bei dem letzten Stück noch mal einen guten Zacken zulegen.
Ach ja, am Boden hatte mich diese DVD übrigens sprichwörtlich auch. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als ein vollkommen Adrenalin übersteuerter Rick Vito während "Mr. Spaceman" kurz vor dem Solo Rogers seinem Chef ein beherztes »PICK IT, MCGUINN!!!« zukommen lässt. Diese Majestäts-Beleidigung, als Bandleader einen Befehl zu erhalten, wirft den guten Roger doch tatsächlich vollkommen aus der Bahn. Sein Solo spielt er zwar einwandfrei, aber seine Mimik dabei ist einfach nur schreiend komisch. Vollkommen verwirrte, bzw. verdutzte Blicke in Richtung Vito, ins Publikum, dann frontal in die Kamera und schließlich wieder zu Vito waren bzw. sind eine Großattacke auf meine Lachmuskeln, die mir, während ich diese Zeilen schreibe, immer noch wehtun. Herrliche Situationskomik, so was kann man nicht schauspielern!
Zur technischen Seite: Bei der Restaurierung des vorliegenden Materials wurde das Hauptaugenmerk ganz offensichtlich auf den Sound gelegt, der tatsächlich stark verbessert wurde. Die Bildqualität ist nicht wirklich gut (die bekannten Streifen im Bild, manchmal sieht das auch ziemlich grobkörnig aus). Leider gibt es auch kein Bonus-Material, obwohl McGuinn damals ja vor seinem Auftritt die halbe Nacht mit dem Rockpalast-Team verbrachte. Aber okay, das könnte durchaus rechtliche Gründe haben. Wollen wir also nicht meckern, wenn wir schon die Hintergrundinformationen nicht haben. Die einzige Kleinigkeit, die mich ansonsten nervt, ist, dass McGuinn hier und da ("Lover Of The Bayou", "Chestnut Mare") - und das auch nur stellenweise - wirklich viel zu viel Hall auf den Gesang gelegt wurde.
Fazit: Ein wirklich richtig geiles Konzert mit einem bestens aufgelegten Roger McGuinn, einem vollkommen losgelösten Rick Vito und den stark groovenden Charlie Harrison und Greg Thomas, einer ganz wunderbar unterhaltsamen Setlist und einem sehr guten Sound. Da kann unter dem Strich trotz ein paar kleinen Kritikpunkten eigentlich nur 'Absolute Kaufempfehlung' stehen.
Line-up:
Roger McGuinn (lead & background vocals, guitar)
Rick Vito (lead guitar, background vocals, lead vocals - #6,8)
Charlie Harrison (bass, background vocals)
Greg Thomas (drums)

Mit:
Sam Clayton (percussion - #9,10,11,12)
Tracklist
01:Lover Of The Bayou
02:American Girl
03:Mr. Spaceman
04:Why Baby Why/Tiffany Queen
05:Golden Loom
06:Juice Head
07:Chestnut Mare
08:Morning Dew
09:Dixie Highway
10:We Can Do It All Over Again
11:Shoot Him
12:Feel A Whole Lot Better
13:Turn, Turn, Turn
14:Mr. Tambourine Man
15:Eight Miles High
Externe Links: