Osada Vida / The After-Effect
The After-Effect Spielzeit: 47:01
Medium: CD
Label: Metal Mind Records, 2014
Stil: Art Rock

Review vom 09.12.2014


Steve Braun
Osada Vida ist sicherlich eine der ambitioniertesten Bands der daran bestimmt nicht armen polnischen Progressive-Szene. Mit "The After-Effect" legt der Fünfer dieser Tage sein mittlerweile fünftes Studioalbum vor.
Erneut häutete man sich: War es vor Jahresfrist der großartige Sänger Marek Majewski, mit Particles seinen Einstand feiernd, der eine angenehme Weiterentwicklung brachte, so fällt diese Rolle diesmal Jan Mitoraj, dem neuen Mann an der Gitarre, zu. Dieser hatte Anfang des Jahres den langjährig tätigen Bartek Bereska ersetzt und weckt - für meinen Geschmack - deutlich melodischere Nuancen in Osada Vidas Kompositionen. Zudem tat er sich bei "The After-Effect" als Aufnahmeleiter und Arrangeur für das Streichquartett hervor.
Mit Adam Podzimski räumte bei der Gelegenheit auch gleich der Schlagzeuger seinen Schemel und machte für Marek Romanowski Platz.
Osada Vida wird bekanntlich mit einem ganzen Strauß von Stilrichtungen in Verbindung gebracht. In erster Linie mündet dies alles auf "The After-Effect" in anspruchsvollem Art Rock, der sich zwischen melodisch-eingängigen und eher härter rockenden Passagen bettet. Mal klingt diese Gemengelage sehr atmosphärisch, wie im solistischen Mittelteil von "Losing Breath", dann aber auch wieder stakkatohaft 'alternativ-rockend', wie dies konterkarierend unter den Strophen des gleichen Songs eingearbeitet wurde. In "Lies" spendiert man den progressivmetallischen Grundstrukturen einen in jazzige Gefilde abgleitenden Mittelteil. Dies alles verdeutlicht: Osada Vida zieht ganz unterschiedliche Register und nutzt die sich daraus ergebenden Möglichkeiten in kompositorischer Hinsicht durchaus virtuos!
Aber genau diese Umstände erleichtern den Hörer den Genuss von "The After-Effect" nicht gerade. Wenn man sich gerade richtig 'eingegroovt' glaubt, können abrupte Stilwechsel sich als Schlag ins Kontor erweisen. Das mag der eine - wie besonders eindrücklich im abschließenden Longtrack "No One Left To Blame" - als besonders vielschichtig, der andere als etwas überambitioniert oder gar wirr empfinden.
Was den erneut positiven Gesamteindruck von "The After-Effect" keinesfalls schmälern soll. Die hohe Musikalität von Osada Vida ist einmal mehr beeindruckend...
Der heftig ballernde, aber progressiv versetzte Alternative-Rocker "King Of Isolation" ist eines der Stücke, die noch am ehesten an die Vorgängeralben angelehnt scheint. Ansonsten wurden die progressivmetallischen Elemente eindeutig zurückgefahren, bilden eigentlich nur noch Versatzstücken in anderen Kontexten. Am nachdrücklichsten noch im teilweise heftig riffenden "Haters" - vielleicht auch in "Lies", wobei hier die Gitarren- und Pianosoli im Mittelteil eindeutig in jazzrockige Fahrwasser abdriften. Dafür haben sich vermehrt melodische Art Rock-Klänge ausgebreitet, die allerdings jeglichen Ansatz von 'Überzuckerung' zu vermeiden wissen. All diese verschiedenen stilistischen Ziselierungen werden ebenso von den sehr wärmenden Orgelklängen wie durch die angenehm-organischen Pianoklangfarben der Keyboards zusammengehalten, die den klassisch ausgebildeten Pianisten Rafal 'r6' Paluszek nicht verleugnen können und wollen.
"Sky Full Of Dreams" und "Losing Breath" glänzen mit den weich gewebten Klängen eines Streichquartetts, das diesen beiden, mit durchaus hymnischem Charakter angereicherten Stücken, eine ebenso zauberhaft-überirdische Luftigkeit zu verleihen vermag, wie dem sinfonisch angehauchten "I'm Not Afraid". Besonders cool entwickelt sich dabei der Mittelteil von "Losing Breath", bei dem sich sogar die flirrende Leichtigkeit mancher US-Jambands entfaltet. Diese drei kleinen Meisterwerke haben sich als meine Favoriten von "The After-Effect" herausgeschält.
Ob allen Freunden der früheren Alben Osada Vidas die gezielte Kurskorrektur 'schmecken' wird? Jeder wird das anders sehen - deshalb ist meine subjektive Sicht vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss. Mir gefällt jedenfalls Jan Mitorajs Einstand und der damit verbundene Schritt aus der Prog Metal-Ecke heraus, in die polnische Bands bekanntlich ganz gerne gestellt werden. 'Ausbruchsversuche' und jegliche Formen von Grenzüberschreitungen finde ich ohnehin immer spannend. Macht Euch am besten ein eigenes Bild...
Line-up:
Marek Majewski (vocals)
Jan Mitoraj (guitars, string quartet arrangements)
Rafal 'r6' Paluszek (keyboards)
Lukasz Lisiak (bass)
Marek Romanowski (drums)

Special Guests:
Agnieszka Sawicka (first violin)
Jakub Kowalski (second violin)
Anna Krzyzak (viola)
Wojciech Skóra (cello)
Tracklist
01:King Of Isolation (3:50)
02:Sky Full Of Dreams (4:31)
03:Still Want To Prevaricate? (3:05)
04:Lies (5:34)
05:Dance With Confidence (1:11)
06:I'm Not Afraid (5:46)
07:Losing Breath (5:00)
08:Restive Lull (5:41)
09:Haters (4:31)
10:No One Left To Blame (7:52)
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