Mir ist es egal ob wir gerade in Wacken, Santa Barbara oder Wiesbaden spielen
Im Gespräch Interview mit Tommy Victor von Prong, u.a. über Touren, musikalische Vielfalt, Sport und uncoole Kollegen im Rahmen des 9. Eier mit Speck-Festivals in Viersen.

Fotos: ©Katrin Tielmann

Interview vom 17.08.2014


Udo Gröbbels
Seine alten Helden zu treffen, ist immer eine spannende Sache. Ist der Herr Musiker heute schlecht drauf, hat er schlecht geschlafen, muffelig oder einen Jet Leg? Tommy Victor hat zwar nach eigener Aussage letzteres, aber er ist sehr höflich, entspannt und später äußert redselig. Beste Voraussetzungen also, um in seinem Garderobencontainer auf dem Festivalgelände mal etwas über alte und neue Zeiten zu plaudern.
Tommy RockTimes: Willkommen wieder in Deutschland. Das ist schon die zweite Tour in diesem Jahr durch unser Land und Ende des Jahres kommt ihr erneut, zusammen mit Overkill, zu uns. Magst du Deutschland so sehr oder bist du nur toursüchtig?
Tommy: Beides natürlich (lacht). Aber du hast schon recht - ich bin toursüchtig. Wir versuchen so viele Gigs wie möglich zu spielen. Uns ist auch egal ob wir in Deutschland, Holland oder Island spielen. Hauptsache, da sind Leute sie uns hören wollen. Eigentlich wird es immer besser, denn man lernt mehr und hat mehr Möglichkeiten zu spielen. Aber es ist schon so etwas wie eine Sucht (lacht erneut).
RockTimes: In Deutschland ist euer im Frühjahr erschienenes Album "Ruining Lives" das erfolgreichste seit "Rude Awaking" aus dem Jahre 1996. Ist das aktuell so etwas wie ein zweiter Frühling für euch oder eine Art zusätzlicher Schub?
Tommy: Nein, das würde ich nicht so sehen. "Ruining Lives" ist meiner Meinung nach ein sehr gutes Album, aber ich schaue schon wieder nach vorne und habe das Album - ehrlich gesagt - schon wieder etwas aus meinem Focus genommen.
Tommy und Udo RockTimes: Mir gefällt besonders die Produktion des Albums. Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Metal-Produktion klingt "Ruining Lives" nicht so steril und überproduziert wie manch anderes aktuelles Alben.
Tommy: Das liegt daran, das ich mir kaum aktuelle Produktionen anhöre und das dann auch nicht umsetze. Ich mag immer noch gerne alte Punk-Platten, beispielsweise von den Buzzcocks oder den Stranglers. Dort hole ich mir meine Inspirationen her und weniger aus dem Metal-Bereich. Manche Leute glauben, dass man mit teurem Equipment und einem tollen Studio automatisch bessere Musik produziert. Das ist natürlich Quatsch, denn im Endeffekt sind es die Songs. Hör dir nur mal die ganz alten Slayer-Platten an. Die klingen furchtbar, aber die Songs sind toll.
RockTimes: Bist du etwas stolz auf die Tatsache, dass man Prong nicht so einfach in ein Genre stecken kann und dass ihr euch immer um Vielfalt und Abwechslung bemüht habt?
Tommy: Darüber habe ich nie groß nachgedacht. Ich komme wie gesagt aus der Punk-Ecke, aber mag auch Sachen wie King Crimson. Daher war immer klar, dass ich verschiedene Stile in Prong integrieren will. Wir wollten ja auch nie eine normale Thrash Metal-Band sein. Ich glaube, dann gäbe es uns auch schon gar nicht mehr.
Tommy RockTimes: Aber kann Vielfalt nicht manchmal auch etwas hinderlich sein? Du hast doch sicherlich auch Ideen, die man so mit einer Band wie Prong nicht umsetzen kann, oder?
Tommy: (grübelt etwas) Das ist eine gute Frage. Einerseits haben wir mit Prong schon viel experimentiert und auch schon in den 90ern Elektro-Remixe anfertigen lassen, aber natürlich ist man etwas gefangen in seinem eigenen musikalischen Korsett. Slayer beispielweise haben das auch versucht mit Experimenten und sind dann aber jetzt wieder auf zu alten Stil zurückgekommen. Unsere letzte Produktion war auch etwas experimenteller und "Ruining Lives" ist wieder etwas gradliniger ausgefallen. Man darf den Fans ja auch nicht zuviel zumuten, aber unsere Fans sind da hart im Nehmen (lacht).
RockTimes: Du bist Gründungsmitglied und einzig verbliebendes Urmitglied. Dadurch stehst du natürlich immer im Focus und alle schauen auf dich. Nervt das manchmal und genießt es du es dann, wenn du mal als Tourmusiker bei Danzig oder Marilyn Manson nur in der zweiten Reihe stehst?
Tommy: Nein, ich genieße das schon, im Focus zu stehen. Das kommt meinem riesigen Ego sehr entgegen (lacht schallend). Aber ehrlich - das ist mir nie so bewusst. Ich kenne es halt bei Prong nicht anders und das ist eben eine Entwicklung im Laufe der Jahre gewesen. Meine aktuellen Mitmusiker wissen auch, dass ich Prong bin, aber sie schaffen es immer wieder geschickt, auch eigene Ideen in die Songs mit einfließen zu lassen, ohne dass ich es bewusst merke.
Tommy und Udo RockTimes: Hier gibt es gerade auf dem Eier mit Speck-Festival eine große musikalische Vielfalt. Ist das für euch eine Herausforderung auch Nicht-Metal-Fans mit eurer Musik zu erreichen? In den USA sind die Festivals doch eher selten genreübergreifend, denke ich.
Tommy: Ja, das stimmt. So eine bunte Mischung wie hier gibt es bei uns kaum. Auch wenn es abgedroschen und klischeehaft klingt, aber das stört mich alles nicht mehr. Es ist mein Job und ich versuche einfach eine gute Zeit zu haben. Zuletzt haben wir in Wiesbaden gespielt und es war nichts los. Das passiert uns aber auch in den USA. In Santa Barbara waren zuletzt gerade mal zehn Zuschauer. Wenn ich aber auf Tour bin und die Bühne betrete, bin ich in meiner Welt wie in einer Blase isoliert. Da ist es dann egal ob zehn Leute oder 5000 Leute schreien. Das Konzert ist natürlich immer das beste am Touren, denn aktuell ist es echt hart. Wir haben in drei Tagen jede Menge Kilometer zurückgelegt, mit dem Bus oder mit dem Zug. Gestern haben wir noch in Slowenien gespielt und heute ganz im Westen von Deutschland. Das schlaucht schon, aber es macht auch - wie gesagt - immer noch Spaß (grinst).
RockTimes: Damit hast du eigentlich auch schon meine nächste Frage beantwortet, denn ich wollte wissen, ob du eurem Auftritt in einer Woche in Wacken schon freudig entgegenblickst, aber das hast du ja jetzt schon selbst erklärt.
Tommy: Genau. Aber ich denke, dass Wacken auch viel gehypt wird, wie durch unseren Tourmanager oder auch durch Leute wie dich (lacht). Natürlich kennt jeder das legendäre Wacken-Festival, aber es ist auch nur eine Bühne und wir machen Musik, wie alle anderen Musiker dort auch. Daher halte ich den Mythos 'Wacken' für etwas übertrieben.
RockTimes: Zum Schluss habe ich noch eine Frage, die sicherlich viele Fans interessiert. Heute ist es ja fast schon üblich, dass Bands zu einem Jubiläum eines ihres berühmten Alben nochmals als Jubiläums-Edtion, remastered und mit Outtakes oder Bonustracks, herausbringen. Euer 1994er Album "Cleansing" (Anmerkung: Unter anderem mit dem Klassiker "Snap Your Fingers, Snap Your Neck") wird dieses Jahr zwanzig Jahre alt. Habt ihr etwas in dieser Richtung geplant?
Tommy Tommy: Gute Frage und das ist prima, dass ich da mal etwas zu sagen kann. Ich habe gehört, dass die alte Plattenfirma so etwas plant, aber wir haben darauf leider keinen Einfluss. Wir haben uns, wie viele andere Musiker auch, seinerzeit mit einem beschissenen Plattenvertrag über den Tisch ziehen lassen und ich habe noch nicht mal mehr Masterbänder oder die Veröffentlichungsrechte an diesen Songs. Daher müssen wir halt sehen, was die Plattenfirma von damals macht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir, wie es andere Bands auch gemacht haben, das Album mal live am Stück spielen (grübelt). Das ist eine gute Idee nebenbei bemerkt. Ich denke mal drüber nach. (Anmerkung: Tommy ist jetzt nicht mehr zu bremsen und erzählt ohne Punkt und Komma). Das mit dem Plattendeal ist aber auch typisch für die Band, denn wir wurden nie so recht für voll genommen. Ich schreibe beispielsweise noch nebenbei für das amerikanische "Revolver"-Magazin. Die ignorieren Prong völlig, weil wir eben nicht hip sind und Scheißfrisuren haben (lacht). Ich schreibe für das Magazin, aber über Sport und nicht über Musik. Lustigerweise haben die mal eine Umfrage unter den Lesern nach den besten Alben aus dem Jahre 1996 gemacht. Auf Platz eins war "Antichrist Superstar" von Marilyn Manson und auf Platz zwei waren wir mit "Rude Awaking". Ich habe denen dann mitgeteilt, dass ich auf beidem Platten mitgespielt habe (lacht), aber das hat die auch kalt gelassen. Aber besser so wahrgenommen zu werden, als ein Typ wie Vince Neil oder Bret Michaels von Poison zu sein, über den sich alle lustig machen.
Prong live RockTimes: Sehe ich auch so. Dann lieber über Sport schreiben (jetzt lachen alle im Container).
Tommy: Ja, ich sehe das alles mittlerweile gelassen. Aber zum Schluss noch eine Anekdote zu Bret Michaels: Als sich Prong damals zwischenzeitlich auflösten, kam ein alter Schulfreund auf mich zu. Er arbeitet in einer Videofirma und Bret Michaels hatte dort erfahren, dass er mich kennt. Er wollte unbedingt meine Nummer haben, da er mit mir zusammen Songs schreiben wollte. Ich habe dann nur gesagt, dass mich dieser Typ um Himmels willen in Ruhe lassen soll. Wo kommen wir denn da hin (lacht). Mittlerweile sitzt Bret Michals aber in diversen Jurys und hat seine eigene Reality-Show. Er macht also richtig Kohle und ich muss immer noch überall live spielen. Aber wie gesagt - typisch Prong halt. Die große Kohle machen immer die anderen (grinst).
Wir bedanken uns bei Alena Benthack von Seaside Touring für die unkomplizierte Interview-Akkreditierung und bei Miranda Dubbeldam vom 'Eier mit Speck'-Team, das uns vor Ort bestens unterstützt hat.
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