Anfang 2008 hab ich den Würzburger Markus Rill unseren Lesern vorgestellt, der als einziger heimischer Künstler auf dem renommierten Blue Rose-Label vertreten ist. Noch ist das Jahr nicht rum und schon wieder liegt eine neue Scheibe des wohl 'amerikanischsten' deutschen Singer/Songwriters in meinem Player, diesmal allerdings als Eigenproduktion. Ein reines Coveralbum, deswegen wohl als separates Projekt. Wie es dazu kam, ist im Booklet nachzulesen und wie das über weite Strecken hinweg als digitale Kooperation mit diversen Kollegen funktionierte (sowie jede Menge interessanter Informationen über die anderen Rill-Produktionen in Nashville), findet sich in unserer Kolumne "Was ich noch erzählen wollte:".
Also kann ich mich hier auch auf das Resultat an sich beschränken und es relativ kurz machen. Markus schreibt, das Album kam per Zufall zustande, besser gesagt, diverse Aufnahmen durch verschiedene Zufälle. Sein langjähriger Partner und Mit-Produzent Andi Obliego, auch als Einziger neben dem Hauptmacher auf allen Songs mit seiner hervorragenden Tastenarbeit zu hören, hat ihn überzeugt, diese verschiedenen Tracks als Cover-Album zu veröffentlichen.
Nun, deshalb sollte man es auch nicht allzu kritisch mit den sonstigen Werken des Songschmieds vergleichen, das sind zwei paar Schuhe. An der Qualität fehlt es keineswegs, wir hören feine Interpretationen, die er mit verschiedenen Partnern auf die Spuren gebracht und gekonnt abgemischt hat. Der Grundtenor ist Rill-typisch Moll-ig, es gibt ein paar Kracher (wie den Opener und die beiden Chuck Berry-Nummern), Lagerfeuer-Romantik und auch ein paar Schnulzen, die aber gut zusammenpassen. Dass der Unterfranke, trotz aller eigenen Vorbehalte gegen diese Form der Kollaboration, bei der Arbeit in den Nashville-Studios auch darüber viel gelernt hat, das ist unverkennbar. Das Album klingt rund und keineswegs 'zusammengestückelt'. Da braucht es schon ein sehr aufmerksames und geübtes Ohr, um ein paar leicht 'sterile' Stimmungen auszumachen.
Der rote Faden ist natürlich Rills markante Stimme, die er immer betont 'rootsig' einsetzt, mal raunzig, mal rockig, mal brüchig; mal auch nach bekannten Vorbildern klingend und manchmal wohl auch bewusst bis an den Rand der Persiflage. Die bunte Mischung der doch meist relativ bekannten Szene-Titel (samt deren Original-Interpreten) macht es dem Hörer leicht, seine Favs rauszusuchen. Manches ist sicher persönliche Geschmackssache, aber in dem "Bag Of Tricks" sind auf jeden Fall genug echte Perlen dabei. Es gibt viel zu entdecken, schon bei den Kollegen, allen voran dem ebenfalls unlängst reviewten Dennis Schütze an der E-Gitarre sowie auch bei verschiedenen Titeln am Mikro und natürlich Label-Buddy Todd Thibaud ("Tender Mercies").
Man kann das Album getrost auch an einem entspannten Abend nebenher laufen lassen und wird dann bei den jeweiligen Lieblingstracks mit der Lautstärke und der Repeat-Taste spielen. Bei mir fängt das mit "Can't Help Falling in Love" an, ich mag diese sentimentalen Sachen einfach. Genauso wie die "Ghost Riders" - die alte Western-Schmonzette wird schön aufgewärmt und dafür hat der Markus auch das passende Whiskey-Timbre. Einer meiner Lieblingssongs überhaupt ist "If I Were A Carpenter" von Tim Hardin. Es gibt davon wirklich fürchterliche Versionen (auch von in RockTimes-Kreisen sehr verehrten Mikrophon-Quälern …), aber diese hier gehört eindeutig zu den gelungenen mit reichlich Twang. Das transatlantische Duett zwischen dem unterfränkischen Tramp und der blonden Schönheit Sunny Sweeney mit ihrem glockenhellen Texas-Kehlchen wird jedem aufrechten Country-Fan vor lauter Rührung feuchte Augen bescheren. Mit dem wirklich klasse interpretierten Dylan-Song "Not Dark Yet" schließe ich meine Einzelbetrachtungen.
Es wäre wirklich jammerschade gewesen, wenn diese Songs unfertig oder weitgehend unbeachtet in irgendwelchen Privatarchiven liegen geblieben wären. Denn diese Trickkiste macht wirklich Spaß, auch wenn es jemand mit der Durchnummerierung der Songs auf dem Booklet nicht so ganz genau genommen hat!
Das Album ist nur bei Konzerten und über die Homepage von Markus Rill (siehe unten) erhältlich!
| Tracklist |
01:Kill Will
02:Can't Help Falling In Love
03:Ghost Riders In the Sky
04:If I Were A Carpenter w/ Sunny Sweeney
05:Not Dark Yet
06:Brown-Eyed Handsome Man w/ Dennis Schütze
07:I Still Miss Someone
08:Guitar Town
09:Tender Mercies w/Todd Thibaud
10:Nadine
11:Understand Your Man/Don't Think Twice w/ Dennis Schütze
12:Fade Away
13:Six Days On the Road
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