Matt Roehr
Friends & Relatives - Out Of The Great Depression
Friends & Relatives - Out Of The Great Depression Spielzeit: 59:00
Medium: CD
Label: Ear Books, Edel Germany, 2010
Stil: Rock

Review vom 07.04.2010


Wolfgang Giese
Matt(hias) Roehr (Röhr) wurde am 16.4.1962 in Frankfurt am Main geboren. Seit seinem 17. Lebensjahr war er Mitglied der 2006 aufgelösten Band Die Böhsen Onkelz. Im April 2007 erschien die erste Soloplatte, Barra Da Tijuca, unter anderem in Studios in Brasilien und in den USA aufgenommen. Ein Livealbum folgte und nun das hier vorliegende, aufgenommen in Phoenix/Arizona.
Mit Piano, dezenter Perkussion und einer Gitarre, die etwa wie jene von David Gilmour klingt - so beginnt die Platte mit "Yard House Nights". Das Stück ist instrumental und geht über in einen mit Rickenbacker-Sound beginnenden Vokal-Titel, der umrahmt wird von einem im Hintergrund agierenden Bläserarrangement. Die Musik groovt leicht auf rockiger Basis, das ist Rock typisch amerikanischer Prägung, sehr lebendig und mit guten Vokalharmonien ausgestattet, dazu eine satte Gitarre: Ein sehr eingängiger Titel in 'Popnähe', teilweise wirkt er leicht überarrangiert, gut, dass die Bläser sich dezent im Hintergrund halten.
"Perfect Days" eröffnet wieder mit Bläsern, mich erinnert das spontan an ein altes Stück von
Jody Grind, was mich zu der Aussage führt, dass die Musik viele Elemente auch aus den Sechzigern und Siebzigern enthält. Hier, bei diesem Titel, der im Gitarrenspiel Anklänge an
John Cipollina enthält und ein wenig von der Band Terry & The Pirates mit im Gepäck hat, gelingt mir sofort ein 'Zugang', weil - das ist lebendig und unkompliziert und versprüht im Gegensatz zum Titel der Platte nicht im Geringsten so etwas wie Depression, sondern Zuversicht und (Spiel)freude.
Interessant, wie sich die Bläserarrangements fortsetzen, ich bin überrascht und hätte das nicht erwartet. Aus meiner Sicht ist das eine klare Aufwertung der Musik. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es recht 'altmodisch' zugeht, aber in sehr angenehmen Sinne. Große Harmonie wird versprüht, die Musik ist 'dicht' und 'überschaubar', einfach und nicht unkompliziert, dabei aber in der Ausführung durchaus packend und sehr interessant.
Ich wäre nicht ohne weiteres auf ein Projekt aus deutschen Landen gekommen. Nun gut, ist es ja auch nicht, wo es doch in Arizona aufgenommen wurde. Aber ein Frankfurter ist es schließlich, der verantwortlich zeichnet. Und mit den Böhsen Onkelz kann man hier nicht den geringsten Zusammenhang bemerken!
Als Single aus dem Album wurde "Fuel Into The Fire" gewählt, und - mit Verlaub - das war nicht unklug, denn es ist ein eingängiger Titel.
Zum Gesang Roehrs ist zu sagen, dass er nicht vordergründig, sondern eher breit gestreut ist, mit vielen Background-Arrangements, es passt ideal zur Musik, hier eine spontane Parallele zu ähnlichen Arrangements bei Hüsker Dü, und - doch, "Warehouse Songs And Stories" … an dieses Album muss ich manchmal denken.
Es ist für mich keine Nummer speziell herauszuheben, die Platte bildet in ihrer Gesamtheit eine gute Einheit. Schön finde ich aus persönlichen Gründen natürlich immer wieder, wenn sich gar ab und zu so etwas wie härterer Byrds-Sound einschleicht, und zwar immer dann, wenn offensichtlich eine elektrische 12-String zum Einsatz kommt.
Sehr widersprechen muss ich den Ausführungen im Pressetext von Edel Germany, wo es heißt: »Matt Roehr verfolgt auf dem aktuellen Werk noch stärker die klassischen Singer/Songwriter-Elemente ... «.
Dieses typische Element mag zwar ganz leicht im Ansatz auftauchen, doch im Kern ist das ganz einfach Rockmusik. Und aus meiner Sicht sogar handwerklich sehr gut gemachte!
Fusionelemente mischen sich in den Instrumentaltitel "Bet On Tomorrow", bei dem die Keyboards auch einmal Dominanz vorlegen können. Auch das Saxofon darf mal ran. Roehr beweist hier, und nicht nur hier, dass er seine Gitarrenkünste sehr vielseitig und abwechslungsreich einsetzen kann. Schön romantisch-verspielt verabschiedet er sich dann mit "TGIF", das kenne ich als Abkürzung für 'Thank God It's Friday'.
'Thank God It's Finished' sollte es nicht heißen, denn die Platte kann man gern wieder hören.
Fazit: Ein sehr schönes Pop-Rockalbum mit Betonung auf Rock, mit einigen überraschenden Elementen, und guter Ausstrahlung. Vielleicht mag es ja auch ausschlaggebend gewesen sein, dass in den USA aufgenommen wurde und dass einige Gäste aus den Staaten das Album positiv abrunden.
Line-up:
Matt Roehr (guitar, vocals)
Stephan Weiler (grand piano, B3, Rhodes, Wurlitzer, clavinet)
Glaucio Ayala (drums, percussion)
Marcelo Linhares (bass)

Special Guests:
Charlie Huhn (vocals, background vocals)
Mike Smith (pedal steel guitar)
Kurt Finchum (trumpet)
Doug Robinson (trombone)
Jerry Donato (saxophone)
Tracklist
01:Yard House Nights
02:You Ain't Me
03:Perfect Days
04:Come Down Hard
05:Fuel Into The Fire
06:Cancion De La Esperanza
07:Come On In
08:Bet On Tomorrow
09:The Hook
10:There Ain't Nobody
11:Dead Cat Bounce
12:Pretty Things
13:Practice What You Preach
14:Cancion Para Una Belleza
15:TGIF
(all songs written by Matt Roehr)
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