Stier / Live In Concert 2011
10.06.2011, Kulturbunker, Köln-Mülheim
Rocktimes Konzertbericht
Stier
Live In Concert 2011
Kulturbunker, Köln-Mülheim
10. Juni 2011
Stil: Neue Deutsche Härte


Review vom 14.06.2011


Steve Braun
Stier»Keine Angst, der beißt nicht,« sage ich - schwer beeindruckt von der kolossalen Erscheinung des 'Bären aus Bad Ems' - zu meiner Frau, kurz bevor wir Martin Stier vor der Show im Kölner Kulturbunker die Hände zur Begrüßung schütteln. »Der will nur Reden...« (wahlweise auch "Tanzen"). Auf dieses Wiedersehen nach ziemlich genau dreißig Jahren hatte ich mich derartig gefreut, dass ich schon den ganzen Tag aufgeregt wie ein pickliger Pennäler war.
StierIm Rahmen der Tour zum Debütalbum, "Ausbruch" (1980), das die Band nach ihrem Gewinn des Nachwuchspreises der Deutschen Phonoakademie (dem heutigen Echo) bundesweit bekannt machte, hatte ich die Törner Stier Crew 1981 dreimal live gesehen. Diese Auftritte haben sich derart eingebrannt, dass ich noch heute glänzende Augen bekomme, wenn von dieser herrlich chaotischen Anarchotruppe die Rede ist. Es war mir im vergangenen Jahr eine große Ehre, mit Martin über diese Zeit reden zu dürfen. Aber die Zeit ist nicht stehen geblieben...
2011 sind von der alten Crew noch Tastenmann Charlie Steinberg, der immer noch genauso verschmitzt wie seinerzeit hinter seiner 'Burg' hervorblinzelt, und Tieftöner Walter Stoever, der seinen Spitznamen 'Diesel' nach wie vor mit Fug und Recht trägt, an Bord. Den Altersdurchschnitt der »ältesten Nachwuchsband Deutschlands« (O-Ton Stier) senken Gitarrist Lee C. Pinsky und Schlagwerker Tom Guenzel beträchtlich. Man kann es aber auch als eine Art 'Frischzellenkur' betrachten, denn der Routine der 'alten Hasen' machen diese 'jungen Igel' gewaltig Beine! Es ist vor allem C. Pinsky, dem man seine musikalischen Wurzeln als Punker heute noch anmerkt, der richtig 'Strom' in Stier bringt.
StierNDH - Neue Deutsche Härte: Dieses Branding mag man Stier nur zu gerne 'aufpappen'. Hier paaren sich
brachial-metallische Klänge mit dem Punk der Anfangsjahre - wohlgemerkt: Das herbe No future-'Zoix' ist hier gemeint - politischer Punk, wie von den Straßenjungs aus Frankfurt oder den Crackers. Dazwischen schleicht sich immer wieder der Schalk aus dem Nacken früherer Törner Stier Crew-Tage. Mann kann halt nicht raus aus seiner Haut »und das ist auch gut so!«
StierNach einem instrumentalen Intro kam im Kölner Kulturbunker - übrigens einer sehr coolen Location - gleich mein Lieblingssong der letztjährigen "Reden!"-Scheibe: "Es ist Winter". Stoever pumpte mit seinem Fünfsaiter diesen enorm druckvollen Hard-Rocker nach vorne. Sägende Riffs C. Pinskys wechselten sich mit wabernden Synthieklängen Steinbergs ab, um Martins markant-männlichen Gesang zu untermalen. Ohne Frage: ein Hammersong! Live ebenso, wie auf dem Album...
Man merkt es Martin Stier als Schauspieler an, dass er eine ausgebildete Stimme hat - nicht im gesanglichen, sondern im sprachlichen Sinne. Er versteht es, seine Texte regelrecht und im wahren Wortsinn 'auszudrücken' und mit seiner Tonlage, dem tiefsten Bass, direkt in den Bauch zu zielen und... zu treffen.
Zwei weitere, punkig geprägte Songs, "Diesesmal" und "Reden!", leiteten auf das nächste Highlight, das höllisch abrockende "Gier", über. Kernige Riffs und ein knalliger Bass standen wie eine zusätzliche Wand im Kulturbunker. Stier widmeten den Song den im gut gefüllten Saal wohl kaum anwesenden Bänkern; jedenfalls gaben diese sich - hoffentlich gewaltig eingeschüchtert - nicht zu erkennen. Mit einer der eingängigeren Nummern, "Auf der Flucht", machten uns die Stiere den Richard Kimball, um danach mit "Übers Meer" die erste Ballade zu setzen. Martin verarbeitete hier wohl seine Erfahrungen als Seemann. Danach nahm man sich Ratzinger, das "Kirchenoberhaupt", zur Brust - völlig klar, dass hierbei der oberste Verhütungs-Verhüter nicht besonders gut wegkam.
StierMit "Ich weiß alles über Dich" und "Online macht süchtig" wurde die 'Generation Facebook' treffsicher aufs Korn genommen, bevor mit zwei herrlich-schrägen Punksongs auf den wohl witzigsten Stier-Song, auf den bestimmt alle im Publikum gewartet hatten, übergeleitet wurde: "Ich will Dich küssen", aber den Fernseher bitte schön anlassen. Nicht nur bei dieser Nummer war die Interaktion auf der Bühne mitreißend: Die Fünf hatten richtig Spaß!!
"Tanzen" und "Stalker" beendeten den regulären Teil des Sets, doch es war schnell klar, dass das Publikum nicht gewillt war, die Stiere frühzeitig in den wohlverdienten Feierabend zu schicken. Ohne zwei Zugaben wäre wohl keiner der restlos begeisterten Fans nach Hause gegangen.
Fazit: Die fast dreistündige Anreise hatte sich mehr als bezahlt gemacht. Stier nahmen uns alle gewaltig auf die Hörner. Wohlgemerkt wohltönend, denn der neue Mann am Mischpult, Werner Renz, machte einen tollen Job, in dem er bewies, dass richtig geiler Hard Rock keinen Tinnitus zur Folge haben muss!
Wenn die Jungs in eurer Nähe spielen sollten: Nix wie hin... und komme mir keiner damit, er hätte nix davon gewusst. Aktualisierte Tourdaten Stiers findet Ihr stets in unseren Tourterminen. Im besonderen dürfen sich die W:O:A-Besucher freuen, wo Stier am 4. August 2011 die W.E.T. Stage abzufackeln gedenkt!
Line-up:
Hans-Martin Stier (vocals)
Lee C. Pinsky (guitar, background vocals)
Charlie Steinberg (keyboards, acoustic guitar, background vocals)
Walter Stoever (bass)
Tom Guenzel (drums)
Tracklist
01:Intro
02:Es ist Winter
03:Diesesmal
04:Reden!
05:Gier
06:Auf der Flucht
07:Über's Meer
08:Kirchenoberhaupt
09:Online macht süchtig
10:Du tust uns weh
11:Pain In The Ass
12:Ich will Dich küssen
13:Tanzen!
14:Stalker
Zugaben:
15:Johnny
16:Scan You
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