Strawberry Fields / Live
Strawberry Fields Live Spielzeit: ca. 75 Min. (Konzert), ca. 24 Min. (Bonusmaterial)
Medium: DVD
Technik:
Bildformat: 16:9
Soundformate: Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 2.0

Label: Metal Mind, 2012
Stil: Neo Prog

Review vom 04.06.2012


Boris Theobald
Wenn Wojtek Szadkowski nicht gerade eine neue Hauptband oder ein neues Nebenprojekt gründet, dann spielt er auch mal live! So hat der Urheber von Gruppen wie Collage, Satellite und Travellers im April 2011 eine Handvoll Mitmusiker ins Theater von Katowice gezerrt, um seine Band Strawberry Fields 'lebendig' werden zu lassen. Da ist keiner dabei, der nicht auch schon mal bei Satellite aufgetaucht wäre, außer natürlich Sängerin Marta Kniewska alias Robin. Sie ist Stimme und Markenzeichen der Band und sicherlich auch einer der Beweggründe, sich die Live-DVD zuzulegen. Wie wird sich die dunkle Lady mit ihrer geheimnisvollen Stimme denn optisch präsentieren?
Nun, sie tut das ebenso unauffällig-grazil, wie auch ihr Gesang auf dem bislang einzigen Album Rivers Gone Dry rüberkommt. Da mag man sagen: Okay, das passt. Aber es ist schon 'ein wenig wenig' Bühnenpräsenz vorhanden. Ein bisschen mehr Gestik, ein bisschen mehr Kommunikation, sei es körperlich oder verbal, wäre wünschenswert gewesen. Es sei ihr aber auch verziehen; die Dame hat keine große Bühnenkarriere hinter sich - für sie sind Kameras Neuland. Stimmlich ist Robin allerdings souverän bei der Sache - innerhalb ihres Spektrums. Die Songs sind ja weder technisch noch konditionell sonderlich herausfordernd - aber um so mehr kommt es auf die Wirkung an; und die stimmt.
Der Mix aus psychedelischen Atmosphären, hartem Riffing und unterkühlten Computerloops, den man vom Album kennt, wird 'live on stage' noch ein Stück weit fühlbarer. Die Lichteffekte tragen ihren Teil dazu bei - ein Mix aus melancholisch ineinander fließenden Farben und nervösen Stroposkop-Effekten. Die zweite Gitarre, gespielt von Michal Kirmuc, macht das Live-Erlebnis sogar noch ein wenig rockiger als in der Studiofassung. Den Eindruck bekommt man gleich zu Beginn bei "Open Your Eyes", wo diese modernen, scharfkantigen und absolut unverstaubten Heavy-Riffs heftig auffallen - aber auch das finale Duell mit dem frickelnden Keyboard Krzysiek Palczewskis ist sehr hörenswert.
Bei den Stücken, welche die eher experimentelle Seite der Band in den Vordergrund stellen, fühle ich mich beim Sehen und Hören plötzlich an Fiona Apple erinnert, zumindest phasenweise. Dieser Eindruck stellt sich zum Beispiel bei den monoton, Trance-artig ablaufenden Loops von "Maybe" ein, oder auch bei "Your Story" mit seinen technisierten, melancholischen Samples sowie spannungsgeladenen Gitarren- und Streicherklängen. Dazu noch der plötzlich so intensive, harmonische, warme Chorus mit klasse Melodie - dieses Stück ist herrlich impulsiv und ein fesselndes Erlebnis, und alles läuft über diesem surreal wirkenden Marimba-Loop ab - definitiv der Höhepunkt, schräg und spannend!
Für Fans natürlich auch interessant: die Satellite-Nummern "Don't Walk Away In Silence" und "Is It Over" sowie der Collage-Song "Living In The Moonlight" (starkes Psychedelic-Stück mit imposanter Steigerung!) in der Version von Strawberry Fields mit weiblichen Vocals. Und mit "Problem" ist ein bislang unveröffentlichtes Stück dabei, das eigentlich mal für das Album geschrieben wurde, aber hinten runter fiel - ist aber ein guter Song mit einem typischen, stoisch-rockenden Drive. Trotz allem lande ich am Ende, alles überblickend, nochmal bei meiner Kritik. Robin markiert nicht gerade die Frontfrau. Es fehlt damit jemand, der mit dem Publikum kommuniziert, zumal Bandchef Wojtek Szadkowski ja verhindert ist - der 'Held vom Erbeerfeld' sitzt hinter den Drums.
Nach dem sechsten Song sagt Robin zwei Sätze auf Polnisch, spricht vor dem ruhigen Schlusstrack eine ganz offenbar traurige Widmung und setzt sich gedankenversunken auf den Bühnenboden - allerdings nachdem der Gesang schon abgefeiert ist. Ansonsten macht sie ab und an ein paar Schritte und besucht bei "Your Story" mal kurz kopfwackelnd den Gitarristen. Bei diesem Highlight reißt es sogar die Sängerin mit - aber darüber hinaus nicht. Und dank ihrer schüchternen Abwesenheit vergehen ein paar Passagen des Konzerts, zum Beispiel bei "Beautiful" oder "Flow" in... sagen wir 'linearer Beschaulichkeit' ('Langeweile' wäre auch wieder zu hart). Zu oft wird deutlich, wie beschränkt Robins stimmliche Veranlagung ist - trotz des gewissen Zaubers klingt sie halt immer gleich.
So bleibt die Live-DVD von Strawberry Fields ein Fall für echte Fans, die allerdings ganz sicher nicht enttäuscht werden. Den freilich bestehenden Geheimtipp-Status können Strawberry Fields jedoch nicht weiter ausbauen. Durchaus sehens- und hörenswert innerhalb des Bonusmaterials (Bilder, Bio ...) sind die Interviews mit Wojtek und Robin (auf Polnisch mit englischen Untertiteln). Da erzählen beide davon, wie sie sich kennengelernt haben. In einer Bar ... Wojtek suchte da noch einen Sänger - während des Gesprächs wurde aus dem Sänger eine Sängerin, und der Abend muss ungefähr mit diesen Worten geendet haben: »Ich weiß nicht, ob du singen kannst oder nicht, aber du wirst meine Sängerin!«
Line-up:
Robin (vocals)
Sarhan Kubeisi (guitar)
Michal Kirmuc (guitar)
Krzysiek Palczewski (keyboards)
Jarek Michalski (bass)
Wojtek Szadkowski (drums)
Tracklist
01:Open Your Eyes
02:Close
03:Fool
04:Maybe
05:Rivers Gone Dry
06:Problem
07:Beautiful
08:Flow
09:Your Story
10:Don't Walk Away In Silence
11:Living In The Moonlight
12:Is It Over
Externe Links: