Anthony Williams / Spring
Spring Spielzeit: 38:55
Medium: CD
Label: Blue Note Records, 1965/2009
Stil: Jazz

Review vom 30.03.2009


Joachim 'Joe' Brookes
Nach dieser Platte hatte der Jazz-Drummer Tony Williams, damals noch mit vollem Vornamen, Anthony, vier Jahre ins Land gehen lassen, bevor er mit seinem 'Hilferuf' Emergency zurück in die Öffentlichkeit fand.
Wer den internen Link nicht angeklickt hat, sei geschrieben, dass unser geschätzter Kollege Wolfgang seine Rezension mit einer Frage einleitete: »Wer hat denn nun die erste Jazz Rock-Scheibe veröffentlicht???«
Er lässt die Frage offen im Raum stehen. Genau so fühlt man sich auch bei dem zweiten Album des ehemaligen Miles Davis-Drummers, denn mit Jazz Rock hat "Spring" nichts gemein.
Zur Zeit der Aufnahme-Sessions gerade 19 Jahre alt, hatte er mit "Life Time" (1964) bereits sein Debüt bei Blue Note im Kasten.
Im Unterschied zum Erstling ist der Saxofonist Wayne Shorter neu an Bord, obwohl der Schlagzeuger und der Saxofonist schon auf eine gemeinsame Tätigkeit bei Davis zurück blicken konnten.
Alle fünf Songs wurden von Williams geschrieben.
Der erste Track ist eine gigantische Ton-Collage der beiden Ausnahme-Saxofonisten Shorter sowie Sam Rivers.
Herbie Hancock ist auf diesem Stück nicht vertreten. Williams herausragendes und besonderes Spiel an den Drums wird bereits in den ersten acht Minuten, denen er den Titel "Extras" gegeben hat, mehr als deutlich. Die Variationen des Tempos und die Behandlung der Becken sowie Felle mit den Jazzbesen ist beeindruckend. In diesem Track gibt es ein Solo-Intermezzo des jungen Drummers, begleitet von Peacock am Kontrabass.
Rivers als auch Shorter, die Haupt-Akteure im Opener, spielen nicht viel gemeinsam. Shorter hört man im rechten Kanal und Rivers entsprechend im linken.
Ein konkretes Song-Thema existiert nicht.
Shorters Solo, immer in Begleitung von Peacock sowie Williams, entnimmt man eine gewisse Melodik, auch wenn, sowohl sein, als auch Rivers' Spiel nichts für schwache Nerven ist.
Kontrabassist Peacock übernimmt den nächsten Solo-Part und er legt einen feinen Groove hin. Fließend ist der Übergang zu Rivers' Solo. Er hat einen wesentlich barscheren Saxofon-Gestus drauf und in seinem treibenden Spiel geht er an die Grenzen der höchsten Töne. Die beiden Holz-Bläser fordern die gesamte Aufmerksamkeit des Hörers ein, sodass man schon hier weitere Durchläufe braucht, um Williams' genialem Drumming Herr zu werden. "Extras" beendet er ganz alleine, sodass eine gelungene Überleitung zu "Echo" entsteht.
Diese Nummer gehört ausschließlich dem Schlagzeuger. Ein fünfminütiges Solo des jungen Drummers, in dem er die Feinform seiner Technik präsentiert. Er spielt mit Sticks. Genießen ist angesagt. Wahnsinn wie er mit den Tempi jongliert. Äußerst genau kommen die rüber und der Einsatz der Becken ist mehr als hörenswert, denn hier vermag er eine vollendet gemalte Klangwelt an die Ohren des Hörers zu bringen.
"From Before" ist dann der erste Song in voller Besetzung, also mit dem Pianisten Herbie Hancock. Aus einer kurzen melodischen Unisono-Einleitung der Saxofone entwickelt sich ein prickelndes Hancock-Elaborat. Die Holzbläser haben sich verabschiedet und über einem nicht richtig zu fassenden Tempo der Rhythmus-Abteilung ist diese Nummer zunächst die Sache vom Hancock, der in seinen Wanderungen über die Tasten auch verträumte Momente aufblitzen lässt. Nachdem Shorter und Rivers den Pianisten ein Stück begleiten, beendet Hancock das Stück ganz alleine.
Im Quartett, ohne Shorter, legt Rivers ein herrlich sanftes Thema vor und dieser Song swingt ungemein. Die Saxofon-Phrasierungen sind einerseits sanft, verfügen anderseits über eine gewisse Härte. "Love Song" beinhaltet darüber hinaus ein tolles Hancock-Solo, in dem er, über einem flexiblen Rhythmus, herrlich improvisiert.
Anthony Williams' zweite Platte endet mit dem längsten Track, der "Tee" heißt und ist ein tonales Abenteuer.
Beide Tenor-Saxofone sind wieder aktiv. Shorter bestreitet dabei den Löwenanteil und das Stück verdeutlicht wohl bestens, was der Schlagzeuger und seine Begleiter in der damaligen Zeit an Stil ausloteten. Ein Song, der gerade wegen des Peacock-Solos am Ende enorm hörenswert ist.
Erstaunlich allemal, was der 19-jährige Anthony Williams mit seinem "Spring"-Album ablieferte. Ein gutes Album, in dem sich die Musiker profilieren, allerdings auch nebeneinander agieren.
Line-up:
Anthony Williams (drums)
Wayne Shorter (tenor saxophone - #1,3,5)
Sam Rivers (tenor saxophone - #1,3,4,5)
Herbie Hancock (piano - #3,4,5)
Gary Peacock (bass - #1,3,4,5)
Tracklist
01:Extras (8:05)
02:Echo (4:56)
03:From Before (6:49)
04:Love Song (8:21)
05:Tee (10:29)
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