Weed / Same
Weed Spielzeit: 31:20
Medium: CD
Label: SPV (Philips), 2008 (1971)
Stil: Kraut Rock, Prog Rock


Review vom 09.01.2010


Markus Kerren
Okay, zugegeben: Der Casting-Wahnsinn greift tatsächlich seit den achtziger Jahren immer stärker um sich. Eine brandneue Idee war diese Geschäftspraktik allerdings auch schon vor 25 oder 30 Jahren nicht mehr. Wer in den Siebzigern etwa dachte, die Bay City Rollers wären fünf Schulfreunde gewesen, die sich zunächst nach den Hausaufgaben immer im Proberaum trafen, bevor die große Karriere startete, wer in den Sechzigern der Ansicht war, dass sich die Monkees nicht erst im Aufnahme-Studio zum ersten Mal begegnet sind um dann staunend den alten Hasen zuzuschauen, wie sie anonym die Monkees-Nummern einspielten, der lag gründlich daneben. Von Village People will ich hier erst gar nicht reden, aber selbst die Original-Version von Deep Purple war ein künstlich zusammengestelltes Geschäfts-Projekt, mit dem sich ein finanzkräftiger Sponsor im Hintergrund den großen Reibach versprach.
Soviel zur illusionsraubenden Wahrheit. Und auch das hier zu besprechende Projekt, bzw. die Band (die keine war) mit dem Namen Weed, war ein vollkommen künstliches Gebilde, das außer einem kurzen Studio-Aufenthalt und ganz wenigen Konzerten (ohne Hensley), wie z.B. im
Langelsheimer Beat Club, in etwa so lebendig war, wie die Flora und Fauna in Tschernobyl im Jahr 1986. Es war einfach so, dass der Uriah Heep-Keyboarder Ken Hensley aus seiner Zeit in Hamburg noch viele Kontakte und dazu ein chronisch leergeräumtes Bankkonto hatte. Im Norden Deutschlands gab es also Geldgeber, die ein hippes Album auf den Markt bringen wollten, aber keine Songs hatten. Da Hensley jede Menge Songs, aber keine Kohle hatte, zögerte er keine Sekunde, als man ihn von der Hansestadt aus anrief und fand seinen Weg zwischen den Uriah Heep-Alben Salisbury und Look At Yourself im April 1971 in die an der Elbe gelegene Metropole.
Sämtliche sechs Tracks wurden von Hensley komponiert und eingesungen, wobei er sehr wahrscheinlich auch sämtliche Keyboards und die Rhythmus-Gitarren eingespielt hat. Kurioserweise taucht allerdings weder sein Name im Booklet auf, noch ist Ken auf dem dort abgebildeten Bandfoto zu sehen. Die Vermutung liegt nahe, dass man hier einfach nur eine Handvoll junger Männer fotografiert hat, die ansonsten nichts mit dieser Scheibe zu tun hatten. Als sicher gilt eigentlich nur, dass der Schlagzeuger Peet Becker (Ex-The Witch) für die Drum-Spuren verantwortlich war. Darüber hinaus dürfte wahrscheinlich noch ein Lead Gitarrist am Start gewesen sein, der Rest könnte auch von Hensley alleine aufgenommen worden sein. Aber wie dem auch sei, kommen wir zur Musik.
Die ist nämlich, entgegen der oben genannten Umstände, sehr stark ausgefallen. Beim Opener "Sweet Morning Light" schreit es geradezu an allen Ecken und Enden nach Uriah Heep. Angefangen von der mächtigen Orgel, bis zu den Heep-typischen Gesangsmelodien und -Harmonien sowie dem Wechselspiel zwischen druckvollen Heavy-Passagen und eingestreuten langsameren Parts. Sehr schön dann das sanfte, von der Akustik-Gitarre geprägte "Lonely Ship", bei dem Hensley einmal mehr seine Sangeskünste unter Beweis stellt. "My Dream" startet mit einem gut dreiminütigen psychedelischen Intro, bevor es sich in einen weiteren Heep'schen Rocker entwickelt, inklusive aller (abgesehen von Byrons Gesang) Qualitäts-Merkmale der britischen Vorzeige-Rocker.
Bei "Slowin' Down" springen wir dann auf den Boogie Rock-Zug auf, der eine sehr coole Mischung zwischen Heep und den frühen Status Quo darstellt. Von dem her ein sehr gelungenes, flottes Stück, bei dem richtig schön die Post abgeht und gerockt werden darf. Mein persönlicher Favorit hört auf den Namen "Before I Die", das eine schwere, melancholische sowie psychedelische Stimmung rüberbringt. Ganz im Zeichen seiner Zeit, von der Atmosphäre her vergleichbar mit den frühen Jane, UFO ("Melinda") oder eben Uriah Heep selbst. Der Titeltrack schließt die mit einer guten halben Stunde eindeutig zu kurz geratene Scheibe dann gebührend ab. Ein Instrumental mit feinem Jam-Charakter und tollen Einlagen aller Musiker, die daran beteiligt waren.
Laut Original-Ton Ken Hensley war dies ein Album, das er schon wieder vergessen hatte, sobald das dafür ausgehandelte Honorar auf seinem Konto eingegangen war. Außerdem hatte er, wenn überhaupt, so gut wie gar keine persönliche bzw. emotionale Beziehung zu diesen Aufnahmen. Umso erstaunlicher daher, wie gut das einzige Album von Weed letztendlich geworden ist. Es gibt keinen Ausfall zu vermelden und zumindest "Before I Die" ist eine absolute Klasse-Nummer. Ken Hensley machte sich direkt danach an die Arbeit zum Uriah Heep-Album "Look At Yourself", mit dem die Band dann den endgültigen Absprung in die erste Rock-Liga schaffte. "Weed" mag ein Kuriosum geblieben sein, macht aber auch heute noch tierisch Spaß und ist eine Bereicherung für die Liebhaber der bereits weiter oben aufgeführten Klänge.
Line-up:
Ken Hensley (keyboards, guitars, vocals)
Peet Becker (drums)
Reinhold Spiegelfeld (bass)
Bernd Hohmann (flute)
Werner Monka (guitars)
Rainer Schnelle (keyboards)
Tracklist
01:Sweet Morning Light
02:Lonely Ship
03:My Dream
04:Slowin' Down
05:Before I Die
06:Weed
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