Es ist doch immer wieder spannend was passiert, wenn sich zwei alte Haudegen (aus welchen Gründen oder Umständen auch immer?) plötzlich zusammen tun, um einfach mal ein Album aufzunehmen und zu sehen, was dabei so heraus kommen könnte. Dass da durchaus Erfreuliches und sogar richtig Gutes passieren kann, durften Rock-Fans immer wieder mal (vorausgesetzt sie haben überhaupt irgendwie von diesen Veröffentlichungen Wind bekommen) feststellen. Um nur zwei Beispiele in die Runde zu werfen, seien hier mal das einzige Album von Romeo Dog (Rose Tattoo-Gitarrist Pete Wells und Ex-Two Bit Thief-Frontmann Andy Anderson) sowie die einzige Scheibe der Last Ditches (The Hearbreakers-Gitarrist Walter Lure und das New York City-Urgestein Binky Philips) genannt. Und nun? Bei James Williamson handelt es sich selbstverständlich um den ehemaligen Gitarristen der Stooges, der nach dem Zusammenbruch der Band für einige Zeit auch weiter mit Iggy Pop zusammenspielte. Deniz Tek war der Frontmann von Radio Birdman, einer der ersten australischen Punk-Bands, der alleine deshalb (zumindest in seiner Heimat) Kult-Status besitzt.
Spielt Alter bei Rockmusikern eine Rolle? Kommt – wie immer – drauf an, denn wie Williamson und Tek auf diesen insgesamt elf Tracks ihre Gitarren malträtieren und krachen lassen, an den genau richtigen Stellen dann wieder mit tonnenweise Feeling bearbeiten, zaubert einfach zwangsläufig ein Lächeln in das Gesicht des Rezensenten. Keine Frage, ein Können und Wissen, das vor langer Zeit erworben wurde und wahrscheinlich von Anhängern des modernen Rock als 'lasch' abgewunken wird. Den Verfasser dieser Zeilen treffen diese Gitarren jedoch genau auf die Zwölf, sie sprudeln und funkeln deutlich mehr als das meiste, was er von heutigen sogenannten 'harten' Bands so auf die Ohren bekommt. Ein Zauberwort heißt 'Feeling', das andere 'Sound'. Die elf neuen Kompositionen der beiden Hauptprotagonisten rocken wie Sau, sind darüber hinaus durchaus melodisch, biedern sich jedoch zu keinem Zeitpunkt an. Ein süchtig machendes Gebräu von ungebrochener Kreativität und der Souveranität, sich so zu präsentieren, wie man es für richtig hält.
Ich will "Two To One" aber auch nicht zu einem absoluten Killer-Album verklären, weil es leider auch zwei Schwachpunkte gibt. Diese betreffen erschwerend beide den Gesang von Deniz Tek. Zum einen hört er sich bei einigen Songs sprichwörtlich etwas zahnlos an (worüber man ja noch milde lächelnd hinwegsehen könnte), zum anderen ist – ganz sicher auch dem Alter geschuldet – nicht mehr allzu viel Kraft in der Stimme übrig geblieben. Aber der Australier macht das Beste daraus, was bedeutet, dass man sehr gut mit seinen Vocals leben kann, wenn man das Große Ganze betrachtet und auch das bereits erwähnte Alter berücksichtigt. Ich möchte gar nicht großartig auf einzelne Songs eingehen, da hier alles wie aus einem Guss klingt, herrlich rockt, erfrischend abwechslungsreich arrangiert wurde und einfach zusammenpasst wie der sprichwörtliche Ar… auf den Eimer.
Na gut, wer sich unbedingt mal was zum Antesten reinziehen will, dem würde ich das coole "Liar", den starken Rocker "Progress", das mit Teks Harmonika verfeinerte "Small Change", den prickelnden Opener "Jet Pack Progress" … wenn ich jetzt weitermache, habe ich am Schluss alle elf Tracks aufgezählt. Klar ist, dass "Two To One" keine fünfstelligen Verkaufszahlen und auch keinen riesengroßen Hörerkreis mehr erreichen wird. Dennoch kann ich die Scheibe jedem Rock-Fan empfehlen, der die Herangehensweise und den Ausdruck der Rock-Musik eines lange vergangenen Jahrzehnts nach wie vor zu schätzen und lieben weiß. Und wären Williamson und Tek vierzig oder fünfzig Jahre jünger und würden den ganzen lästigen Business-Kram (den die Maschinerie so mit sich bringt) noch mitmachen, dann würde "Melissa Blue" ganz sicher auch zu einem Top10-Hit werden. Garantiert!
Line-up James Williamson & Deniz Tek:
James Williamson (guitars)
Deniz Tek (guitars, harmonica, lead vocals)
Michael Scanland (bass)
Michael Urbano (drums & percussion)
With:
Nicholas Francis Stein (keyboards)
Petra Haden (background vocals)
Andrea Wasse (background vocals)
Tracklist "Two To One":
- Jet Pack Nightmare
- Progress
- Take A Look Around
- Good As One
- Stable
- Climate Change
- Birthday Present
- Small Change
- Liar
- No Dreams
- Melissa Blue (bonus track)
Gesamtspielzeit: 38:47, Erscheinungsjahr: 2020



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