Das Begleitmaterial informiert: »Das Album ist in einem Van entstanden….« Und weiter: »…ist es ein Album über den Saft, der die Crowd zum Tanzen bringt und über den Rauch, der die Gedanken auflöst.« OK, wenn wir das mit dem Tanzen mal weglassen, klingt es fast genauso, wie mir Ax Genrich mal die Entstehung des "Elektrolurchs" von Guru Guru erklärt hat.
Ich erwähne das keinesfalls wegen irgendeiner Ähnlichkeit zwischen den beiden musikalischen Ansätzen. Es ist aber ein unzweifelhafter Beleg dafür, wie coole Musiker damals wie heute ihre besten Ideen produzieren und wie sie mit dem leben, was sie am liebsten tun. Eben nicht wie wir Sesselfurzer in einem langweiligen Büro – damit meine ich ganz und gar mich selbst! Nein, der Traum vom Rock’n’Roll lebt auf der Straße, er ist wild, nicht planbar und stammt aus den Tiefen unseres Daseins. Wohl dem, der diesen Traum leben kann.
Wilde Projekte aus dem Bereich Blues und Blues Rock sind mir ja nicht ganz fremd. Die Karriere von Seasick Steve und seine einzigartig anarchischen Platten verfolge ich lange und mit Begeisterung und Christian Jäger, der eigentlich so aufgeräumt und zielorientiert wirkende Drummer von Space Debris hat mir damals gelegentlich von seinem Chaos-Blues-Duo Laurel & Laurel erzählt. Der hat dabei auf ollen Pötten aus dem Koffer getrommelt, völlig abgefahren, was man alles machen kann. Seinerzeit wollten wir ja mal eine gemeinsame Bergtour am Riemann-Haus in Österreich durchziehen und insgeheim hatte ich schon damit geliebäugelt, mit Christian am Kochtopf und Tommy an der hütteneigenen Klampfe neue musikalische Horizonte zu entdecken; im Abendlicht und im Schatten des Breithorns. Dafür hätte ich sogar gejodelt. Wäre bestimmt geil geworden – die Jungs von Space jedenfalls, nicht mein Gejodel.
Der Opener "Two Dollar Elvis" trägt ein wenig Govt Mule-Groove in sich und die lässige Slide-Guitar beschwört die Geister rauf, die uns auf diesem Album begleiten werden. Alle kurz und knapp gehalten. So weist "Shake And Bake" einen erstaunlich treibenden Rhythmus zwischen Soul und Blues aus, den man eigentlich gar nicht erwartet hatte. Nein, hier kokettiert die Band neben den wilden Slide-Fahrten mit einem sehr eingängigen Drive. Und der groovt und groovt.
Insgesamt kommt das Album sehr kompakt und aufrichtig daher, der Blues entwickelt sich in jeder Stimmungslage glaubwürdig, rau und effektsicher. Hier agieren Musiker, die sehr wohl wissen, was sie tun, sehr schön zu beobachten in "Breaking You Down". Ohne spektakuläre Ausritte, immer passend beieinander treibt ein schön dreckiger Gesang bei wechselnden Stimmungen vier und sechs Saiten zu atmosphärischen, aber stets beim Thema bleibenden Hooks. Und gleich drauf steuert eine herrliche Slide-Guitar den "Smooth Commander" durch die Sümpfe. Eine gewisse Beschwingtheit lässt sich nicht leugnen und wird durch sporadisches Keyboard schön unterstrichen.
Da ich über die Erdverbundenheit des Projekts und der Old School–Mentalität der Band orientiert bin, überrascht mich "Roll Me" mit seinem funky Rhythmus, den man fast ein Stück weit bei den Red Hot Chili Peppers ansiedeln könnte. Also das ist mal eine Reminiszenz, die ich nicht erwartet hatte. Und wenn wir gerade dabei sind, muss ich endlich los werden, dass Freddy hier und da stimmlich an einen gewissen Herrn Stan Webb erinnert.
Mit "Sweat Love To Shine" finde ich schon wieder ein paar Mule-Gene, was für eine Freude, der Song entwickelt seine ganz eigene Freiheit, breakt und eskaliert mit geiler Slide-Gitarre. Das möchte ich gerne mal live erleben. Und dann gibt es Mule! Nein, nicht Gov’t Mule, sondern eine klassische Adaption von "Mule Plow Line", ein Pat Thomas-Cover, wenn ich es richtig recherchiert habe. Es erinnert mich dran, endlich mal den wundervollen Soundtrack von "Oh Brother Where Art Thou" nach dem genialen Film von den Coen-Brothers zu besprechen. Amerikanische Roots-Musik vom aller Allerfeinsten!
Schön treibender Bluesrock in "The Waltz" lässt die Muskeln entspannen und ein wenig driften, vielleicht wie bei ZZ Top?
Und zuletzt geben sie uns noch einmal eine Breitseite. "Detroit House Party" geht ab wie die Schmitzens Katze, mit Slide und Drive und Boogie Woogie. Da (in Detroit) hat ja schon Ted Nugent sein Unwesen getrieben, kein Wunder also, wenn es laut wird. Das Inferno endet aber allzu rasch und wir warten verzweifelt auf weitere Blues-Explosionen. Die kommen dann auf dem nächsten Album oder beim nächsten Konzert.
Wer die Musik von Moreland And Arbuckle schätzt, wird hier sehr glücklich werden!
Es geht nichts über erdig kernige Musik, da wo man das Gefühl hat, sie kommt direkt aus unserem Erleben und vor allem aus den Tagen, die gar keine gute Tage waren. Dieses Gefühl vermitteln mir Left Lane Cruiser ganz vorzüglich. Ich selbst werde den Highway nie mit meinen Trieben überfallen können, denn ich habe gar keinen Führerschein und rase dezent mit dem ICE dran vorbei, was auch sehr lässig sein kann.
Dafür krieg ich aber mit, wenn Musik Wurzeln hat und ohne Schaumschlägerei aufbereitet wird. Left Lane Cruiser sind erdiger als die Erde selbst, puristisch und authentisch, aber nicht ohne einen gewissen coolen Hit in Richtung des bluesigen Establishments, denn gar so schräg klingt das nicht. Blues-Feeling und ein gutes Gespür für coolen und echt dreckigen Sound lockt uns auf die Spur einer Art lässig ländlichen Understatements, nur um uns bei den Eiern zu kriegen. Raffiniert, die Jungs!
Line-up Left Lane Cruiser:
Freddy J IV (guitar, vocals, bass)
Pete Dio (drums, percussion)
Jason Davies (organ)
Tracklist "Shake And Bake":
- Two Dollar Elvis
- Shake And Bake
- Smoke Keep Rising
- Breaking You Down
- Smooth Commander
- Roll Me
- Sweat Love To Shine
- Mule Plow Line
- The Waltz
- Detroit House Party
Gesamtspielzeit: 39:16, Erscheinungsjahr: 2019



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