Gov't Mule / Mad Mules & Englishmen
2011/12/31 New York
Mad Mules & Englishmen - 2011/12/31 New York Spielzeit: 234:00
Medium: Download
Stil: Jam'n'Rock

Review vom 12.01.2012


Jürgen Hauß
Und wieder ist ein Jahr zu Ende. Und wieder einmal wurde der Jahreswechsel - zumindest im Beacon Theatre in New York - durch ein zweitägiges Konzert von Gov't Mule im wahrsten Sinne des Wortes 'zelebriert'! Denn nicht anders kann man bezeichnen, was die Jamrocker dort traditionell seit vielen Jahren präsentieren: eine zweitägige Show, die es wahrlich in sich hat!
Wer - wie ich - auch in diesem Jahr nicht dabei war, hat - so las ich kürzlich unter den News auf RockTimes - durchaus Gelegenheit, das Verpasste zumindest musikalisch nachzuholen. Denn über die Homepage von Gov't Mule gelangt man schnell auf eine Seite, über die man beide Konzerte - wie übrigens auch deren Silvestershows der vergangenen sieben Jahre - komplett downloaden kann, und dies für angesichts des gebotenen Materials und des günstigen Wechselkurses (über PayPal auch finanztechnisch kein Problem) durchaus für jeweils schlankes Geld.
Und schon wurde ich einem Vorsatz für das neue Jahr untreu, denn der dem Menschen innewohnende 'Jäger-und-Sammler-Trieb' zwang mich als - zwar erst seit kurzem, dafür aber umso intensiveren - Gov't Mule -Fan geradezu, das Angebot wahrzunehmen! Ein paar Klicks für das Anmelden, und relativ schnell sind 430 MB bzw. - um es traditionell zu formulieren - fast vier Stunden praller Musik (allein für die Silvester/Neujahrs-Show) zusätzlich auf meinem Rechner! Außerdem kann man sich Booklet, Inlet sowie CD-Labels herunterladen, so dass - wer will - eine eigene und vollständige CD-Ausgabe herstellen kann (Ob zu einem späteren Zeitpunkt auch eine Veröffentlichung auf CD erfolgt, erscheint fraglich angesichts der Tatsache, dass auch das Vorjahresevent entsprechend angeboten wurde und wird, ohne dass nachfolgend eine Hardcopy auf den Markt gebracht wurde).
Das Cover ist übrigens eine gelungene Kopie bzw. fortentwickelte Version des vor über 40 Jahren erschienenen Albums "Mad Dogs & Englishmen" von Joe Cocker, aus dessen abgebildetem Spiegel anstelle des seinerzeitigen Protagonisten - bei ansonsten identischer Kleidung und Haarpracht - ein Eselskopf, halt ein Mule, entgegen blickt. Das weist bereits auf eindeutige Art auf das Besondere an diesem Abend hin: Das legendäre o. g. Album wurde vorliegend komplett nachgespielt, und zwar in der Version der Originalpressung und nicht der späteren, sog. "Deluxe-Edition", die im Jahr 2005 mit bis dato unveröffentlichten Demo-, Studio- und Konzertmitschnitten erschienen ist (worauf Warren Haynes im 'Abspann' zu "Soulshine" auch hinweist).
Dramaturgisch ist das Konzert in drei Sets - sowie einem aus einem Titel bestehenden 'Encore-Teil' - eingeteilt (CD-technisch würde das gesamte Material vier CDs benötigen). Teile eins und drei beinhalten Mule-Klassiker bzw. Songs, die die Band regelmäßig bei ihren Silvesterkonzerten spielt. Nun mag man hiergegen einwenden, dass man die x-te Einspielung dieser Songs nun wirklich nicht benötigt. Doch mit einer derartigen Einstellung wird man dem musikalischen Genie dieser Band nicht gerecht. Wie schrieb schon der Gastschreiber-Kollege Volker Fröhmer in seinem Bericht über ein Mule-Konzert im Jahr 2010 so treffend: »Alle Stücke von Gov't Mule besitzen ein Grundgerüst, und das wird teilweise improvisatorisch weiterentwickelt. Riff zwo drei vier und die Jamsession ist in ihrem Element. Und, kein Mule-Konzert gleicht einem anderen Mule-Konzert.«
Fürwahr: Es ist schon ausgesprochen interessant, wie unterschiedlich die Songs jeweils dargeboten werden, insbesondere wenn - lediglich beispielsweise - "Mule" vorliegend in einer 'nur' 8 ½-minütigen Version gebracht wird, während die Band hierfür bei der entsprechenden Veranstaltung vor 13 Jahren 18 Minuten 'benötigte', bzw. umgekehrt, wenn "Thorazine Shuffle", "Sco-Mule" oder auch das gefühlvolle "Soulshine" - ansonsten regelmäßig unterhalb von zehn Minuten zelebriert - hier jeweils deutlich in den zweistelligen Minuten-Bereich ausgedehnt werden.
Doch - zugegebenermaßen - das Bemerkenswerteste an dem vorliegenden Silvesterkonzert ist - wie bereits angesprochen - die Wiedergabe der vollständigen "Mad Dogs & Englishmen"-Scheibe aus dem Jahr 1970. Das Cocker -Album ging in die Musikgeschichte ein als Dokument einer chaotischen, zugleich auch lebendigen Atmosphäre während einer Tournee, die der Sänger aufgrund psychischer und physischer Erschöpfung eigentlich absagen wollte, aus finanziellen Gründen aber durchführen musste (auch wenn sie selbst ebenfalls als finanzielles Desaster beschrieben wird). Der Musiker und Produzent Leon Russell stellte daraufhin innerhalb kürzester Zeit eine bemerkenswerte Band zusammen. Die Songs waren überwiegend Cover-Versionen seinerzeitiger Hits, die auch heutzutage noch hörenswert sind.
Und aktuell? Auch Gov't Mule haben sich für die Wiederaufführung musikalisch verstärkt, wenn auch nicht in der Dimension, die Joe Cocker seinerzeit begleitete. Dennoch klingt das alles verdammt authentisch, einschließlich der Ansage am Ende des einleitenden "Intro". Und wenn man nicht ganz genau hinhört, glaubt man phasenweise wirklich das Original zu hören; selbst die Stimme von Warren Haynes erinnert stark an Cocker! Der Gesamteindruck wird lediglich gestört durch die - der Veranstaltung geschuldete - Begrüßung des neuen Jahres nach "Bird On A Wire" (das zuvor noch um das traditionelle Jahresendlied "Should Auld Acquaintance Be Forgot" ergänzt ist). Wen das wirklich stört, der kann es ja löschen!
Auf die Songs im Einzelnen möchte ich vorliegend nicht eingehen. Lediglich folgende Bemerkungen - da hier Besonderheiten zum Original gegeben sind - möchte ich machen: Nach "Feelin' Alright" wird in einem weiteren, längeren "Intro" unter dem musikalischen Thema des ersten Tracks das zusätzliche Ensemble namentlich und solistisch vorgestellt. Tatsächlich sind offenbar mehr Musiker auf der Bühne als das Booklet ausweist.
Das überlange "Let's Go Get Stoned" besteht ab der Hälfte in erster Linie aus einem Dialog mit einem Girl in der ersten Reihe des Beacon Theatre bzw. über dieses und andere Personen. Schade nur, dass mir die Bilder nicht zur Verfügung stehen, die diesen Part begleitet haben, so dass nicht alles verständlich rüber kommt.
Der nur auf dem Piano begleitete Dylan-Song "Girl From The North Country" wird insofern bemerkenswert interpretiert, als hier Warren Haynes und Matt Abts das Stück gesanglich als Duett darbieten. Nun ja: so sehr ich den letztgenannten als Drummer schätze, so wenig kann er mich als Sänger begeistern.
Den Schluss von "Mad Dogs" und damit auch des vorliegenden zweiten Sets bilden die zu Cocker-Klassikern gewordenen "The Letter" und "Delta Lady". Arrangement und Gesang (einschließlich des Background-Chores) lassen einen Unterschied von mehr als vierzig Jahren zwischen beiden Aufnahmen kaum wahrnehmen.
Die Nähe zum Original wird - leider - auch dadurch verdeutlicht, dass die Aufnahme - wie allerdings das Konzert auch insgesamt - relativ 'dumpf' daherkommt. Ob dies beabsichtigt war, schlechter Aufnahmequalität geschuldet ist oder aber Klangverluste durch die Übertragung der Musik als mp3-Datei verursacht wurden (man kann das Konzert auch in verlustfreien FLAC- bzw. ALAC-Qualitäten, dafür aber nicht komprimiert erwerben), vermag ich nicht zu beurteilen. Aber auch sonstige Aufnahmen von Gov't Mule klingen nicht immer unbedingt so, als ob sie mittels 'Glasharfe' eingespielt worden seien, will sagen: auch diese klingen nicht immer besonders transparent!
Nach dem dritten Set, das wiederum Mule-Klassiker enthält, spielt die Band als Zugabe den Dylan-Song "I Shall Be Released", zu dem Warren Haynes am Ende von "Soulshine" bemerkt, dass dieser im "Mad Dogs & Englishmen"-Film enthalten sei; eine Feststellung, die ich nicht bestätigen kann; auf der DVD ist er jedenfalls - wie auch in der Deluxe-Version der CD - nicht mit dabei. Allerdings hatte Cocker den Song bereits im Jahr zuvor in Woodstock dargeboten, was dessen erneute Präsentation während der "Mad Dogs"-Tournee durchaus wahrscheinlich sein lässt. Jedenfalls ein überzeugender Schlusspunkt!
Übrigens: So ganz neu war die Idee von Gov't Mule offenbar nicht, "Mad Dogs" anlässlich eines Silvesterkonzertes aufzuführen; bereits im Jahr 2009 wurden zumindest "Let's Go Get Stoned" sowie "Delta Lady", zudem auch "With A Little Help From My Friends" präsentiert! Die meisten Songs wurden vorliegend allerdings - worauf auf der Homepage der Band ausdrücklich hingewiesen wird - erstmalig dargeboten, was man der Interpretation wirklich nicht anmerkt.
Mein Fazit? In dieser Zusammenstellung haben Gov't Mule mit ihrem letzten Silvesterkonzert vielleicht nichts Einmaliges, dennoch aber etwas Besonderes geboten. Daher gilt mein herzlicher Dank der Band insbesondere dafür, dass sie dieses Event kurzfristig auch einem größeren Publikum zugänglich gemacht hat.
Line-up:
Warren Haynes (guitar, vocals)
Matt Abts (drums)
Danny Louis (keyboards)
Jorgen Carlosson (bass)

The Assets:
Machan Taylor
Mini Carlsson
Alicia Shakur

The Chronic Horns:
Buford O'Sullivan
Pam Fleming
Jenny Hill
Tracklist
Set 1:
01:Railroad Boy (5:33)
02:Mule (8:34)
03:Thorazine Shuffle (14:28)
04:Brighter Days (9:15)
05:Like Files (7:15)
06:Lay Your Burden Down (6:17)
07:About To Rage (9:39)
08:Slackjaw Jezebel (8:28)
09:King's Highway (5:38)
10:St. Stephen (6:14)
11:Eternity's Breath (2:53)
12:Trane (4:46)

Set 2:
13:Intro (2:39)
14:Honky Tonk Women (3:54)
15:Sticks And Stones (3:20)
16:Cry Me A River (6:47)
17:Bird On A Wire (7:57)
18:New Years Countdown (0:54)
19:Feelin' Alright (9:25)
20:Intro (3:38)
21:Superstar (5:29)
22:Let's Go Get Stoned (12:20)
23:Blue Medley (12:28)
24:Girl From The North Country (3:27)
25:Give Peace A Chance (5:09)
26:She Came In Through The Bathroom Window (3:12)
27:Space Captain (4:19)
28:The Letter (6:11)
29:Delta Lady (11:55)

Set 3:
30:Sco-mule (14:28)
31:I Believe To My Soul (5:36)
32:Soulshine (12:30)

Encore:
33:I Shall Be Released (10:11)
Externe Links: