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Amorphis / Halo – Digital-Review

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Im April 2020 durfte ich anlässlich meiner CD-Rezension zum neuen Album der Band Nachtgreif aus Kaiserlautern in Erinnerungen schwelgen, sah ich doch die Geburtsstunde des Industrial noch einmal vor meinem geistigen Auge. Wie darin beschrieben, waren plötzlich mehrere Musikrichtungen auf einmal zu hören. Messerscharfe Gitarren, kombiniert mit Elektro-Beats, dazu ausdrucksstarker Gesang, der unter die Haut ging. Der Überraschungseffekt hätte nicht größer sein können. Genau dieser Reiz stilistischer Vielfallt, wenn auch mit anderen Schwerpunkten, geht von der Band Amorphis aus. Die Finnen fischen gewissermaßen in den Stilrichtungen Progressive, Death und Melodic Metal. Auf ihrem 14. Album "Halo" treiben sie ihren Mix wieder einmal zur Perfektion.

Amorphis – das ist kraftvoller, emotionaler Metal, der bis in die Haarspitzen zündet und der nicht nur eingefleischten Fans wärmstens zu empfehlen ist. Die Symbiose aus Rock und Metal erzeugt atemberaubende Klangteppiche, die nicht auf orchestrale Elemente, Synthesizer, Orgeln und starken Backgroundgesang verzichten. Sehe ich meine musikalische Heimat jahrgangsbedingt (1964) doch tief im New Wave of British Heavy Metal verankert, so war mir Growling im Gesang lange Zeit fremd. Doch finde ich, dass nicht nur der eigene Blick über den Tellerrand ein anderer gewordener ist. Neben musikalisch neuen Hörgewohnheiten (siehe: Industrial) ist unsere Welt eine andere. Growls verleihen der Sprache eines gutes Stück Ehrlichkeit. Darüber hinaus passen sie zum satten Sound. Man kann es ruhig so sagen: Der spezielle Gesang gibt dem Produkt die Kraft und die Schärfe, die ein Hörer im Metal erwarten darf. Im Fall Amorphis heißt das: Der druckvolle Gesang von Tomi Joutsen trifft auf alles, was die Band außerdem auszeichnet. Esa Holopainen, (guitars), Tomi Koivusaari (guitars), Santeri Kallio (keyboards), Olli-Pekka Laine (bass) und Jan Rechberger (drums) legen den Grundstock für einen musikalischen Zauber, der überzeugender nicht sein kann.

Mit "Halo" schließen die Finnen ihre konzeptionelle Albumtrilogie, die sich aus den Vorgängerscheiben  "Under The Red Cloud" und "Queen Of Time" zusammensetzt. Damit heben sie einen wahren Schatz. Das 14. Album in der nunmehr 32-jährigen Bandgeschichte liefert den Beweis, dass es unter elf Tracks keinen Ausfall geben muss. Im Gegenteil: Hörvergnügen pur! Meine unangefochtene Nummer eins: "The Wolf". Anspielttipps? Hier bleiben weitere zehn starke Lieder zur Auswahl… Es seien aber der Opener "Northwards", "The Moon", "When The Gods Came" und der Titeltrack "Halo" als Beispiele genannt. Die epische Reise durch die Länder des Nordens, ihr kulturelles und historisches Erbe wird durch den renommierten Texter Pekka Kainulainen in Worte gebracht. Es ist ein besonderes Merkmal, dass die Band seit langem einen externen und sehr vertrauten Texter für sich arbeiten lässt. Der Poet ist ein sehr produktiver Arbeiter und liefert die passenden Zeilen für die eigenständige Musik der Band. Zur Entstehung von "The Moon" kommentiert Pekka Kainulainen:  »Ich habe über all die Jahre viele Zeichnungen und Bilder des Mondes geschaffen und nun die passenden Heavy-Metal-Zeilen dazu niedergeschrieben… Dies ist ein Liebeslied.«

Zum Abschluss der Scheibe gibt es bei "My Name Is Night" noch ein zauberhaftes Duett mit Tomi Joutsen und Sängerin Petronella Nettermalm – Gänsehaut pur. Halo« wurde von Jens Bogren (Fascination Street Studios) aufgenommen, produziert und gemixt, ehe Tony Lindgren der Platte den Mastering-Feinschliff verpasste. Ferner konnte der Graphiker Valnoir (u.a. Alcest, Paradise Lost) einmal mehr für die Gestaltung des Artworks gewonnen werden.


Line-up Amorphis:

Tomi Joutsen (vocals)
Esa Holopainen (guitars)
Tomi Koivusaari (guitars)
Santeri Kallio (keyboards)
Olli-Pekka Laine (bass)
Jan Rechberger (drums)

Guests:
Petronella Nettermalm (vocals, #11)
Noa Gruman (background vocals)

Tracklist "Halo":

  1. Northwards
  2. On The Dark Waters
  3. The Moon
  4. Windmane
  5. A New Land
  6. When The Gods Came
  7. Seven Roads Come Together
  8. War
  9. Halo
  10. The Wolf
  11. My Name Is Night

Gesamtspielzeit: 55:42, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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