Die Vita des amerikanischen Gitarristen Earl Slick liest sich beinahe wie ein Auszug eines Kataloges der Rock And Roll Hall Of Fame. Die Liste derer, denen der Saiten-Mann in seiner Karriere schon zur Seite stand, ist wahrlich lang und beeindruckend.
Sozusagen entdeckt und im Anschluss gefördert wurde Earl durch Michael Kamen, der den meisten Lesern vermutlich als höchst erfolgreicher Komponist für Filmmusik bekannt sein dürfte. Er war es auch, der den Kontakt zu David Bowie herstellte. Damit war eine musikalische Partnerschaft begründet, die mit diversen Unterbrechungen am Ende über Jahrzehnte andauern sollte.
Den ersten Impuls zur Musik fand Earl als Junge bei den Beatles, doch am Ende waren es die Stones, die sein Herz vollends eroberten. So mag es nicht verwundern, dass sein Gitarrenspiel von einer deutlichen Erdverbundenheit zu bluesigen Wurzeln geprägt ist.
Hier präsentiert er sein inzwischen achtes Solo-Album, eine rein instrumentale Angelegenheit. Wer jetzt aber einen klassischen Saiten-Exhibitionisten erwartet, liegt falsch.
Knackiger Rockabilly (Earl hatte ja auch mal eine Band mit der Rhythmus-Fraktion der Stray Cats) groovt lässig ein und entwickelt präzise und schnörkellose Hooks. Cooles Drumming und satte Bässe, so empfängt uns das Album mit dem süffisanten Opener "Bad Brew", augenzwinkernd wie einst Thorogoods "Bad To The Bone". Schwarzer Humor in instrumentaler Musik. "Black" heißt übrigens die nächste Nummer. Bluesig mit kleinen Mundharmonica-Applikationen. Der Song verliert jedoch ein wenig den Spannungsbogen, was vielleicht daran liegen mag, dass die Nummer quasi aus einem Flow heraus im Studio aus dem Ärmel geschüttelt wurde.
Mr. Slick ist kein fingerflitzender Saiten-Magier, kein Effekt berauschter Frickler, er setzt mehr auf Atmosphäre und geradlinig bluesige Arrangements, hier und da verstärkt durch dezente Piano-Einsätze. Die Qualität seiner Lead-Gitarre ist unbestritten und lebt von der Intensität genauso wie der vielseitigen Gestaltung unterschiedlicher Stimmungen und Sounds. "Vanishing Point", mit mehr als sieben Minuten die längste Nummer des Albums, gibt ein gutes Beispiel für diese These und die Symbiose mit den Tasten passt wohl nirgendwo besser auf dem Album als hier.
In der Folge werden die Songs durch akustische Gitarrenklänge zu einer hier recht elegischen elektrischen Variante kontrastiert, was für einen gewissen balladenhaften Anklang sorgt. Im schönen "Lost" gibt diese Kombi dem Song einer wundervolle Entrücktheit und Melancholie, eine Reflexion auf Träume und deren Verlust.
Der Titelsong zelebriert hingegen die volle Magie des elektrischen Sechssaiters, der hier über einem verspielt marodierenden Rhythmus schroff und scharfkantig gedehnte Strömungen schafft. Ein kurzes Akustik-Interlude fehlt auch hier nicht. Die Harmonien haben einen leicht ethnisch, weltmusikalischen Touch.
"Emerald" bildet den romantischen Höhepunkt des Albums, sanft und unspektakulär, aber überaus stimmig. Der Abschluss ist aber eindeutig dem Blues gewidmet. Nicht puristisch und immer ein Stück weit in der Nähe zu langsamen Rocknummern, aber geprägt von Herz und Seele. Die Hooklines in "Lantern" bewegen durchaus. Irgendwie kommt mir gerade Gary Moore dazu in den Sinn. Klassischer wird es am Ende, "Dr Winston O’Boggie" ist tatsächlich purer Blues, dem aber irgendwie ein Crescendo fehlt. Der dahin schwindenden, ausgeblendete Schluss tut der Nummer auch nicht wirklich gut, da hätte man ein paar Akzente mehr setzen können.
Die Musik ist über alle Zweifel erhaben, aber eher sachlich kompetent denn außergewöhnlich virtuos; ein alter Haudegen halt, der gelernt hat, seine Fähigkeiten an Kollegen oder ein Konzept anzupassen. Stilsicher und souverän. Was fehlt, sind vielleicht die absoluten Highlights, aber wenn ich das Konzept des Albums richtig verstanden habe, dann standen die nie im Fokus. Vielmehr soll hier die Bandbreite eines Mannes dargeboten werden (einige der Songs sollen bereits seit vielen Jahren im Earls Kopf herum gegeistert sein), der immer eines war. Ein absoluter Teamspieler. Passt.
Line-up Earl Slick:
Earl Slick (guitar)
Lee John (drums)
Freddy Villano (bass)
Tracklist "Fist Full Of Devils":
- Bad Brew
- Black
- Far Away
- JWL
- Vanishing Point
- Lost
- Fist Full Of Devils
- One Arm In A Straight Jacket
- Emerald
- Lantern
- Dr Winston O’Boggie
Gesamtspielzeit: 55:13, Erscheinungsjahr 2021



1 Kommentar
Ralf Siemer
19. Juli 2021 um 9:07 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Paul,
also ich weiß nicht, ob das der besondere Gag an Earls neuer CD sein sollte, aber das Schlagzeug ist vom ersten bis zum letzten Titel (außer bei Titel 6 und 9, hier gibt es kein Schlagzeug) sowas von nervig, dass für mich der Gag voll nach hinten losgegangen ist.
Ansonsten wünsche ich allen eine schöne Woche.
Beste Grüße, Ralf Siemer