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FalconMill / Old Ties – CD-Review

FalconMill / Old Ties – CD-Review

»Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde«. Halt, das ist der Anfang der Weihnachtsgeschichte. Also nochmal:

Es begab und begibt sich aber zu der Zeit, dass in einer kleinen Gemeinde im östlichen Saarland wie in jedem Jahr zu Beginn der 'besinnlichen' Zeit ein besonderes Ereignis stattfindet: Da knipst nämlich jemand das Licht an. Und zwar in Form von abertausenden Lichtern und Lichtlein, deren Aufglühen zahlreiche Ortsbewohner zum Stelldichein zwecks Staunen ob der gelungenen visuellen Choreografie einlädt.

Herr dieser Lichterketten ist ein Arbeitskollege und daher ist es klar, dass auch mir dieses Event bekannt war. Irgendwann meinte er, ich solle doch mal vorbeikommen, was dann auch geschah; nicht beim offiziellen Anknipsen, sondern ein paar Tage später. Auf dem Plan stand ein Besuch sowieso, denn besagter Kollege hat auch eine Band, sieht dazu aus wie ein Musiker (die langen Haare) und bereits beim Sprechen kann man erahnen, welche Stimmgewalt da schlummert.
Daneben wollte ich den alten umgebauten Bauernhof sehen und auch die darin integrierte Kunstabteilung seiner Frau sowie die Musikschule, die er auch unter seinen Dächern betreibt.

Also rein ins Auto und von der Pfalz gen Nordwesten Richtung Saarland aufgebrochen. Alle weihnachtlich geschmückten Gärten und Häuser wurden zwar registriert, aber ich wusste, dass das Eldorado für die Stromerzeuger am Zielort liegt. Und genau so war es. Ich frage mich immer, wieso manche Menschen dermaßen Zeit und Geld investieren, um solche visuellen Kunstwerke zu schaffen, die man nach kurzer Zeit in tagelanger Arbeit wieder abbauen muss. Aber ich sehe diese bunten Lichtermeere sehr gerne. Nun ja, ich esse auch gerne Steaks, wäre aber nie in der Lage, ein Rind zu schlachten. So in etwa ist das auch mit der Weihnachtsbeleuchtung …

Nachdem wir uns satt gesehen hatten, ging es von der Musikschule hoch in den zweiten Stock und erneut klappte die Kinnlade herunter. Wir standen in einem Saal, der einem kleinen Musikclub in nichts nachsteht. Es gibt eine Bühne samt Anlage, eine Theke und aus einem angeschlossenen Fass Bier gab es sogleich eine Kostprobe. Jetzt war mir auch klar, wieso der Kollege nach Feierabend immer so zielstrebig zum Auto eilt. Aber genug nun mit Weihnachten. Die Überschrift dieses Artikels lässt ja auf ein Plattenreview schließen und das soll nun auch kommen.

Dass Falk Musik macht, singt, war mir bekannt. Dass seine Band FalconMill auch einen Tonträger produziert hat, erst, als er mir ein Exemplar in die Hand drückte. Ich war erstaunt, als ich die Tracklist las, denn entgegen meiner Einschätzung, Covers von Interpreten wie Joe Cocker, Paul Rodgers oder auch Chris FarloweFalks Stimme wegen –  vorzufinden, stammt der überwiegende Teil der Titel aus dem Portfolio Tom Waits', daneben gibt es zwei Stücke der Band Morphine und eine Stones-Nummer. Gottlob nicht "Satisfaction", sondern "Ventilator Blues" vom großartigen Exile On Main Street-Album.

Wow, das sind allesamt Stücke, die mit Sicherheit nicht im Repertoire allzu vieler Bands zu finden sind und dass FalconMill das richtig Händchen hatte, diese Nummern zu choreografieren, zeigt sich bereits beim Opener "Get Behind The Mule", der mit einer Basssequenz den Weg ebnet, den Falks Organ dann sonor und rau beschreitet. Nun sind ja Tom Waits-Stücke eh' nicht geeignet, um Rampensäuen jedweden Instrumentariums eine Bühne zu geben. Daher ist es fast obligatorisch, dass die Musiker ihre Einsätze voll in den Gesamtkontext der Band, bzw. der Musik stellen. Allerdings tun sie das auf sehr hohem Niveau. Man merkt, dass die Musiker Background haben. So ist Udo z.B. studierter Musikpädagoge, Lehrer an verschiedenen staatlichen Schulen, Dozent für Saxofon an der Landesakademie für musisch-kulturelle Bildung des Saarlandes und außerdem auch Mitglied beim Blues Brothers Band Project. Wie angesagt dieser Saxofonist ist, zeigt sich auch darin, dass er gemeinsam mit Luther Allison, James Brown sowie Stan Webb tourte.

Auch interessant ist die Vita des Gitarristen Markus McGee Werg, der Gründungsmitglied der Zweibrücker (nicht nur) AC/DC-Bank Sin City war, dann bei Violent Forces dem Thrash Metal frönte, um anschließend bei den Caprifischern zu landen. Auch die anderen Musiker haben viele Jahre Banderfahrung in diversen mehr oder weniger lokalen Bands, sodass man FalconMill handwerklich die besten Vorrausetzungen attestieren kann.

Nochmals zum ersten Track der Platte, der bereits schön dokumentiert, wie musiziert wird. Unaufgeregt und präzise wie ein Skalpell schneidet die Gitarre ins schwülstige Gewebe, welches durch gekonnt platzierte Saxofonparts wie mit lindernden Wattetupfern beruhigt wird.
"Cold Water" zeigt eine weitere Stärke der Band: den mehrstimmigen Gesang. Wer das Original kennt, wird von der Version der Saarländer äußerst angenehm überrascht sein. FalconMill haben das Tempo leicht angezogen und machen aus dem trist daherkommenden Original fast einen shuffelnden, in einem Irish Pub am Tresen gesungenen, Wkiskey-geschwängerten Song. Der Duktus des Textes von Waits wird dadurch aber in keinster Weise verletzt. Herrlich, wenn dann der Refrain mehrstimmig zum Besten gegeben wird. Für mich unbedingt das Highlight auf "Old Ties".

Ordentlich Drive, schöne Basslinie, funkiger Gitarrenrhythmus – so tönt "Big In Japan" aus den Speakern während der "Ventilator Blues" eine Spur bluesiger daherkommt, als das Original. Zum einen liegt das an der leicht reduzierten Geschwindigkeit, dann an Falks Stimme, die tiefer als die des damals jungen Mick ist und die eingestreuten Gebläsefetzen tun ein Übriges, um der Nummer das gewisse Extra zu verleihen. Bluesrockiger als von Waits dargeboten, präsentiert sich auch "Hang On St. Christopher". Schön, wie die Gitarre dies dezent dokumentiert, während per Saxofon der Waits-Spirit lebt.

Das erste der beiden Morphine-Cover, "You Look Like Rain", begeistert schon mal in der FalconMill-Version, was dann natürlich neugierig auf das Original macht, denn die Band Morphine war mir bis dato nicht mal dem Namen nach bekannt. FalconMill zelebrieren das Stück im Blues-Gewand und demonstrieren wieder einmal, dass da mehrere Stimmbänder klasse schwingen können. Wenn als Hauptrichtung auch Blues auf dem Wegweiser steht, so sorgen die Saxofone doch für eine gehörige Portion Jazz der ohrgefälligen Art. Und siehe da, im Netz finden sich Aussagen wie z. B. »sexy jazz«, die ich gerne unterschreibe. Man darf Morphine allerdings nicht in diese Ecke stellen, wie einige Beispiele auf youtube zeigen. Die Band bedient ein breites Spektrum. Da sich die Protagonisten vorliegender Scheibe als zweite Nummer "Thursday" ausgesucht haben, konnte ich mich davon überzeugen. Wie das Original, ist auch die FaconMill-Interpretation ziemlich schräg, was im Reigen vieler Tom Waits-Stücke schon etwas heißt.

Ganz anders im Ohr liegt da "Downtown Train", eine Nummer, die wohl auch Waits-ungeübten Ohren bekannt sein dürfte; und zwar durch das Rod Stewart-Cover. Falk und seine Jungs sind in ihrer Version allerdings näher bei Tom, denn bei Rod. Sie fahren wieder den Blues Rock-Zug, in dem allerdings die Bläser für ordentlich Schmackes sorgen. Markus eröffnet den "Chocolate Jesus" mit leckerem Banjo-Spiel wie frisch von den Baumwollfeldern. Falks stimmlicher Ausdruck kommt bei diesem Song sehr nah an die Waits-Frequenzen und –Stilistik und vor dem inneren Auge bedient Mühli einen Stehbass. Umgarnt wird dieses perfekt inszenierte Stück von den beiden Saxofonisten in gewohnt professioneller Manier sowie Hahnkrähen!  Als Kontrast in punkto Tempo schließt sich "Jockey Full Of Bourbon" an. Percussion sowie Bass knüpfen den Teppich dicht, sodass sich bei allem Tempo keiner der anderen vertritt und wie auch auf dem Rest der Platte immer die Spur findet.

Und genau dieses scheinbar blinde Zusammenspiel ist ein großes Pfund der Band. Ich habe es bereits erwähnt, will aber nochmal darauf eingehen. Es sitzt jeder Ton genau dort, wo er hingehört. Jedes kleine Saitengezupfe, jeder kleine Bassstreichler, jede herausgeblasene Prise Luft fügt sich in den Gesamtkontext ein und mutiert so zu einem großen Ganzen, in dem jeder hörbar unverzichtbar und gleichzeitig nur so präsent ist, wie es das jeweilige Stück erfordert. Das bedeutet nun aber nicht Zurückhaltung dort, wo sie nicht angebracht wäre. An diesen Stellen darf ein jeder auch mal etwas mehr zeigen. Das zeugt von professionellem Agieren, was umso lobenswerter ist, da alles im Rahmen eines gemeinsamen Hobbies geschieht.

Wer im Saarpfalzkreis mal auf einen Termin der Band stößt, sollte mal ein Ohr riskieren. Es darf aber kein Mainstream erwartet werden. Aber Mainstream hören wir ja tagein und tagaus im Radio …


Line-up FalconMill:

Klaus Bried (drums)
Falk Deckert (vocals)
Charlsy Haller (baritone sax, percussion)
Udo Lovisa (soprano-, alto-, tenor sax, vocals)
Mühli Meyer (bass)
Markus McGee Werg (guitar, banjo, vocals)

Tracklist "Old Ties":

  1. Get Behind The Mule
  2. Cold Water
  3. Big In Japan
  4. Ventilator Blues
  5. Hang On St. Christopher
  6. You Look Like Rain
  7. Downtown Train
  8. Chocolate Jesus
  9. Jockey Full Of Bourbon
  10. Thursday

Gesamtspielzeit: 40:49, Erscheinungsjahr: 2015

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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