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Im Gespräch mit Philipp Gottfried von NRT-Records

NRT Logo

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Begeistert über die Promoarbeit des Baden-Württembergischen Labels NRT-Records, dachten wir uns, mit dessen Chef Philipp Gottfried einmal zu sprechen und das Independent-Label unserer Leserschaft vorzustellen.

RockTimes: Philipp, normalerweise sind ja Musiker hier beim Gespräch, aber NRT-Records scheint mir ein besonderes Label zu sein. Daher wollen wir gerne mal mit dir sprechen. Und bevor wir einsteigen – für was stehen denn die drei Buchstaben NRT?

Philipp: Hallo Ulli, Vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview, dies hat mich sehr gefreut und ich fühle mich geehrt. NRT-Records gibt es seit 2013. Nach langer Planung habe ich das Ding aus dem Boden gestampft und damals hat ein Freund von mir, Tristan, den ich aus der Punkszene kenne, mir ein Logo gemalt: Eine Ratte mit einer Gasmaske und Kopfhörern auf. Das Logo war so Hammer, dass der Name schnell gefunden wurde. NRT steht für Nuked Rat Tunez. Als dann das Portfolio an Künstlern diverser wurde und sich aus dem ursprünglichen Klientel aus Punk, Electro und Avant Garde, sowie Metal etwas abgewandt hat und flexibler wurde, haben wir uns dazu entschlossen den Namen abzukürzen und NRT-Records war geboren.

RockTimes: Aus der Punkszene, interessant. Ich hätte jetzt eher auf Metal getippt, denn wenn ich hier bei uns so nachschaue, ist Metal in verschiedenen Härtegraden doch recht häufig vertreten. Aber eben nicht nur und es sieht so aus, dass ihr stilistisch doch sehr breit aufgestellt seid. Nach welchen Kriterien füllt ihr euer Portfolio?

Philipp Gottfried

Philipp Gottfried

Philipp: Musik ist voller Facetten und eine individuelle Kunstform. So viele verschiedene Stilrichtungen- und Spielarten verleihen dieser Kunstform ein großes Spektrum und diese Individualität und Freiheit ist der absolute Hammer. Wir hören grundsätzlich erstmal alles an. Meine A&R’s Hannes Ritl und Sebastian Bramböck ticken jedoch bei den Kriterien ähnlich wie meine Wenigkeit. Wir stehen auf Individualismus und Künstler, die in ihrem Gesamtkonzept etwas ausdrücken, was man nicht an jeder Ecke findet. Konzeptbands sind bei uns gerne gesehen, wenngleich wir aber auch ein offenes Ohr für die klassische Heavy Metal- oder Hard Rock-, Punk- oder Electro- / Gothic-Band haben.
So haben Beispielsweise Circle Creek in ihrem Konzept einen starken Retro Vibe. Ihre Konzerte sind wie eine Zeitreise in die wilden 1970er, während unsere Cyber Future Metaller von  Pulse wirken, wie eine Reise in eine Zukunft fernab dieser Jahrhunderthälfte, als stammen sie aus einem Streifen des Ridley Scott à la "Alien" oder "Blade Runner". CroworD oder Relinquished unsere Death Metal-Truppen,  zeichnen sich durch ihre Konzeptalben aus, bei denen sie sich stets neu erfinden und bestehendes ergänzen und unsere Punks von Lautstaerke sind bekannt für ihre ehrliche und kompromisslose Sozialkritik, wobei unsere NDH / Heavy Rocker von Teufelskreis auch in diese Kerbe schlagen.
Mit Exit To Eden haben wir eine klassische Gothic Rock-Formation, die sich ebenfalls interessanten Konzepten bedient, während Concrete Eden dem klassischen Nu Metal à la Korn oder Limp Bizkit zuzuordnen ist. Auch für Groove Metal-Fans haben wir etwas extrem starkes im Programm: Unseren Soloact Global Scum.
Wenn es um Konzeptbands geht, verweise ich hier neben Pulse auf die Proll Guns, eine Formation die einen Sound hat, den ich so beschreiben würde: Wenn Metal schon im 19. Jahrhundert existiert hätte und Billy The Kid eine Band gegründet hätte, sie würde ähnlich klingen. Mit Silverfuchs haben wir einen Akustik Blues Rock-Act der sanfteren und puristischen Art. Du siehst? NRT-Records steht für musikalische Vielfalt. Solange die Künstler uns alle beim Label packen, ihre Musik überzeugt, haben wir für alle ein offenes Ohr.

RockTimes: In der Tat eine enorme Stilvielfalt. Die meisten der von dir erwähnten Künstler wurden bei uns reviewt und wenn ich mir anschaue, wer die Platten besprochen hat, so sehe auch ich, dass Redakteure mit den unterschiedlichsten musikalischen Vorlieben beteiligt sind. Sucht ihr eigentlich nach neuen Acts oder kommen die Musiker eher auf euch zu?

Philipp: Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie Musikrezensenten die Musik erleben und ihre Eindrücke wiedergeben und da haben wir es ja wieder, die unglaubliche Vielfalt der Meinungen, das ist stets aufregend und fantastisch. Ich persönlich verfolge jede Rezension mit Spannung und somit natürlich auch die von RockTimes und es ist aufregend zu lesen, was ihr dazu meint. Hierbei sei betont, dass ich stets mit Kritik umgehen kann. Ob die Platte nun gelobt, oder, wie soll ich es ausdrücken, 'vernichtet' wird, ich freue mich stets über die Meinung von Medienpartnern und falls die Frage aufkommt: Ich bin niemandem böse, dem eine unserer Platten nicht zusagt. Geschmäcker sind nun mal verschieden und es heißt ja nicht umsonst Kritik und immerhin hat sich jemand unserem Material gewidmet und sich die Zeit genommen (lacht).

Hannes Ritl

Hannes Ritl

Wenn es um das Signing neuer Talente geht, so sind beide Situationen bei NRT-Records durchaus gegeben. Bands und Künstler bewerben sich bei uns, aber ziehen auch ganz von selbst unser Interesse auf sich. Ein Beispiel einer Band, die sich beworben hat, wäre die österreichische Gothic-Legende Sunterra, deren Mastermind Chris Schön ein guter Freund von mir ist, und als er die Band reaktivierte, die Labels das mitbekamen, hat er sich direkt bei NRT-Records beworben. Dies war eines der größten Komplimente, als 2017 eine derart legendäre Band sich von selbst bei mir beworben hatte, weil sie meine Arbeit kannten. Es ist auch unglaublich, dass Menschen wie Nemesis von Pulse / Astaroth / Estatic Fear sich über dich informiert und sich dann bei dir bewirbt und das selbe gilt für Hannes Ritl, der zunächst als Manager von Circle Creek an mich herangetreten ist und nun seine frühere Tätigkeit als A&R für NRT-Records reaktivierte.

RockTimes: Und die Künstler werden hervorragend betreut. Das ist übrigens der Grund, wieso ich die Idee hatte, mit dir ein Gespräch zu führen. Denn das von NRT mitgelieferte Promomaterial zur neuen Silverfuchs-Scheibe ist einfach nur outstanding zu nennen. Nicht nur die Papierversion, sondern auch gerade der Datenträger mit wirklich allem, was man als Rezensent braucht und sich ansonsten zusammensucht. Ist das bei euch Standard?

Philipp: Es ist so, dass mir das alles einfach sehr viel Spaß macht. Die Kommunikation mit euch Medienpartnern und alles was dazu gehört. Ich designe und gestalte gerne, was so oft zu dem Missverständnis führte, ich sei ein studierter Mediendesigner. Dabei habe ich mir das einfach selbst angeeignet (lacht). Es macht einfach eine Menge Spaß, Presse-Kits zu gestalten und ganz ehrlich? Wenn die Medienpartner sich schon dem Material annehmen, dann möchte ich es ihnen auch einfach angenehm machen und versuche so zu zeigen, dass mir ihre Arbeit, ob TV, Print, Radio oder Web was bedeutet. Ich möchte einfach, dass sie alles schon haben und dass Radios beispielsweise die CD nicht vorher umständlich rippen müssen, sondern direkt in fertiger Form (getagged, beschriftet) von der CD-Rom ziehen können, oder die Magazine sich die Grafiken nicht zusammensuchen müssen, sondern einfach die CD in ihren Rechner legen und da ist dann alles. Dies habe ich schon immer so gemacht und möchte ich auch gerne so beibehalten.
Wenn wir von der Form abweichen, dann höchstens mit einer Karte mit QR Code und URL, da manche Rechner heute kein CD-Laufwerk mehr haben. Ich möchte mich auch mit dieser Aussage nicht aus dem Fenster lehnen und dafür sorgen, dass sich irgendein Kollege auf den Schlips getreten fühlt: Aber Redaktionen mit einem Download-Link abzuspeisen, ist mir einfach zu billig.

RockTimes: Sehr tolle Einstellung. Aber es geht ja auch anders; in Form von Streams, Downloads, CDR’s mit MP3’s usw. Das ist bei Bands, die in Eigenregie agieren und oftmals keine Kohle für normale Promoprodukte haben, ja bis zu einem gewissen Grad verständlich. Aber abseits der Promos ist es ja mittlerweile so, dass auch namhafte Künstler ihre Sachen als Downloads anbieten. Natürlich weil viele Musikhörer dies so wollen und es ihnen reicht, minderwertige Qualität per Smartphone zu hören. Eine ’schlimme' Entwicklung, wie ich finde,  zumindest für meine Generation, die auch heute noch gerne ein Produkt in den Händen hält, es durchblättert, während eine richtige Stereoanlage (auch mit Plattenspieler) für den guten Klang sorgt. Wie stehst du zu den ganzen neumodischen Formaten?

Philipp: Ich selbst lege großen Wert auf herausragenden Klang und eine gute Stereoanlage, oder herausragende Kopfhörer der gehobenen Preisklasse, sind auch für mich noch genauso wichtig, wie für andere ein tolles Auto, oder ein tolles Heimkinosystem. Ich kann auch das Denken der Vinyl-Liebhaber  nachvollziehen. So habe ich ja selbst schon als kleiner Junge Schallplatten gesammelt. Meine 17 Jahre ältere Schwester hat mich im Alter von acht Jahren verdorben, indem sie mich mit New Wave, ihren Judas Priest-, Iron Maiden-, KISS-, Warlock-, Saxon– und Accept-Platten aus ihrer Teenagerzeit versorgt hat (grinst).
Auch ihre Freunde waren da hilfreich. Von einem ihrer besten Freunde bekam ich Twisted Sister-, DIO-, Black Sabbath-, Metallica– und Guns N' Roses-Schallplatten geschenkt. Wobei mein Guilty Pleasure der futuristische New Wave der 80er Jahre ist und ich in der eigenen Band Jahrelang diesen Futurismus mit Punk und dessen Attitüde verschmolzen habe. Ohne den Einfluss meiner Schwester, gäbe es NRT-Records vermutlich gar nicht und (natürlich nicht nur …) dafür liebe ich sie!

Sebastian Brambock

Was die Qualität der Streams und Downloads angeht, hätte ich dir vor wenigen Jahren noch zugestimmt. Jedoch klingt eine mit 320 KBPS codierte Kaufdatei genauso gut und erreicht sogenannte 'transparente' Qualität. Man würde selbst auf einer teuren Anlage keinen Unterschied zur CD hören. Zum Brennen und erneuten (MP3)Rippen eignet sich MP3 aber nicht, da sich dadurch die Qualität verschlechtert und eine MP3 zu CD nach FLAC macht keinen Sinn. Ich selbst habe mich seit 2013 an Aktionen beteiligt, dass die Downloadstores endlich Hi-Res und Lossless (FLAC, ALAC, WAV etc.) einführen. Stores wie Qobuz oder Streamingdienste wie Tidal waren da Vorreiter und erkannten dies. Nun, Jahre später ziehen Amazon, Apple, Spotify da endlich nach, allerdings als Streamingangebot. Streaming hat auch den Download getötet, eine Entwicklung, die ich nicht schlecht finde. Man gibt zehn Euro im Monat aus und kann so viel entdecken und hören, wie man möchte. Gerade für Vielhörer und die Kids ist das sehr gut. Weil Download nicht physisch war und auch wegen den Kids da draußen, haben wir seit eh und je unsere digitalen Alben zu EP-Preisen angeboten. Ich fühle mich einfach nicht wohl dabei, den Teenagern da draußen 10 Euro für ein paar Dateien abzuluchsen, nein! Lieber sollen sie Spotify nutzen für 10 Euro und den Rest ihres Taschengeldes für ihre Freizeit ausgeben.

Kommen wir zum Punkt (lacht). Ja, ich verstehe diejenigen, die gerne ein physisches Produkt möchten, hätte aber selbst keine Probleme damit, wenn Leute unsere Musik nur noch streamen würden und finde Spotify und Co. auch toll für die Promotion der eigenen Musik.

Ich möchte aber noch erwähnen, dass ich es nicht nachvollziehen kann, warum noch niemand auf die Idee gekommen ist, einen Hi-Fi Baustein anzubieten, der die Daten direkt empfängt und den Klang im System erzeugt. Meinetwegen über ein mitgeliefertes Tablett gesteuert wird und sämtliche Streamingdienste nativ unterstützt, das ohne den Umweg  über Airplay oder die fürchterliche Bluetooth-Technik funktioniert, sondern den Klang direkt im Gerät erzeugt. Ähnliches gab es schon, aber nicht in dieser Form.

RockTimes: Wow, bevor ich jetzt darauf eingehe, darf ich fragen, weil alt du bist?

Philipp: Ich wurde im September 1988 geboren, bin somit 33 Jahre alt.

RockTimes: Ah ok, dann sind diese modernen Einrichtungen eher dein Ding. Ich komme aus einer Zeit, als es das höchste der Gefühle war, einen dieser Monsterreceiver von Kenwood, Marantz oder gar Sansui zu erwerben. Später wurden dann diverse HIFI-Magazine gelesen und von Anlagen geträumt, die für einen normalen Menschen jenseits von Gut und Böse waren. Da wurde unter anderem geschrieben, dass der Strom am Anfang einer Straße besser sei, als am Ende der Straße. Nun ja, diesem Voodoo habe ich nicht gefrönt, muss aber sagen, dass mir ein Erlebnis noch heute Schauer über den Rücken jagt. Ein gut situierter Freund hatte eine Anlage, die in etwa 100.000 DM schwer war. Pink Floyds "Time" darauf zu hören, das geht mir heute noch nach. Wenn man uns damals gesagt hätte, dass man mal Musik mit einem Telefon hört …
Aber bei Lossless bin ich wieder bei dir, meine Sammlung wird auch im Flac-Format gerippt. Aber um die Kurve wieder zu kriegen, wenn jemand  sich seine Songs gerne aus dem Netz zieht und dafür bezahlt, ist das in Ordnung. Es gibt aber auch die andere Seite, dass nämlich alles im Netz verfügbar ist und sich viele Nassauer bedienen, ohne für des Künstlers Kunst zu zahlen. Hast du als Insider eine Ahnung, in welcher Größenordnung die Musiker da betrogen werden?

Philipp: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass du beim Lauschen dieser Klänge auf diesem Setup einfach nur baff gewesen bist, was? Es gibt so viel Voodoo innerhalb der HIFI-Gemeinde. Vom Kabelklang mal ganz zu schweigen. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, die Industrie ist da aber auch mit Schuld, wenn es um schlechten Sound geht. Wenn ich nur an die furchtbaren 1998 Remasters der Iron Maiden– Alben von EMI denke: Schlagzeugbecken die alles wegbraten, null Dynamik. Es ist ein Jammer, wie einst großartige Alben so verschandelt wurden.

Wenn es um Piraterie geht, so ist mir das gerade heutzutage ein Rätsel. Allein durch YouTube Music ist dank der für jedermann kostenlos aufrufbaren Videotracks das Anhören doch möglich geworden. So ist es meiner Wenigkeit ein Rätsel, warum das überhaupt noch ein Thema ist? Wo man sich doch völlig legal heutzutage alles kostenlos zumindest anhören kann. Ich selbst würde niemals den 14-Jährigen Musikfan zur Rechenschaft ziehen, wenn er sich die Musik der Künstler quasi saugt.

Manchen ist hierbei jedoch aber auch nicht bewusst, dass sie damit die Zukunft der Künstler und des Labels aufs Spiel setzen. So ein Album aufzunehmen, herzustellen und zu promoten verursacht Kosten im mindestens fünfstelligen Bereich. Durch die Piraterie ist das Risiko gegeben, dass die Industrie die investierten Gelder nicht wieder erwirtschaftet.

Um es kurz und knapp zu halten: Ja, Piraterie schadet der Industrie, dem Künstler und dem Label und kann diese quasi in den existenziellen Ruin treiben. Jetzt jedem gleich 'Mama' (den Anwalt) auf den Hals hetzen, der sich mal einen Song saugt, halte ich aber für falsch.

Und wenn ich zum Streaming noch etwas anmerken darf: Wer sich über die Erlöse des Streaming aufregt, kriegt den Hals einfach nur nicht voll, sorry! Die Musikindustrie war nie ein One For One-Modell, das war Sie nie, ist sie nicht und wird sie in Zukunft auch nicht sein! Klar die Ad-Supported Streams von Free Usern werfen zwischen 0,0008 und 0,0020 Euro ab, während Premium allein bei Spotify gegenwärtig 0,0047 Euro pro Wiedergabe ergeben. Hören also 10.000 Menschen ein Album mit 15 Tracks sind das 705 Euro. Viele Menschen hören einen Song oder ein Album eines Künstlers den sie entdecken doppelt und dann gibt es noch Leute die zweigleisig fahren: Die Kaufen sich die CD, nutzen aber – weil es praktisch ist – für unterwegs Spotify oder Apple Music und da verdient der Künstler mehr an diesem Konsumenten, als zuvor. Wobei bei Amazon oder Apple die Erlöse pro Aufruf gar höher ausfallen. Zumal die Erlöse pro Land auch je nachdem ausfallen, wieviele Leute ein Premium Abo nutzen. In Schweden hat Spotify die CD und den Download längst verdrängt und dort zahlt Spotify gutes Geld, 5 Cent pro Stream!

RockTimes: Ja, das Thema ist schwer zu handeln, wenn man beide Seiten verstehen kann und will. Aber es ist nun mal so in einer Zeit, in der jeder meint, alles haben zu müssen. Heutzutage werden ja sogar 'frische' Lebensmittel beim Internet-Versandhändler bestellt. Keiner nimmt sich mehr die Zeit, um z. B. auf einem Wochenmarkt frische Produkte in die Hand zu nehmen, daran zu riechen usw. Aber ich predige jetzt Wasser und saufe doch selbst Wein: Auch ich höre mir Neues zu Hause im I-Net an, anstatt wie früher in einem Plattenladen zu stöbern. Ich habe aber eine Entschuldigung Eurer Ehren: es gibt in meinem Umkreis eigentlich kaum noch solche Läden.

Philipp: Aber zumindest in der Musikbranche ist doch genau das ein sinnvoller Weg. Ich hatte mal ein interessantes Gespräch mit Wick! von Metachemie auf Radio Westfalica. Er sagt: Früher mussten wegen ihm ein ganzer Stapel CD’s geöffnet und wieder verschlossen werden und heute kann er das Probehören zuhause machen. Das Ganze birgt auch seinen Vorteil. Was Lebensmittel angeht, bin ich inhaltlich voll und ganz bei dir! Das Internet zerstört hier doch schon den Kleinbetrieb. Wenn ich im Internet Lebensmittel bestelle, dann nur exotisches, was man so nicht überall bekommt, aber ich ziehe den Gang zu unserem Supermarkt immer noch vor.

RockTimes: Auf jeden Fall hast du aber Recht wenn du sagst, dass durch einige Praktiken Existenzen von Musikern und Labels in Gefahr sind. Gerade die Musiker sind zurzeit sowieso stark gebeutelt durch die Corona-Verordnungen und –Auflagen. Merkt ihr als Label auch etwas davon?

Blick in das NRT-Lager

Blick in das NRT-Lager

Philipp: Definitiv ja! Es war eigentlich im Herbst ein Minifestival des Labels geplant, drüben in Österreich. Hannes Ritl, meine rechte Hand, hatte dies organisiert und die Konzerte sollten auf Bild- und Mehrspurton mitgeschnitten werden. Wir wollten uns so bei den Fans bedanken, indem wir ihnen kostenlose Live-Alben und Live-Videos zu Verfügung stellen. For Convenience wäre das Ganze dann natürlich auf auf Spotify und Co. gelandet, aber nicht aus finanziellen Interessen im primären Sinn. Es sollten Circle Creek, Exit To Eden, Tomorrow’s Fate, CroworD, Relinquished und Pulse auftreten. Aufgrund der Coronarestriktionen ging das aber in dieser Form nicht.
Nächstes Jahr sind viele unserer Bands aber auf dem InnRock Reloaded zu sehen. Ich möchte an dieser Stelle aber auch betonen: Ich kann es völlig verstehen! Ich könnte es mir nicht verzeihen, würde ich ein Event in Partnerschaft mit einem Veranstalter starten und am Ende wird dies zum Covid 19-Hotspot und Menschen landen schlimmstenfalls auf der Intensivstation – oder (Gott bewahre!) schlimmeres … Von daher kann ich verstehen, wenn es mit Konzerten gegenwärtig mau aussieht. Die Regierung sollte aber auch an die Clubs, Veranstalter, Hallenbetreiber und Booker denken und sie in dieser schweren Zeit unterstützen.

RockTimes: Man kann nur hoffen, dass in absehbarer Zeit wieder Normalität eintritt. Bis dahin müssen wir Musikfans mit Konserven Vorlieb nehmen und uns mit einem stark weinenden Auge freuen, dass den Künstlern wenigstens mehr Zeit für neue Alben bleibt. Kannst du uns verraten, ob und was NRT-Records so an neuen Sachen in der Pipeline hat?

Philipp: Durch die mögliche Zeit die nun dafür bleibt, können Künstler nun wenigstens neue Musik schreiben und ihre Kreativität frei entfalten. Man muss auch immer das Positive sehen. Wenn Künstler im Internet via Stream auftreten, können tausende Menschen das Konzert verfolgen. Gut nun muss man halt rufen – Lasst mich eure Emojis sehen! Statt Lasst mich eure Hände sehen, aber Immerhin (lacht). Ich habe mir den Schmäh erlaubt und bei dem Streamingkonzert von Circle Creek in Groß geschrieben: CHRIS! ICH WILL EIN KIND VON DIR!!!!!!!! Die anderen Zuschauer haben den Schmäh sofort verstanden (lacht).

Neues in der Pipeline. Jetzt im Dezember erscheint "Teifl Eini" das neue Album von Silverfuchs, im Februar "Vom Morgen Danach (Deluxe) " von der Punkband Lautstaerke, weiter haben wir das Debütalbum "Appreciate The Time" von Tomorrow’s Fate in der Pipeline, sowie den Re-Release von Circle Creeks "Anger" und ihr neues Album "The World Is On Fire". Im Laufe des Jahres werden wir "Extinction Level Event" von Pulse in einer neugemischten Fassung veröffentlichen. Weiter stehen Releases von Relinquished und Tinkicker an. Im August 2020 haben wir dann für den Livemusik-Fan etwas ganz Cremiges: Zusammen mit InnRock Reloaded werden eine Menge unserer Künstler bei dem Festival Live zu sehen sein.

RockTimes: Das klingt gut und wir freuen uns schon auf neue NRT-Sachen. Und nun musst du noch ein paar eigentlich unbeantwortbare bzw. unsinnige Fragen beantworten (lacht):

Musikalische Lieblingsschublade?

Philipp: Ich hoffe es ist okay, wenn ich hier mehrere Genres nenne:

  • Heavy Metal
  • Industrial Metal
  • Thrash Metal
  • Punkrock
  • Hardcore Punk
  • Anarcho Punk
  • Electropunk
  • Cyberpunk

RockTimes: Lieblingsband?

Philipp:

  • Heavy Metal: Iron Maiden und Metallica
  • Electro: KMFDM, Visage und The Cassandra Complex
  • Avant Garde: Suicide
  • Punk: Crass, Dead Kennedys, The Vandals, Discharge, Misfits, uvam.

RockTimes: Lieblingsalbum?

Philipp:

  • "Somewhere In Time" – Iron Maiden
  • "Feeding Of The 5000" – Crass
  • "Ride The Lightning" – Metallica

RockTimes: Lieblingssong?

Philipp: Das Titellied von "Mein Nachbar Totoro"

RockTimes: CD oder Vinyl?

Philipp: Weder noch – Hi-Res Streaming reicht mir (lacht)

RockTimes: Bier oder Wein?

Philipp: Weder noch (lacht). Ich trinke seit ich 18 bin nicht mehr, ich will die Kontrolle über mich und mein Leben behalten.

RockTimes: Sauerkraut, Leberknödel und Rippchen oder Soba mit Tofu und Gemüse?

Philipp: Ganz ehrlich? Keins von alle dem, ich würde aber das Gemüse und den Tofu dem Leberknödel vorziehen. Wenn es um mein Lieblingsessen gibt, so bin ich mit dem besten Koch der Welt liiert. Mein Mann kocht einfach fantastisch! Alles was er mir zubereitet schmeckt fantastisch.
Und ja richtig gelesen: Er. Ich bin offen homosexuell und seit zehn Jahren mit meinem Partner zusammen.

RockTimes So Philipp, unser Gespräch ist nun leider zu Ende. Mir hat es extrem viel Spaß gemacht und wir beide haben viele Buchstaben erzeugt. Rocktimes wünscht dir, deinem Team und dem Label alles Gute und weiterhin das gute Händchen für spannende Künstler. Das Schlusswort obliegt dir und wenn du noch etwas sagen möchtest: Es gibt keine textliche Längenbegrenzung.

Philipp: Danke Ulli, es war mir eine Ehre mit dir zu plaudern und ich danke dir herzlich für dieses Interview. Ich möchte gerne noch etwas dem Leser mit auf den Weg geben, dem ich danke, dass er diese Unterhaltung verfolgt hat: Hört auf euch auf eure Unterschiede zu fokussieren, sondern findet Gemeinsamkeiten! Respektiert einander, niemand tut dem anderen mit seiner Meinung weh und auch nicht damit wie er aussieht, wen er liebt etc. Und lasst euch nicht von irgendwelchen Pseudonormen spalten! Auch wenn das Leben im Moment nicht immer leicht ist, wir sollten zusammenhalten und nicht gegeneinander spielen, das gilt sowohl in gesellschaftlicher Hinsicht, als auch für die Musikszene!

Ich möchte an dieser Stelle noch alle grüßen und mich bei jenen bedanken, die uns bis heute begleitet und unterstützt haben. Auch bei meiner Familie, meiner Schwiegerfamilie und meinem Mann, Hannes Ritl und Sebastian und unseren Künstlern, für ihr Vertrauen in uns.

 

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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Mail: ulli(at)rocktimes.de

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