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Ozzy Osbourne / Patient Number 9 – Digital-Review

Ozzy Osbourne / Patient Number 9

Mit seinen Tourabsagen, die ihn seit 2019 zwangen, die geplante Konzertreihe mit Judas Priest mehrmals zu stornieren, hat Ozzy Osbourne seine Fans zunehmend irritiert beziehungsweise deren Geduld arg strapaziert. Mit Corona allein hatte das nicht viel zu tun. Die Termine sollen 2023 nachgeholt werden. Wer dem ungekrönten 'Prince Of Darkness' schon länger die Treue hält, der weiß, dass eine Solotour für die Besucher bis zum Start immer einem Drahtseilakt gleicht. Umso erstaunlicher, dass sich der 73-Jährige im zeitlichen Umfeld von Corona mit zwei Alben zurück meldet. "Ordinary Man" (2020) folgt zweieinhalb Jahre später "Patient Nummer 9" via Epic/Sony Music.

Für mich steht am Anfang die Frage, woher der Mann die Energie und die Kreativität nimmt, um ein anspruchsvolles, 62 Minuten langes Album wie "Patient Nummer 9" zu veröffentlichen.

Eine Frage, die sich so für den Künstler natürlich nicht erst stellt. Mit dem neuen Solowerk hebt sich Ozzy Osbourne traditionell von den Black Sabbath-Produktionen ab. Manchmal ein leichter Hauch Kommerz, aber nie zu weichgespült, sodass die 2001 auf "Down To Earth" veröffentlichte Ballade "Dreamer" als oft gespielter Radiohit unangefochten die Nummer eins aus der Feder des Briten bleibt.
Wer weiß, vielleicht wollte der Komponist bewusst auf einen Nachfolger in dieser Rubrik verzichten. Der Titelsong und Opener hätte in Ansätzen Hitpotenzial, weil er gut ins Ohr geht. Er ist aber für die Radio-Rotation mit sieben Minuten schlichtweg zu lang. Außerdem das Stück zu heavy, was sich erfreulicherweise durch das ganze Album wie ein roter Faden zieht.

Ein Höhepunkt ist "No Escape From Now". Zum ersten Mal überhaupt auf einem Soloalbum von Ozzy ist hier Black Sabbath-Mitbegründer Tony Iommi zu hören. Dass die Seele dieser legendären Formation zu Teilen auflebt, ist alles andere als eine Überraschung. Mit einer Spielzeit von knapp sieben Minuten ist diesem Lied ein angemessener Raum sicher. Es folgt mit "One Of Those Days" eine Nummer, die ruhig beginnt und im Anschluss sehr auf den Refrain orientiert ist. Eine Komposition, die nicht unbedingt typisch ist für den Sänger. Dennoch blitzt seine markante Stimme auf. Das Gitarrenspiel obliegt Eric Clapton, was Fans beider Seiten freuen dürfte.

Ein Fest für die Ohren und die Sinne ist "Mr. Darkness". Hier ist allein der Name Programm, während Zakk Wylde dafür die Riffs liefert, das ist Heavy Metal aus dem Lehrbuch! Wylde gibt auch bei "Evil Shuffle" als Gitarrist den Ton an. Er kann Black Sabbath, könnte man durchaus meinen, denn die dunkle Seite liegt ihm. Wie Tony Iommi, der beim nachfolgenden "Degradation Rules" zum zweiten Mal zum Einsatz kommt. Typischer kann ein Ozzy Osbourne nicht klingen. Verspielt klingt dieses Lied nicht nur, weil eine Mundharmonika zum Einsatz kommt. Wie ein Abgesang hört sich "Dead And Gone" an, denn hier geht es vergleichsweise ruhig zu, aber immer noch rockig und kräftig im Refrain. Gewissermaßen als Rausschmeißer fungiert "Darkside Blues", wieder mit einer Mundharmonika als Begleiterin. Allerdings ist hier dem Produzenten Andrew Watt beim Mischen dieser kurzen Nummer offenbar die Luft ausgegangen.

Wo Ozzy Osbourne draufsteht, steckt unverkennbar Ozzy O. drin. Insofern haben alle Tracks gesanglich einen hohen Wiedererkennungswert. Abwechslungsreich in der Begleitung bleiben sie bis zum Schlussakkord, wofür nicht zuletzt die weiteren Gastmusiker Mike McCready (Pearl Jam), Chad Smith (Red Hot Chili Peppers), der kürzlich verstorbene Taylor Hawkins (Foo Fighters), Robert Trujillo (Metallica), Duff McKagan (Guns N' Roses) und Chris Chaney (Jane’s Addiction) sorgen. An guten Begleitmusikern war dem Sänger schon immer gelegen. So hatte der Beatles-Fan bei einem früheren Werk bei Paul McCartney angefragt. Dieser lehnte damals allerdings ab, den Bass bei einem Song zu spielen. Die Begründung: Er könne nichts verbessern, was schon fertig sei.

Welche Musiker aktuell an der Seite von Osbourne außer Zakk Wylde in der Stammbesetzung werkeln, erfahren wir aus dem Begleitmaterial zur Digital-Review nicht. Fazit: "Patient Number 9" ist ein vergleichsweise dunkles Album. Irgendwo zwischen den Mainstream-lastigen früheren Alben und Scheiben seiner ehemaligen Band Black Sabbath. Es ist aber beileibe kein Album dieser Formation. Hier bleibt sich der Urheber in seiner Linie treu. Ozzy Osbourne zeigt sich breit aufgestellt, heavy und überrascht mit seinen Gastmusikern.

Während seine ehemaligen Bandkollegen vor zehn Jahren geordnet den Rückzug vom Musikgeschäft angetreten haben, bastelt der 73-Jährige weiter an seiner Karriere. Osbournes 13. Soloalbum ist in verschiedenen Konfigurationen erhältlich – als CD, Deluxe CD mit Poster, als Picture Disc, in verschiedenen exklusiven Vinylfarben neben schwarz und für Nostalgiker sogar als Musikkassette.


Line-up Ozzy Osbourne:

Ozzy Osbourne (vocals – #1-13)
With:
Jeff Beck (guitars – #1,6)
Mike McCready (guitars – #2)
Zakk Wylde (guitars – #3,7,8,9)
Tony Iommi (guitars – #4,10)
Eric Clapton (guitars – #5)

Trackliste "Patient Number 9":

  1. Patient Number 9
  2. Immortal
  3. Parasite
  4. No Escape From Now
  5. One Of Those Days
  6. A Thousand Shades
  7. Mr. Darkness
  8. Nothing Feels Right
  9. Evil Shuffle
  10. Degradation Rules
  11. Dead And Gone
  12. God Only Knows
  13. Darkside Blues

Gesamtspielzeit: 61:56, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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