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Pendragon / Masquerade 20 – DVD-Review

Theater, Theater! Wyspianski-Theater, Katowice, Polen. Hier haben Pendragon nach And Now Everybody To the Stage… (2006), dem Concerto Maximo von 2009 und Out Of Order Comes Chaos (2013) auch dieses live-haftige Bewegtbilddokument aufgezeichnet. Im Gegensatz zu Arena, der 'Zweitband' von Keyboarder Clive Nolan, die mit XX neulich das Theater gewechselt hat, ist man sich da treu geblieben – und das ist auch verdammt gut so. Denn die Technik, die auch hier wieder in diesem schnuckligen Haus mit seinen drei 'Etagen' aufgefahren wird, ist einfach unschlagbar – Kameras an Kränen, auf Schienen und auf Schultern. Dazu eine gut gelaunte Band, die den 20. Geburtstag ihres Werks "The Masquerade Overture" feiert. Das tun Frontmann Nick Barrett und Konsorten, indem zunächst einmal der komplette Klassiker am Stück auf der Spielliste steht. Das führt dazu, dass eine Nummer "Paintbox", die auf der Vorgänger-DVD noch einen klasse 'letzte Nummer' war, nun (natürlich) an dritter Stelle steht, dafür aber auch ein Stück wie "Guardian Of My Soul" erst in die Setlist hineinrutscht.

Die mehr als zwölf Minuten lange Nummer mit ihren vielen dramaturgischen Wendungen ist eines der klaren Highlights dieser Live-Feier des Geburtstagsalbums. Zur Songzeile »All the ticking and the tocking of the clock that weeps« werden in den Hintergrund passenderweise Uhren projiziert und unterstreichen die packende Gesamtatmosphäre mit optischen Akzenten. Der neue Schlagzeuger Jan-Vincenz Velazco überzeugt auf seiner ersten Live-Aufnahme mit der Band (nicht nur hier) mit zugleich kraft- und gefühlvollen Fills. Im Finale von "Masters Of Illusion" bekommt er sogar ein kurzes Solo. Auch die Tracks, die seinerzeit auf der Bonus-CD von "The Masquerade Overture" erschienen sind, kommen zur Aufführung, wobei besonders "King of The Castle" heraussticht. Bassist Peter Gee nimmt bei diesem balladenhaft-leichten Stück eine akutische Gitarre zur Hand.

Und die beiden Background-Sängerinnen haben ihren einprägsamsten Auftritt. Christina Booth, sonst immerhin Frontfrau von Magenta, und Verity Smith, die bei Clive Nolans Alchemy-Auftritten mit am Start war, haben während des gesamten Gigs lediglich kurze und präzise Einsätze – hier aber einen minutenlangen Auftritt im Scheinwerferlicht mit non-verbalem Gesang. Das sind klasse Momente! … die einen über manch andere Aktivitäten Frau Smiths mehr oder weniger hinwegsehen lassen. Singen kann sie wirklich gut. Warum sie aber meint, jedes Mal, wenn ein wenig Dynamik in die Musik kommt, wie entfesselt tanzen zu müssen und lachend ihre Gliedmaßen unsortiert durch die Luft wirbelt, selbst, wenn die noch so temporeichen Passagen überhaupt nichts Fröhliches ausstrahlen (Negativbeispiel: während "Indigo"), das bleibt ihr Geheimnis. Man kann leider nicht anders, als hinzuschauen.

Hinhören lohnt sich im Gegensatz dazu fast immer, wenn Pendragon nach der "Masquerade"-Show noch acht weitere, teils richtig lange Nummern darbieten, darunter vier vom immer noch aktuellen Album "Men Who Climb Mountains". Das rockig-eingängige "Beautiful Soul" überzeugt genau so wie das malerisch-introviert startende "Faces Of Light" (erneut schöne optische Effekte, in diesem Fall, passend zum Songtitel, Spielereien mit Licht). Während "Explorers Of The Infinite" dagegen eher als überlange Bremse wirkt, erweist sich "Come Home Jack" in der Bühnenfassung als großartig. Mit der verstörenden Stimmung dieser Komposition ziehen Barrett & Co. den Zuschauer komplett in ihren Bann. Gemeinsam mit der Zugabe "Indigo" (von Pure, 2008) ist "Come Home Jack" wohl der eindrücklichste Arbeitsnachweis der 'modernen' Pendragon.

Ein weiterer Höhepunkt bedarf noch der Erwähnung: Es ist toll, dass "This Green And Pleasant Land" vom Album Passion auch auf diesem Konzertmitschnitt enthalten ist. In der Art und Weise, wie diese Nummer epischerweise vom (positiv gemeint!) depri-Gilmoure'esken hin zu einem vor optimistischen Melodien strotzenden Kraftpaket wird, ist einfach sagenhaft. Apropos Gilmour und Pink Floyd … dass Pendragon viel Floydiges haben, ist kaum zu bestreiten (siehe bzw. höre beispielsweise auch "Guardian Of My Soul"!). Hin und wieder wirkt man auf dieser Live-DVD allerdings auch etwas unfreiwillig 'pinky'. Bei "The Pursuit Of Excellence" klingt Nick Barrett schon ein wenig ungewollt nach Roger Waters, weil der Gesang allzu 'daneben' liegt – Mr. Waters ist ja nun auch nicht der Vokalist vor dem Herrn.

Was jedoch bei den Vorbildern aber Kultstatus hat, ist bei vorliegender Scheibe eher eine Schwäche: Nick Barretts Gesangsleistung ist weniger stark und gründlich als bei Konzert-Outputs Jahre zuvor, deren Kaufempfehlung nach wie bevor nachdrücklich besteht. Für "Masquerade 20" gilt: Die Qualität ist (natürlich) hoch und das Konzert ist die erwartete zweieinhalbstündige musikalische Hypnose voller emotionaler Metamorphosen, für die man Pendragon lieben muss. Und auch, wenn gewisse Stärken wieder einmal formidabel ausgespielt werden, wie zum Beispiel der Bildschnitt, der so butterweich zur organischen Musik passt, wie es nur irgendwie sein kann – "Masquerade 20" bleibt objektiv leicht hinter seinen Vorgängern zurück, ist subjektiv natürlich ein Must-Have für Edelfans.

Das Bonusmaterial ist kaum erwähnenswert – erwähnen sollte man dennoch, dass der knapp fünfminütige Track "In Bardo in Sri Lanka" keinesfalls etwa die Band auf einer exotischen Konzertreise begleitet. Es handelt sich ganz offensichtlich um private Videoaufnahmen Nick Barretts beim Urlaub, unterlegt mit Pendragon-Musik. Also bitte nix Besonderes erwarten …


Line-Up Pendragon:

Nick Barrett (guitar. vocals)
Clive Nolan (keyboards, backing vocals)
Peter Gee (bass guitar, bass pedals, backing vocals, keyboards)
Jan-Vincent Velazco (drums)
Christina Booth (backing vocals)
Verity Smith (backing vocals)

Tracklist "Masquerade 20":

  1. The Masquerade Overture
  2. As Good As Gold
  3. Paintbox
  4. The Pursuit Of Excellence
  5. Guardian Of My Soul
  6. The Shadow
  7. Masters Of Illusion
  8. King Of The Castle
  9. Schizo
  10. Beautiful Soul
  11. Faces Of Light
  12. Nostradamus
  13. Explorers Of The Infinite
  14. Come Home Jack
  15. This Green And Pleasant Land
  16. Breaking The Spell
  17. Indigo

Bonus:

  1. Interview with Peter Gee and Jan-Vincenz Velazco
  2. In Bardo in Sri Lanka
  3. Photo gallery
  4. Discography
  5. Desktop images

 

Gesamtspielzeit: 152:20, Bonusmaterial: 21:53, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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