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Skinny Molly / Here For A Good Time – CD-Review

Wo Skinny Molly drauf steht, muss Southern Rock drin stecken. Schließlich bildet sich dieser Name doch wie ein reduziertes Anagram aus Lynyrd Skynyrd und Molly Hatchet. Kein Wunder, wenn der Bandleader Mike Estes bei der erstgenannten Referenz bereits knapp drei Jahre auf dem Buckel hat und mit Blackfoot einer sehr gleich gesinnten und grandiosen Combo angehörte.

Also freute ich mich auf Southern Rock und wurde bestens bedient, knackig, emotional und mit schönen Anleihen aus benachbarten Spielfeldern. Ganz besonders lachte mein Musik-Herz angesichts der Tatsache, dass die Americana orientierten Ausflüge der Band recht nah beim "Ashes And Dust"-Projekt meines Lieblingshelden Warren Haynes liegen.

Vorweg genommen, die Jungs erfüllen alle Erwartungen, bieten Südstaaten-Klänge vom feinsten. Was mich besonders erfreut ist die Tatsache, dass sich die Band im Gegensatz zu den übrigen Serientätern auf diesem Gebiet dazu durchringen konnte, die Gitarrensoli auf eine markante Linie zu beschränken. Gewöhnlich prügeln die Herren Skynyrd oder Outlaws Dir mitunter drei gleichzeitig abgefeuerte Salven um die Ohren, was zwar einerseits eine mächtig markante Sound-Wave auslöst, mich aber zugegebenermaßen oft orientierungslos verwirrt und wuschig zurück lässt. Ich möchte ganz gern folgen können, aber bei drei Lead-Gitarren bin ich da wohl überfordert. Danke Mike und Jay für Eure Transparenz!

Schon der Auftakt reißt mich mit, fahren wir in den Tunnel ein fast wie damals beim "Sweet Home Alabama". Zumindest die ersten Akkorde erinnern ein wenig daran. Aber das, was folgt, ist keineswegs alt oder abgestaubt, die Songs klingen frisch und aktuell, knackig harte Sounds in den Grund-Themen ohne jeden Schnörkel, gradlinig organische Soli wie an der Schnur gezogen. Das passt, das ist harte Rockmusik, die nicht nur Südstaatler, sondern auch die Yankees befriedigt.
Herrlich gefühlvoll slidet sich Mike durch das beschaulich, romantische "Dust It Off", nur um in "Snakebit" sogleich einen coolen Drive aufzubauen, der mich ganz massiv an die neueren Wunderwerke des sehr geschätzten Leslie West erinnern, dessen Mountain nicht nur das berühmte Woodstock, sondern auch mein erstes Festival einst erstklassig bereicherte. Mit den Bergen hatte ich es schon immer.

Mein Favorit ist eindeutig die Lousiana-Swamp-Anleihe "Ride", die die Sümpfe dieser Region schwitzig erdig im Kleinhirn erwachsen lässt. Großartig das Zusammenspiel des markant eindringlichen Gesangs mit der gut proportionierten Instrumentalisierung. Die Jungs wissen, wie es geht.

Wenn der Süden Gas gibt, dann steckt da auch immer ganz viel von meinen persönlichen musikalischen Glücksgefühlen zwischen den Zeilen. Der Text von "Simple Man" prangt auf einem für meine Familie sehr wichtigen Bild, das die wunderbare Rosie Geißler, kürzlich hier mit ihrer Ausstellung beworben, einst für uns gemalt hat. Der Geist dieser Musik schwebt auch über Skinny Molly, die sich einen bevorrechtigten Platz in ihrem Genre erworben haben, wo doch die meisten Helden dieser Zunft allmählich das Rentenalter erreichen, was ja gar nicht so einfach zu sein scheint, wenn man sich Lynyrds dramatische Bandgeschichte vergegenwärtigt. »The Big Wheels Keep On Turning«, und das ist auch gut so.

"Here For A Good Time" ist ein sehr passender Titel, denn der Genuss dieser CD hinterlässt ganz sicher ein gutes Gefühl, wenn man auf gradlinigen harten Rock steht. Allein die Frage nach der zeitlichen Zuordnung hat bei mir für ein klein wenig Verwirrung gesorgt. Ganz offensichtlich wurden die Songs 2014, kurz nach der gütlichen Trennung der Band von Ruf-Records, aufgenommen, erschienen sind sie eben erst in diesen Tagen als Eigenpressung. Mag wohl sein, dass zuvor ein passender Verleger fehlte, das habe ich nicht eindeutig eruieren können. Umso schöner, dass der Vertrieb nun über Just For Kicks Music läuft, wo ich seit Jahren vor allem meine Progressive Alben kaufe. Im Leben sieht man sich eh immer zweimal – mindestens. Ach ja, es wäre eine Schande, wenn uns die Götter des Rock’n’Roll diese Songs vorenthalten hätten!

Line-up:

Mike Estes (vocals, lead guitar, mandolin)
Jay Johnson (lead & rhythm guitar)
Kurt Pietro (drums)
Luke Bradshaw (bass)

Tracklist:

  1. Here For A Good Time
  2. For Y’All
  3. Give You All Night
  4. When The Goin' Gets Tough The Tough Go Fishin'
  5. Dust It Off
  6. Snakebit
  7. Glad I Ain’t You
  8. Make It Easy
  9. Ride
  10. Girls Like You

Gesamtspielzeit: 37:24, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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2 Kommentare

  1. Ulli Heiser

    Hallo Tim,

    Danke für deine Info. Und ja, warum haben wir nicht darüber berichtet? Es gibt definitiv viel zu viel gute Musik, sodass es unmöglich ist, alles zu berücksichtigen. Um es mal mit dem Schweizer Paul Schiber zu sagen: >>Die Musik gehört zum Leben; schon Adam und Eva haben gesungen<<.

  2. Tim

    Sorry, aber die CD ist schon seit 2014 draussen und bestellbar, zumindest über die HP der Band. Hatte mich gewundert, warum Ihr nie darüber berichtet, seidt ja ansonsten immer gut dabe,i wenn es um Southern Rock geht. Die neue FOGHAT könnte man auch berücksichtigen, die ist gut und auf jeden Fall ein Review wert. Gruss

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