Eine leider nur ziemlich kurze Reise mit tragischem Ende war es, die die englisch/schottische Band Stone The Crows aufs Parkett legte. Nachdem der Led Zeppelin-Manager Peter Grant die Combo Ende der sechziger Jahre live in einem Club gesehen hatte und ihm währenddessen mehrmals ein ungläubiges »Stone the crows!« (was in etwa mit 'Mein lieber Mann…' oder 'Kaum zu glauben' übersetzt werden kann) über die Lippen kam, nahm er das Quintett anschließend sofort unter Vertrag, verpasste ihm seinen neuen Namen und besorgte den Musikern seinerseits umgehend einen Plattenvertrag. Alles lief richtig gut, drei Platten sowie sehr viele erfolgreiche Touren und Auftritte hatte die Band bereits hinter sich, als der Gitarrist Les Harvey plötzlich und vollkommen unerwartet durch einen Unfall auf der Bühne verstarb. Mit halbem (und gebrochenem) Herzen schleppten sich die Musiker um die Frontlady Maggie Bell noch etwa ein Jahr (mit dem neuen Gitarristen Jimmy McCullogh) über die Bühnen, bis dann Schluss war.
Und wie stark diese Band live tatsächlich war, davon spricht die hier zu reviewende 4-CD-Box "Live At The BBC" sprichwörtich Bände. In den sechziger und auch durch die siebziger Jahre gehörte es in England zum guten Ton, dass Bands in die Studios des englischen Senders BBC eingeladen wurden, wo sie ihr Programm live einspielen und während der darauffolgenden Ausstrahlung somit eine große Reichweite erzielen konnten. Bereits bei den ersten hier festgehaltenen Sessions vom November 1969 und Mai 1970 zeigt sich die Klasse der Combo. Zu dieser Zeit war noch der Bassist Jim Dewar in der Band, der im Sommer 1971 zur neuen Formation von Robin Trower abwanderte, der seinerseits gerade Procol Harum verlassen hatte. Da Dewar auch ein sehr guter Sänger war, teilte er sich in diesen ersten Jahren die Lead Vocals mit der guten Maggie Bell. Superstark kommt beispielsweise (um nur mal eine Nummer heraus zu heben) das Gesangs-Duett bei der Eigenkomposition "The Touch Of Your Loving Hand", das stilistisch sehr stark an Otis Redding erinnert.
Mit der zweiten CD folgt der Sprung ins Jahr 1971 und einer erkennbar rockigeren Spielart der Band, selbst wenn die allgegenwärtigen Blues-Elemente auch hier nicht weg zu diskutieren sind. Für die ausgestiegenen Jim Dewar und John McGinnis waren Steve Thompson am Bass und Ronnie Leahy an den Tasten hinzugekommen und veränderten den Sound der Band hörbar, ohne jedoch zu weit vom Ursprung abzuweichen. Klasse und mit leichter Funk-Note versehen kommt "Big Jim Salter" und auch das Paradestück der Band, Sonny Terry & Brownie McGhees "Penicillin Blues" ist auf diesem zweiten Silberling erstmals vertreten. Eine Band von der Qualität Stone The Crows ließ selbstverständlich auch bei dem Don Nix-Klassiker "Going Down" nichts anbrennen. Maggie Bell hatte die Lead Vocals mittlerweile für sich alleine gepachtet, genoss dies hörbar und legt eine permanent starke Leistung hin. Die ersten Aufnahmen mit dem für Les Harvey gekommenen Jimmy McCulloch sind die den Rundling Nr. 2 abschließenden Stücke "Good Time Girl", "Penicillin Blues" sowie "On The Highway".
Konnten die Verluste von Jimmy Dewar und John McGinnis ein Jahr zuvor noch aufgefangen werden, war der Verlust von Les Harvey der Anfang vom Ende für die Band. Nichts gegen Jimmy McCulloch, aber vielleicht war Stone The Crows einfach nicht die richtige Band für ihn. Der spätere Wings-Gitarrist legt sich zwar ziemlich ins Zeug (was auch auf der zweiten Hälfte der dritten CD deutlich wird), konnte die Persönlichkeit, den Ausdruck und die Intensität in Harveys Spiel jedoch nie wirklich ersetzen. Den direkten Vergleich kann man auf diesem Dutzend Tracks nachvollziehen. Schlecht sind die alle nicht, nur halt mit den kleinen feinen Unterschieden versehen. Sowohl die Eigenkompositionen, als auch die Coversongs (Bob Dylans "Don’t Think Twice, It’s All Right", nochmal "Going Down" und erneut der "Penicillin Blues") machen keine Gefangenen. Wohl dem, der damals im Publikum dabei war. Die vierte CD springt dann nochmal zurück ins Jahr 1970 und darf als Bonus angesehen werden. Es kommt zwar (wie auch auf den ersten drei CDs) zu Song-Überschneidungen, aber auch zu auf dieser Box erstmalig auftauchenden Tracks wie das zweigeteilte "I Saw America Pt. I & III (während der Rezensent immer noch auf der Suche nach Part II ist), "Danger Zone", "Sad Mary" sowie "Blind Man".
"Live At The BBC" darf durchaus als Vollbedienung auf CD-Format in Sachen 'Stone The Crows live auf der Bühne' angesehen werden. Über vier Stunden erstklassiger Blues Rock mit einer außergewöhnlich starken Sängerin Maggie Bell, der ihre Kollegen an den Instrumenten kaum nachstehen. Abschließend kommt hinzu, dass auch der Sound vom Spezialisten Eroc nochmal so richtig auf Vordermann gebracht wurde. Ganz dicke Empfehlung!
Line-up Stone The Crows:
Maggie Bell (lead vocals – CD 1-4)
Jim Dewar (bass & lead vocals – CD 1, CD 2 – #1,2, CD 4)
Les Harvey (guitars – CD 1, CD 2 – #1-7, CD 3 – #1-5, CD 4)
John McGinnis (keyboards – CD1, CD 2 – #1,2, CD 4)
Ronnie Leahy (keyboards – CD 2 – 3-10, CD 3)
Colin Allen (drums – CD 1-4)
Steve Thompson (bass – CD 2 – #3-10, CD 3)
Jimmy McCulloch (guitars – CD 2 – #8-10, CD 3 – #6-12)
Tracklist "Live At The BBC":
- Raining In Your Heart
- The Touch Of Your Loving Hand
- Freedom Road
- Hollis Brown
- Raining In Your Heart
- Friend
- Mad Dogs & Englishmen
- Love 74
- Things Are Getting Better
CD 2:
- Faces
- Let It Down
- Big Jim Salter
- Keep On Rollin'
- Going Down
- On The Highway
- Mr. Wizard
- Good Time Girl
- Penicillin Blues
- On The Highway
- Keep On Rollin'
- Don’t Think Twice, It’s All Right
- Big Jim Salter
- Mr. Wizard
- Going Down
- On The Highway
- Palace Of The King
- Penicillin Blues
- Sunset Cowboy
- Niagara
- Goodtime Girl
- Ionian Highland Lilt
CD 4:
- Freedom Road
- Blind Man
- Danger Zone
- Hollis Brown
- I Saw America Pt. I
- I Saw America Pt. III
- Sad Mary
- Penicillin Blues
Gesamtspielzeit: 61:00 (CD 1), 50:34 (CD 2), 72:16 (CD 3), 62:35 (CD 4), Erscheinungsjahr: 2022 (1969 – 1972)
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