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Sun Dial / Mind Control (The Ultimate Edition) – DoCD-Review

Sun Dial / Mind Control (The Ultimate Edition)

Aller guten Dinge sind drei. So in etwa könnte man die "Ultimate Edition" von Sun Dials "Mind Control" einordnen, denn das Original-Album erschien bereits 2012 und wurde, wohl durch den Wechsel zu Sulatron-Records, in 2015 mit zwei Bonus-Tracks neu verlegt. Nun also folgt der finale Akt mit einer kompletten, zusätzlichen Scheibe, die bislang unveröffentlichte Songs und alternative Versionen aus dem Entstehungszeitraum des Originals enthält.

Über den Werdegang der Band, die bereits seit 1990 am Start ist und die Ausprägungen des ersten Teils, ergo dem ursprünglichen Album "Mind Control", möchte ich nicht zu viele Worte verlieren, denn unser Ulli hat bereits im August 2016 die Sulatron-Version besprochen und ich kann seine Worte von damals in vielerlei Dingen nur bestätigen. Leider auch, was meine bisherigen Erfahrungen mit der Band angeht. Zu der Zeit, da ich etliche Platten aus dem Stall von Dave Schmidt damals zur Besprechung bekam und die Neuerscheinungen bei Sulatron stets mit wachem Auge verfolgte, waren Sun Dial noch anderswo unter Vertrag, darum mögen sie mir bis heute  verborgen geblieben sein. Faszinierend, dass auch Ulli beim markanten Opener und längstem Stück auf dem Album, "Mountain Of Fire & Miracles", sogleich Pink Floyd assoziierte. Ging mir auch so, doch während er bei "Careful With That Axe, Eugene" einschlug, landete ich schon mit dem ersten Hördurchgang bei "Set The Controls For The Heart Of The Sun", eine Nummer, die auch sehr spannend von Vibravoid gecovert wird. Die Düsseldorfer Jungs um Christian Koch liegen musikalisch sicherlich auch in der Spur dieses Albums und bieten selbst diverse Referenzen dazu.

Tatsächlich bewegt sich die Musik von Dial Sun auf krautigen Pfaden und die Psychedelik wird nicht selten mit organischen Instrumenten wie der Geige heraufbeschworen; etwas, was in den Aufbruch-Tagen der deutschen Rockmusik auch immer sehr gern praktiziert wurde. Vielleicht ist es aber gerade auch dieser Umstand, der mir hier und da noch eine ganz andere Verbindung vermittelt, die sich übrigens auch in den hypnotisch repetitiven Gitarren-Linien manifestiert. Ich kann nicht umhin, mich immer wieder mal an The Velvet Underground erinnert zu fühlen.

Psychedelische, Trance-artige Grooves wechseln mit fast rein elektronischen Klangcollagen, so dass im Kleinhirn immer wieder für ein wenig Entspannung gesorgt wird, bevor der nächste hypnotische Part die Hirn-Moleküle des interessierten Zuhörers Stück für Stück absaugt und in sehr farbige Wolken und Strömungen auflöst. Wenn im Titelstück elektronische Schnipsel scheinbar orientierungslos im Hintergrund hin und her treiben, während die Gitarre weiter vorn in einer Art entschleunigtem Hawkwind-Riff eintönig durchs All treibt, vermag das fast ein wenig süchtig zu machen. Einfach fallen und treiben lassen, sehr geil. Das Indian Camel von der Bröselmaschine funktioniert übrigens auf ganz ähnliche Weise. Später, wenn die Riffs sich ebenfalls in Wohlgefallen aufgelöst haben, bekommt das alles einen noch spacigeren Touch. Der höchst organische Übergang zu "In Every Dreamshome A Heartache" mit sanfter akustischer Gitarre und spärlicher Violine setzt einen echten Gänsehauteffekt zu der Psycho-Tour der zurückliegenden Nummer. Ein toller Akzent. Faszinierend, dass der hier passiv aggressive Gesang auf mich wirkt, als sei er als eine Leihgabe aus dem Grunge entnommen. Die kulminierende und sehr fuzzige Gitarre setzt einen absoluten Höhepunkt – vielleicht für das ganze Album.

Interessanterweise nimmt die Bonus-Scheibe "Mind Control: Flashbacks From The Aether" genau diesen coolen Sound auf und präsentiert mit "Lost And Found" eine eingängig treibende Nummer, die man fast schon als Acid-Rock bezeichnen kann und die deutlich mehr rockige Intensität vermittelt als das Original-Album. Ist das echt die gleiche Band? "I Can Tell" legt gleich in diesem Sinne nach, wir scheinen uns von den elektronischen Klängen in ein Gitarren-Imperium umzuorientieren, doch "Liquid Grey" macht sozusagen die Rolle rückwärts und wir dürfen uns an schönem floydschen Georgel erfreuen. Eine sanfte Flöte sorgt für weitere Akzente. Diese Psychedelik hat ein wenig von Sweet Smoke, die 1970 mit Just A Poke ein phänomenales Album produzierten. "Fire From The Sky" ist dann wieder so eine geil marschierende Gitarrennummer, wie sie perfekt zu einem Soundtrack in die Kult-Krimiserie "Die Zwei (The Persuaders)" hinein gepasst hätte. Dort bediente man sich damals gerne solcher Musik, wenn die Herren Curtis und Moore in der Schickimicki-Szene an der Côte d’Azur ermittelten, was neben der genial witzigen  Synchronisation von Rainer Brandt die Filme zusätzlich sehenswert macht. Kult eben.

Die Hauptschlagader des Albums liegt für mich in den beiden Teilen "Mask Of Dawn", die den Unterschied zum Original-Album deutlich machen, ohne sich stilistisch von diesem zu lösen. Eindeutige Gitarrenorientierung und eine schärfere Gangart bringen es auf den Punkt. Die Riffs sind kratziger und griffiger, die Soli fuzzig und psychedlisch, die Elektronik spielt eher im Hintergrund, um einen passenden Klangteppich unter zu legen. Hawkwind kommen mir hier immer wieder in den Sinn, keine schlechte Referenz.

Mitten drin liefert dann aber "Siren Song" ein wunderschön monoton im Raum hängendes Gebilde aus allerlei getasteten Tönen, dem sich ein völlig überraschendes, sehr poppiges Kleinod namens "1018a" anschließt. Diese Nummer hat einen faszinierenden Steigerungslauf mit zunächst kaum spürbaren Intensitätssteigerungen. Die ausgeprägte Rhythmik vermittelt mir ein wenig vom Spirit der King Crimson aus der Zeit etwa Mitte der Achtziger.

Zusätzlich gibt es mehrere alternative Versionen vom Original-Album, wobei "Burned In" hier eigentlich einen ganz eigenen Charakter entwickelt und fast so klingt, als hätte es mit dem zweiten Teil von Vangelis' "Heaven & Hell" gekuschelt. Eine erstaunliche stilistische Vielfalt wird uns hier geboten. Und "Spiral" finalisiert eingängig rhythmisch und mit schönen Keyboard-Sounds, die fast ein wenig wie bei Ray Manzarek klingen und einem kurzen, aber effektvollen und -reichen Gitarrensolo.

Dieses zweite Album mit den Outtakes aus der Zeit, als das Original entstand, besitzt einen hohen Grad an Eigenständigkeit, da es die Musik von "Mind Control" in einem deutlich anderen Duktus präsentiert und weitgehend sehr schöne Songs beisteuert, die wir sonst wohl nie zu hören bekommen hätten. Auch hier kann ich mich meinem Vorschreiber Ulli nur anschließen und meine Freude zum Ausdruck bringen, mit dieser Musik in Kontakt geraten zu sein. Zeitloser Psychedelik-Rock und viele elektronische Spielereien jenseits der Konventionen, vor allem aber auch immer mit einer guten Portion Fuzz – diese Musik hätte auch 1967 entstanden sein können und das macht sie so charmant.


Line-up Sun Dial:

Gary Ramon (guitar, vocals, mellotron, mini-Moog, Arp, Hammond organ drums)
Scorpio (bass, 6-string bass, Moog Taurus 3, bass pedals)
Conrad Farmer (drums)
Joolie Wood (violin, melodica, flute, bass recorder)
Cleo Ramon (moog source)

Tracklist "Mind Control (The Ultimate Edition)":

CD1: "Mind Control: Original Album"

  1. Mountain Of Fire & Miracles
  2. Radiation
  3. Burned In
  4. Mind Control
  5. Last Reys Of The Sun
  6. In Every Dreamhome A Heartache
  7. Seven Pointed Star (short version)
  8. World Without You

CD2: "Flashbacks From The Aether"

  1. Lost And Found
  2. I Can Tell
  3. Liquid Grey
  4. Seven Pointed Star (full version)
  5. Fire From Heaven
  6. Mask Of Dawn (part one)
  7. Siren Song
  8. 1018a
  9. Radiation (early mix)
  10. Mask Of Dawn (part two)
  11. Burned In (alternative take)
  12. Spiral

Gesamtspielzeit: 45:37 (CD1), 56:17 (CD2), Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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