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U.D.O. / Touchdown – Digital-Review

u.d.o.-touchdown

Mit dem Namen Udo Dirkschneider verbinde ich mehrere Dinge: Da ist zunächst die unverkennbare Stimme des 71-jährigen, wohl für viele Menschen ein Markenzeichen. Oft ist zu hören, er sei bis heute der einzige wahre Accept-Sänger. Ich weiß nicht, ob derartige Vergleiche aus der Fan-Szene angebracht sind, weil sie in gewisser Weise ungerecht gegenüber dem aktuellen Sänger von Accept sind. Schließlich steht Mark Tornillo der gleichnamigen Band bereits seit 2009 vor. Niemand weiß genau, wie der frühere Sänger selbst dazu steht. Musiker verhalten sich zumeist loyal.

Jedoch ist und bleibt Accept ein fester Begriff im Zusammenhang mit Udo Dirkschneider. Die Band mit ihm als Gründungsmitglied hatte viele Musikerkollegen frühzeitig bei der Stilfindung beeinflusst. Das betraf neben dem klassischen Heavy Metal die Richtungen True Metal und Speed Metal. Eine konstante Größe bei Accept blieb stets der Personalwechsel. Auf der anderen Seite setzte es mit "Restless And Wild" (1982), "Balls To The Wall" (1983) und "Metal Heart" (1985) Alben, die noch heute den Status Meilenstein haben. Meilensteine, die gefühlt einen goldenen Glanz haben. Nimmt man die Stücke von einst und heute, verbieten sich die ewigen Vergleich mit Accept. Das aktuelle Album "Touchdown", das in allen gängigen Formaten erhältlich ist, ist angesichts der abwechslungsreichen musikalischen Kost der beste Beweis. Es ist Heavy Metal der besten Art. Es lässt keine Langeweile aufkommen. Es ist Freude pur.

Das Phänomen um Udo Dirkschneider ist, dass er in der Öffentlichkeit meistens solo wahrgenommen wird, in Wirklichkeit aber ein glänzendes Ensemble um sich hat. Seine aktuelle Band kann man mit bloßen Worten kaum beschreiben: Kann eine Formation besser besetzt sein? Zum Quintett gehört Sohn Sven Dirkschneider am Schlagzeug. Auffällig ist ebenso die Personalie Fabian Dee Dammers: Der deutsche Gitarrist und Komponist ist Jahrgang 1992 und damit 40 Jahre jünger als der elterliche Chef im Ring! Zweiter Gitarrist ist der russische Rockmusiker, Multi-Instrumentalist und Songwriter Andrey Smirnov, Jahrgang 1983, der mit seiner Familie, darunter zwei Kinder, seit acht Jahren in der Ukraine lebt. Dann gibt es am Bass einen gewissen Peter Baltes, der zwischen 1976 bis 2018 in den Diensten von Accept stand und dort lange ein Aushängeschild in puncto Treue war! Nicht nur das: Als im September 2022 der damalige U.D.O.-Bassist Tilen Hudrap infolge von Krankheit die Tour unterbrechen musste, war Musikerkollege Baltes zur Stelle. Mit ihm wurde "Touchdown" eingespielt, was für Udo Dirkschneider und dessen Formation U.D.O. keinerlei Diskussion erst aufkommen ließ. Zweifel gab es keine.

Der Opener "Isolation Man"  legt sprichwörtlich los wie die Feuerwehr. Es ist Speed Metal vom Feinsten. Dem folgt das kraftvolle "The Flood", auf dem Dirkschneider demonstriert, was seine Stimme so einzigartig macht. "The Double Dealer’s Club" ist eine Hymne, die man stellvertretend gut und gern als eine Art Erkennungsmelodie für dieses Album betiteln kann. Dafür steht der Refrain mit dem typischen Satzgesang. Und wieder ist es da, dieses Gänsehautgefühl, das von dem gebürtigen Wuppertaler und dessen Stimme ausgeht. Wenn es einen Messwert für persönlichen Einsatz im Heavy Metal gibt, dann spielt Udo Dirkschneider garantiert in der ersten Liga.

Weiter geht es mit dem "Fight For The Right". Der Titel gibt allein musikalisch die Richtung vor. Ein Gitarrensolo liefert hier Andrey Smirnov mit dem "Türkischen Marsch". Dieses Lied soll aus Sicht des Gitarristen den Ukraine-Krieg wiederspiegeln. Der Song macht deutlich, womit wir es auf "Touchdown" insgesamt zu haben: Einerseits ein Wiedersehen zweier ehemaliger Accept-Kollegen, das generationsübergreifende Musizieren, die Symbolik des Krieges an einem Beispiel und einen abwechslungsreichender Reigen starker Metal-Hymnen. Die Handschrift von Smirnov und dessen Hang zur klassischen Musik hören wir ebenso auf dem finalen Titel "Touchdown", der dem Album den Namen gab. Insgesamt gibt es 13 hörenswerte Kompositionen feinster Metal-Prägung, die der Produktion die Empfehlung Dauerschleife einbringen.

U.D.O-Sänger Udo Dirkschneider steht außerdem für ein bemerkenswertes Cover-Album mit dem Namen My Way, das er sich anlässlich seines 70. Geburtstages am 6. April 2022 praktisch selbst auf den Gabentisch gelegt hat. Zu guter Letzt gibt es da noch eine persönliche Begebenheit: Am 15. August 1992 durfte ich als Tageszeitungsredakteur aus Thüringen das Metal-Festival "Super Rock" in Mannheim auf dem Mainmarkt-Gelände besuchen. Zwar ohne Fotoerlaubnis, aber mit Tagesakkreditierung. Zu erleben waren beispielsweise Black Sabbath mit Sänger Ronnie James Dio und Iron Maiden mit Bruce Dickinson, kurz vor dessen Ausstieg aufgrund einer vorübergehenden Solokarriere. So ergab es sich, dass ich zufällig auf einer kleinen, abgesperrten Bühne mit Udo Dirkschneider ins Gespräch kam, für mich gefühlt damals der ultimative Sänger von Accept. Wir unterhielten uns. Es war sechs Jahre nach seinem Ausstieg bei seiner Band, ehe er im gleichen Jahr wieder als Frontmann bei Accept einstieg.

Der Sänger, mit 1,68 Meter nur zwei Zentimeter kleiner als ich, begegnete mir nicht nur wegen der gleichen Körpergröße auf Augenhöhe. Seine bodenständige, bescheidene Art hatte es mir angetan. Diese denkwürdige Begegnung mit dem populären Musiker hat mich geprägt, so dass ich dieses Treffen niemals vergessen werde und es mich immer wieder einholt, wenn sein Name auftaucht. Es ist die Summe aus all den geschilderten Faktoren, die "Touchdown" zu einem Album machen, das für mich emotionaler nicht sein könnte. Nicht zu vergessen, dass die Personalie Udo Dirkschneider einer der Inbegriffe des deutschen und internationalen Heavy Metal überhaupt ist. Schließlich prägt seine Charakterstimme seit den 1980ern legendäre Rockhymnen. Rund fünf Jahrzehnte auf den Bühnen der Welt machen ihn zu einer Ikone.

Fazit: "Touchdown" ist Meilenstein und Juwel zugleich. Ich verneige mich vor Udo Dirkschneider und freue mich schon jetzt auf die im Januar 2024 beginnende Europa-Tour seiner Band U.D.O.


Line-Up U.D.O.:

Udo Dirkschneider (vocals)
Andrey Smirnov (guitars)
Fabian Dee Dammers (guitars)
Peter Baltes (bass)
Sven Dirkschneider (drums)

Tracklist "Touchdown":

  1. Isolation Man
  2. The Flood
  3. The Double Dealer’s Club
  4. Fight For The Right
  5. Forever Free
  6. Punchline
  7. Sad Man’s Show
  8. The Betrayer
  9. Heroes Of Freedom
  10. Better Start To Run
  11. The Battle Understood
  12. Living Hell
  13. Touchdown

Gesamtspielzeit: 53:53, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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