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Aerosmith / Rocks – LP-Review

Aerosmith - "Rocks" - LP-Review

Im Jahr 1975 hatte die aus Boston im nordamerikanischen Nordosten stammende Band Aerosmith mit dem Album "Toys In The Attic" den großen Durchbruch geschafft. Davor lagen das gleichnamige Debüt (1973), dessen Nachfolger "Get Your Wings" (1974) sowie eine jahrelange Ochsentour, was Tourneen und Konzerte anging. Ein harter und steiniger Weg nach oben, wenn man bedenkt, dass der amerikanische Rolling Stone das Erstwerk nicht als würdig genug für ein Review ansah. Aber der hart erkämpfte Erfolg (von "Toys In The Attic" gingen pralle acht Millionen Tonträger über die Ladentische) hatte auch seinen Preis. Als die Amerikaner im Februar 1976 im Studio einliefen um ihr viertes Album "Rocks" einzuspielen, hingen die beiden Chefs Steven Tyler und Joe Perry bereits seit Jahren an der Nadel. Was sich – zu diesem Zeitpunkt – jedoch noch nicht negativ in puncto Kreativität auswirkte, im Gegenteil, denn mit "Rocks" zimmerte Aerosmith eines seiner besten (je nach Gusto sogar das beste) Studioalben ihrer Karriere ein.

Nachdem noch beim Debüt (und etwas weniger bei "Get Your Wings") Steven Tyler fast im Alleingang für die Kompositionen zuständig war, brachten sich die anderen Musiker (außer Joey Kramer) immer mehr ins Songwriting ein, was der Band und dem Material sehr gut tat. Speziell das Duo Tyler/Perry tat sich hervor und glänzt auf "Rocks" direkt zu Beginn mit dem Klassiker "Back In The Saddle". Leise, bedrohlich baut sich Perrys Gitarre ganz langsam auf, bevor sie voll in das bekannte Riff einsteigt. Brad Whitfords Lead-Gitarre passt hervorragend und Tylers kratzige, kraftvolle und trotzig wirkenden Lyrics tun ihr übriges dazu. Der nächste Klassiker folgt mit "Last Child" bzw. diesem tödlich coolen Lick Whitfords, das witzigerweise an Lynyrd Skynyrd zu Zeiten von Gimme Back My Bullets (im selben Jahr erschienen) erinnert. Wohlgemerkt hören die Gemeinsamkeit beim Gitarrenlick aber auch schon wieder auf. Mit "Rats In The Cellar" (dt: Ratten im Keller) wollte Tyler bewusst einen Gegenpunkt zu "Toys In The Attic" (dt: Spielzeug auf dem Speicher) setzen. Was ihm durchaus gelang, während er über das Leben auf Tour und im Studio sang. Wieder sehr viel straighter geradeaus als "Last Child", wird hier auch das Tempo wieder deutlich angezogen.

Die erste LP-Seite wird von Joe Perrys "Combination" und dessen ersten Lead Vocals (zusammen mit Tyler) beschlossen. Erneut ein geiler Rocker, selbst wenn er es nie zu demselben Bekanntheitsgrad wie seine drei Vorgänger brachte. Herrlich, wie rau und ungeschliffen die beiden Gitarren hier um die Wette riffen und solieren. Das Stück (Perry: »In "Combination" ging es um die Kombination von drei Dingen: Heroin, Kokain und mich!«) hätte größere Beachtung verdient gehabt. Die zweite Seite eröffnet dann mit dem nächsten Klassiker namens "Sick As A Dog". Der stammt vom Bassist Tom Hamilton (in Verbund mit Tyler), der dafür auch die Rhythmus-Gitarre übernahm. Relativ simpel vom Songwriting, aber auch ungeheuer effektiv und mitreißend, was die Nummer für viele Jahre zu einem festen Bestandteil in der Setlist machte. Das folgende "Nobody’s Fault" war, selbst wenn es von der Öffentlichkeit nie wirklich in großem Maße gewürdigt wurde, für lange Zeit der Lieblingssong der Bandmitglieder. Das zweite Tyler/Whitford-Stück, wieder mit diesem stakkatoartigen Rhythmus unterlegt und von vielen Breaks durchzogen, offensichtlich nicht unverwandt mit "Last Child".

Es folgen drei weitere Titel, wobei lediglich das abschließende "Home Tonight" in Richtung Ballade geht. Sowohl das munter nach vorne stapfende "Get The Lead Out", als auch das klarer strukturierte "Lick And A Promise" sind Tyler/Perry-Rocker in Reinkultur und runden das Bild einer nahezu perfekten Rockplatte ab. Ach nein, das mit dem Abrunden war ja "Home Tonight". Nach kurzem heftigerem Intro geht es mit Keyboardklängen sowie Tylers einfühlsamem Gesang weiter, bis dann auch der Rest der Band hinzukommt und sich das Stück zu einer waschechten Powerballade (mit vielen Ecken und Kanten) entwickelt.

"Rocks" ist zweifellos ein Klassiker der siebziger Jahre und das auch zu Recht. Aerosmith rockte hier härter und der Sound war rauer als auf den Vorgänger- sowie Nachfolgescheiben. Dazu kommt noch, dass der Klang dieser neuen Ausgabe auf 180 Gramm schwerem Vinyl mal ganz locker den meiner beiden CD-Versionen übertrifft.


Line-up Aerosmith:

Steven Tyler (keyboards, bass – #B-1, lead vocals)
Joe Perry (lead & rhythm guitars, bass – #A-1, B-1, lap steel – #B-5, lead vocals – #A-4)
Brad Whitford (lead & rhythm guitars)
Tom Hamilton (bass, rhythm guitar – #B-1)
Joey Kramer (drums & percussion, background vocals – #B-5)

With:
Paul Prestopino (banjo – #A-2)

Tracklist "Rocks":

Side 1:

  1. Back In The Saddle
  2. Last Child
  3. Rats In The Cellar
  4. Combination

Side 2:

  1. Sick As A Dog
  2. Nobody’s Fault
  3. Get The Lead Out
  4. Lick And A Promise
  5. Home Tonight

Gesamtspielzeit: 16:19 (Side 1), 19:15 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2017 (1976)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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