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Apocalyptica / Plays Metallica By Four Cellos – CD-Review

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'Zeitreise' bzw. 'Regalgriff' bedeutet bei RockTimes meistens die Besprechung einer bereits in die Jahre gekommenen Neuerscheinung. So soll es auch diesmal sein, allerdings nicht ohne dabei zusätzlich auf ein paar Dinge einzugehen, welche die Entwicklung der Künstler bis in die Gegenwart beleuchten. Denn eine gute Platte lebt und wächst gewissermaßen mit den Jahren. Man könnte sogar sagen: Es ist wie mit einem guten Wein. Sie kann zu Kult oder zum Klassiker werden.
Bei "Plays Metallica By Four Cellos" der Band Apocalyptica waren die Voraussetzungen zum Klassiker schon deshalb gegeben, weil es sich hier um vier Musiker handelte, die mit klassischen Instrumenten bestens umzugehen wussten.

Eicca Toppinen, Paavo Lötjönen, Max Lilja und Antero Manninen lernten sich als Studenten an der Sibelius-Akademie in Helsinki kennen. Gemeinsam schmiedeten sie den Plan, Titel ihrer Lieblingsband Metallica zur Prüfung auf dem Cello zu spielen. Vier Stücke sollten da erklingen. Die Plattenfirma, bei der auch die US-amerikanische Metalband unter Vertrag stand, machte schließlich ein ganzes Album daraus. Die Produktion war Debütalbum und weltweiter Durchbruch zugleich. Das Album der 1993 in Finnland gegründeten Band erschien 1996.

Es war kaum zu glauben, was man da hörte. Vier Cellisten coverten Erfolgsstücke von Metallica. Für mich war es damals Sensation, Überraschung und Paukenschlag gleichzeitig. Vereinigten sich doch mit Metal und Klassik zwei Stilrichtungen, die ich beide bevorzuge und die sich keinesfalls einander ausschließen.

Live musste sich das Konzept erst einmal durchsetzen. Spielten Apocalyptica beispielsweise bei der Kulturarena in Jena 1997 und 1998 vor vergleichsweise wenig Besuchern und wurden noch als Geheimtipp gehandelt, so sah es auf dem Theatervorplatz der Saalestadt Jena anno 2001 bei Dauerregen schon ganz anders aus. Für mich war dies der erste Live-Kontakt mit der Band. Das Konzert überzeugte mich ohne Wenn und Aber. Schließlich hatten sie zu diesem Zeitpunkt bereits weitere Metalbands wie Slayer und Sepultura gecovert. Die Finnen überzeugten mich nicht nur durch ihr solides Handwerk, sondern ebenso durch ihre enorme Spielfreude.

Heute wäre ein Gastspiel auf dem Platz in Jena nicht mehr denkbar, spielen die Musiker doch inzwischen eigene Headlinerkonzerte in größeren Hallen. Ich selbst habe sie ein weiteres Mal 2005 als Support von Rammstein in der Messehalle in Erfurt gesehen.

Das Album "Plays Metallica By Four Cellos" wirkt deshalb bis heute so nach, weil es ein Meilenstein in der Musikgeschichte war. Ich möchte sogar behaupten, damit wurde der Bekanntheitsgrad des Originals Metallica noch ein Stückchen größer.

Für das Markenzeichen 'Cello trifft Metal' wurde in der Musikwelt eigens ein neues Genre kreiert: Cello Metal wurde geboren, wie sich unter dem RockTimes-Eintrag bei Cello Metal unter den Musikstilen ablesen lässt. Ein Alleinstellungsmerkmal bis heute, das der Band nach und nach immer neue Fans einbringen sollte. "Plays Metallica By Four Cellos" enthält acht Stücke aus den vier Metallica-Alben "Ride The Lightning" (1984), "Master Of Puppets" (1986), "And Justice For All" (1988) und "Metallica" (1991). Dabei stammen zwei aus "Master Of Puppets" und sogar vier aus "Metallica", das wegen seiner Aufmachung ganz in schwarz oft 'Schwarzes Album' genannt wird. Jeder gecoverte Song spricht für sich und kann mit gutem Gewissen als eine besondere Interpretation bezeichnet werden. Somit lässt sich auch kein eindeutiger Favorit ableiten. Die Finnen spielen ihre Lieblingsstücke nahezu 1:1. Takt für Takt steckt Metallica ungefiltert drin. Doch die Art und Weise, wie sie ihre Celli bearbeiten, ist ein Hochgenuss und lässt Neues entstehen, das wiederum einzigartig ist. Die Höhepunkte reichen vom starken Titeltrack "Master Of Puppets" bis hin zur gefühlvollen Ballade "The Unforgiven" vom 1991er Album. Mitreißend für mich ist "Creeping Death". Das Lied aus der zweiten Metallica-Studioplatte, "Ride The Lightning", war im Erscheinungsjahr 1984 als Single veröffentlicht worden und ist im Original bis heute einer der markantesten Klassiker von James Hetfield & Co.

Bei den Metallica-Fans sorgte "Plays Metallica By Four Cellos" für keinen solch großen Aufschrei wie nur drei Jahre später "S&M". Dieses Kürzel steht für ein gemeinsames Konzert von Metallica und dem San Francisco Symphony Orchestra. Die daraus entstandene Produktion enthält ebenfalls Metallica-Stücke im klassischen Gewand, aber eben unter Beteiligung von Band und Orchester. Diese Idee stieß bei vielen Anhängern auf wenig Gegenliebe.

"Plays Metallica By Four Cellos" hingegen machte das Publikum auf eine spezielle Weise mit den Metallica-Werken vertraut. Klassik-Fans wurden neugierig auf das Original, die Fans von Heavy Metal zeigten Respekt und überzeugten sich von der Liveumsetzung des Projektes. Dies geschah später regelmäßig mit Schlagzeug. Das Instrument ist ferner seit 2003 fester Bestandteil aller Studioproduktionen. Mit Franky Perez gibt es seit 2015 zugleich einen Sänger in der Formation. Von den vier Gründungsmitgliedern sind bis heute Eicca Toppinen und Paavo Lötjönen aktiv. Max Lilja suchte sich ab 2002 neue Projekte und spielt heute in der Band von Tarja.
Apocalyptica wollen von Oktober bis Dezember 2020 gemeinsam mit den niederländischen Symphonic Rockern von Epica auf Deutschland-Tour gehen. Die Finnen stellen dann ihr neuestes Werk "Cell-O" vor. Damit bekennen sie sich zu ihren expressiven instrumentalen Wurzeln, die nunmehr fast drei Jahrzehnte zurück liegen. Vom Start an war es eine Erfolgsgeschichte.

2016 erschien die Remastered-Version von "Plays Metallica By Four Cellos" mit drei Bonus-Tracks. Erweitert wurde die Tracklist um "Battery", "Nothing Else Matters" und "Seek And Destroy", drei weitere Meilensteine aus der Karriere von Metallica.


Line-up Apocalyptica:

Eicca Toppinen (violoncello)
Paavo Lötjönen (violoncello)
Max Lilja (violoncello)
Antero Manninen (violoncello)

Tracklist "Plays Metallica By Four Cellos":

  1. Enter Sandman
  2. Master Of Puppets
  3. Harvester Of Sorrow
  4. The Unforgiven
  5. Sad But True
  6. Creeping Death
  7. Wherever I May Roam
  8. Welcome Home (Sanitarium)

Gesamtspielzeit: 44:33, Erscheinungsjahr: 1996

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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