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Colin Edwin & Robert Jürjendal / The Weight Of A Shadow – CD-Review

Colin Edwin & Robert Jürjendal / The Weight Of A Shadow – CD-Review

Was haben Burnt Belief, Eternal Return, Porcupine Tree, Telergy, Dave Kerzner und Armonite miteinander gemein? Richtig, es handelt sich bei allen Genannten um Vertreter anspruchsvoller, ja sehr anspruchsvoller Musik. Sie haben aber noch mehr gemein, den australischen Basser Edwin Colin nämlich, der wahrscheinlich noch in vielen anderen Line-ups zu finden sein wird.

Was seinen Kaasmuusikud angeht, wird man ebenso auf RockTimes fündig, denn ein Album dieses estnischen (daher Kaasmuusikud, was Musikerkollege, Mitmusiker bedeutet) Tausendsassas hat mein Kollege Wolfgang bereits besprochen und mir mit seinem Review viel Recherchearbeit erspart, denn ich kann es mir nun sehr einfach machen und Informationen einfach aus seinem Artikel kopieren:

»Robert Jürjendal stammt aus Estland, und ist dort als Gitarrist und Komponist bekannt geworden. Und als solcher hat er auch nicht nur für sich geschaffen, er hat auch Musik für Chöre geschrieben, für Streichquartette, Dokumentarfilme, Theaterproduktionen, usw..
Seine Art, zu komponieren, ist stark beeinflusst von Minimal-Music, von Klassik, Prog Rock, auch Jazz und Kirchenmusik stellen Elemente seines Schaffens dar, mitunter abgerundet durch elektronische Effekte mit entsprechender Bearbeitung.«

Kennengelernt hatten sich die beiden Musiker bei Slow Electric, einem Projekt von Tim Bowness, den wir u. a. von No-Man, Centrozoon oder Memories Of Machines kennen. So klein ist die Welt, geworden, denn als vorliegendes Album im Briefkasten lag, war erst mal nicht klar, wohin ich die beiden Musiker stecken sollte. Dass es sich nicht um einfach getaktete Musik handelt, suggerierte bereits der Titel des Werkes, als auch das Coverbild. Und in der Tat kann man sehen, wie gewaltig der Schatten sein kann, der auf einem liegt. Ein Zwerg kann einen riesenhaften Schatten erzeugen, aber auch die umgekehrte Konstellation ist möglich. Das Coverbild stammt übrigens von Lotte Jürjendal, ebenfalls Musikerin und ob oder was sie mit Robert ansonsten zu tun hat, wissen wir nicht.
Zu den zwei Betrachtungsmöglichkeiten einen Schatten zu interpretieren, gibt es im schmalen Booklet etwas zu lesen, denn dort findet sich ein kleiner Text, dessen Quintessenz sich so liest, dass es für die Verwirrung der Augen zwei Gründe gibt und sie aus zwei Ursachen bestehen kann: sie gehen ins Licht oder sie kommen aus dem Licht.

Coverbild und eben erwähnte Weisheit lassen einen schon einmal abschalten und die Gedanken auf Reise gehen. Eine Reise – ich nehme es vorweg – die musikalisch durch viele unterschiedliche Landschaften führt und als eine weitere Säule der Entspannung taugt. Das Instrumentarium der beiden Künstler zeigt ja bereits, dass hier nicht der normale Rock auf der Agenda steht. Im weitesten Sinne kann man von Prog, Ambient, vielleicht auch ein wenig Experimental sprechen, aber das alles trifft es nicht so wirklich.

Etwas schräg und mystisch startet "Barely Visible", bizzare Geräusche blitzen auf und ja, der Trackname ist Programm. Langsam baut sich ein Rhythmus auf, der durch düstere Minuten führt, oder besser, der den Hörer durch unwirkliche Gefilde zieht. "Cyclic Drift" setzt die fast dystophisch anmutende Walze an atmosphärischer Schwere und Dichte fort und der Hörer ist unsicher, ob man überhaupt von Dystopien sprechen kann oder soll. Denn immer mehr schaffen die Klanglandschaften eine Welt, in der es gefühlt keine Lebewesen gab, die so agierten, dass man die Zukunft düster sehen konnte.

Die Gitarren in ihren verschiedenen Ausführungen bringen Melodien in die dunkle Basswelt und wenn diese Melodien auch meistens etwas schwermütig klirren und flirren, so ist das Nebeneinander der dicken und dünnen Saiten wie ein musikalisches Yin und Yang. Einerseits spulen sich die Szenerien vor dem dritten Auge gemächlich und trotz meist dunkler Schatten fast gemütlich und beruhigend ab, aber andererseits sorgen unvorhergesehene Ausbrüche für gleichbleibende Spannung.

Bemerkt man jetzt, dass das Display des Players "Springunal", anzeigt, also fünf Songs gelaufen sind, man weder deren Namen noch die Wechsel zwischen ihnen mitbekommen hat, so soll das als Beleg dafür dienen, dass "The Weight Of A Shadow" keine »klingt wie …« oder »erinnert an …«-Platte ist und es daher wenig bis gar keinen Sinn macht, die Nummern einzeln anzuwählen. Es ist eines dieser Werke, das man auflegt, sich beim Hören zurücklehnt und dann überlegt. Überlegt, was das dritte Auge momentan sieht und in welcher Welt man sich gerade befindet. Man kann aber auch abschweifen – in die Physik zum Beispiel, denn wie bei jedem Review über mehr oder weniger unbekannter Künstler oder interessant klingender Titel muss ein Rezensent recherchieren. Und neben einem Buch gleichen Namens taucht im Netz doch tatsächlich auch die Frage auf, ob und was ein Schatten wiegt. Nichts natürlich, denn er hat ja keine Materie. Aber er ist Abwesenheit von Licht, von Photonen also. Diese haben keine Masse, aber Energie. Und das bedeutet nach Einstein …  lest selbst und dann könnt ihr beim Hören von "The Weight Of A Shadow" so schön eintauchen in welche Welt oder Themen auch immer.

Nichts, aber auch gar nichts mit vorliegendem Album hat eine weitere Frage zu tun, die mir die Suchmaschine nach der Frage zum Gewicht eines Schattens anzeigte: Was wiegt ein Flatus? Ihr müsst jetzt nicht suchen, ein halbes Gramm etwa. Besser nutzt ihr die Zeit, um Colin und Jürjendal zu lauschen, denn "The Weight Of A Shadow" ist eine dieser Scheiben, die kein Schattendasein verdient haben.


Line-up Colin Edward & Robert Jürjendal:

Robert Jürjendal (electric guitar, U8 touch guitar, 12th string guitar)
Colin Edwin (fretted, fretless and double bass, E-Bow)

Tracklist "The Weight Of A Shadow":

  1. Barely Visible
  2. Cyclic Drift
  3. The Weight Of A Shadow
  4. Time To Find The Sun
  5. Soul Blizzard
  6. Unknown Hands
  7. The Grid
  8. Springunal
  9. Penumbra
  10. Shadow Ritual
  11. Sub Flow
  12. Back To The Light

Gesamtspielzeit: 58:26, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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