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In2TheSound / Commotion & Style – CD-Review

In2TheSound ‎/ Commotion & Style

The Sound dürfte nur wenigen bekannt sein, was zum einen daran liegt, dass es die britische Band seit gut dreißig Jahren nicht mehr gibt und sie dem Post Punk zugerechnet wird. Diese Abspaltung des originalen und ungestümen rotzigen Punks hin zu alternativen Spielweisen war den Hardcore-Punks wohl zu weichgespült.

Dass allerdings für des Rockers Ohr genügend Punk in den Kompositionen vorliegender Platte steckt, wird trotz des waveigen Grundtenors permanent bewiesen. Das liegt vielleicht auch an der Tatsache, dass die alten Sound-Songs von In2TheSound dargeboten werden. Und das liegt an einer Idee, die mehr oder weniger aus Jux und Dollerei geboren wurde.

The Sound lösten sich 1988 auf, nachdem Sänger und Gitarrist Adrian Boland erkrankte und Tourtermine abgesagt werden mussten. Dabei hatte die Band in acht Jahren immerhin sieben Alben im Portfolio, wovon gerade die ersten beiden bei Kritikern hoch im Kurs standen. Boland versuchte es solo, was aber nicht von Erfolg gekrönt war. Schließlich setzte er 1999 seinem Leben ein tragisches Ende.

Die deutschen psychedelisch angehauchten Waver The Convent waren – laut- Labelinfo – »schon immer große Fans von The Sound«. Zwischen Convent-Sänger Carlo van Putten und dem Sound-Pendant Boland habe außerdem eine tiefe Freundschaft bestanden. Auf jeden Fall sprach der Orginaldrummer von The Sound, Mike Dudley, vor zwei Jahren bei van Putten vor und fragte, ob man aus Anlass der nun dreißig Jahre zurückliegenden Auflösung der Truppe nicht etwas zusammen machen könnte. Carlo sowie auch die anderen 'Klosterbrüder' waren sofort Feuer und Flamme, man probte und erstellte ein Bühnenprogramm, bestehend aus alten Sound-Nummern, zusammen. Am 28. April 2018 war es dann soweit und im Kulturzentrum Kleinbahnhof in Osterholz-Scharmbeck fand das erste Konzert von In2TheSound statt, welches mitgeschnitten wurde und nun auf CD und Vinyl vorliegt. Die Show kam gut an, was man an den Reaktionen der Besucher erkennen kann.

Es folgte eine ausverkaufte Portugal-Tour und auch im heimischen Lande, wie zum Beispiel auf dem Wave Gothic-Treffen in Leipzig, waren die Shows erfolgreich. Die Setlist streift dabei alle sieben Alben von The Sound und zeugt davon, dass da großartiges Material vorhanden war. Stilistisch muss sich, wie bereits weiter oben im Text erwähnt, ein Rockerohr erst mal einpendeln, was Dank der Spielweise der Musiker recht schnell gelingt, da diese stets spannend agieren und durchaus punkige Akzente der angenehmen Art setzten. Darüber hinaus schwingt des Öfteren eine latente Psychedelic mit. Auf Anhieb und wenn es denn überhaupt Vergleiche geben kann und muss, dann denke ich an Simple Minds oder auch an die Talking Heads.

In2The Sound beherrschen das Spiel mit der Spannung in äußerst beeindruckender Weise. So ist der stoische, scheinbar nicht enden wollende Drumbeat in "New Dark Age" eine Ohrenweide. Bass, die Stimme Carlos, sphärische Keyboardeinlagen und gezielte Gitarrensprengsel nutzen diesen Schlagzeugteppich, um ihrerseits zu begeistern. Toll auch, wie die Nummer recht gemäßigt beginnt, um im Verlauf und gerade gegen Ende tempomäßig alte Punk-Tugenden aufleben lässt. Wahrlich ein starkes Stück.

Post Punk und somit auch New Wave lebt für mich an erster Stelle durch die Verbindung einer wandelbaren Stimme sowie akzentuiert gespielten Instrumenten. Schwächelt auch nur eine dieser beiden Komponenten, ist der Faden gerissen bzw. die Lust am Weiterhören schnell vorbei. Anders als im ’normalen Rock' gibt es in dieser Schublade in der Regel keine solistischen Attacken, die den Gaul wieder herumreißen. Die, trotz dem auch schon mal recht forschen Gesangs herrschende, Grundstimmung ist nämlich oft eine zarte, melancholische  und zerbrechliche. Eine, die es über die komplette Spielzeit zu erhalten gilt. Im Falle vorliegender Musiker klappt das hervorragend, weil – nun zum x-ten Mal – die Musiker von The Convent eine Spielweise haben, die einfach ansteckend ist. Das erwähnte auch Kollege Mike, der vor drei Jahren das Album 1986-2016 rezensierte und schrieb, dass er als Blues- und Rockfan sich erst einmal schwer tat; »aber mit jedem Durchlauf kann ich dem Album mehr abgewinnen«. Ihm fehlte allerdings der Druck beim Schlagzeug. Auf "Commotion & Style" fehlt da nichts, der Ex-Sound-Drummer Mike Dudley sorgt hier für anständig Dampf.

Und wenn ich eben schrieb, dass es im New Wave selten solistische Einlagen gibt, so darf ich "Heartland" eine saustarke Gitarrenarbeit attestieren. Dieses Stück ist aber auch ein Rocker vor dem Herrn. Genial auch das irgendwie monumentale "Winning". Die Komposition baut sich fast episch auf und macht Appetit auf das Originalmaterial. Leider ist mir von The Sound noch nichts untergekommen, sodass ich deren Versionen nicht mit den jetzigen vergleichen kann. Zumal hier eine Live-Aufnahme vorliegt und man weiß ja, zu welchen Monstern sich so manche Nummer, live gespielt, entwickeln kann.

Die Band kann aber auch verhaltener spielen, was zum Beispiel "Hand Of Love" oder "Barria Alta" eindrucksvoll demonstrieren. Gerade letztgenannter Track beweist auch (wieder), wie gekonnt The Sound das Songwriting beherrscht haben. Talk Talk zusammen mit  den Manic Street Preachers auf einer Bühne könnten ähnlich klingen.

Mehr Stücke möchte ich nicht erwähnen, denn die sollt ihr bitteschön selbst entdecken. Und keine Angst vor New Wave. Trotz aller Melancholie, die dieser Richtung meistens innewohnt, gibt es von diesen Musikern hier allerlei weitere Zutaten auf die Glocke. Und ich brauche wenig Fantasie, um in "Heartland" ein Meisterstück zu sehen, das nebenbei in eine total andere Richtung gehen könnte. Man hat es wohl nicht ohne Grund als Zugabe ausgewählt und ich behaupte jetzt, dass mit einer zweiten Gitarre anstatt des Keyboards Thin Lizzy um die Ecke gelugt hätten. Selbst das rausgerufene »you gotta believe« gemahnt an Phil. New Wave rocks!

In2TheSound und ihr "Commotion & Style" ist eine Perle des Genres und bei Sireena auch in streng limitierter Vinyl-Version erhältlich. So muss das auch sein.


Line-up In2TheSound:

Carlo van Putten (vocals)
Carsten Lienke (bass)
Jojo Brandt (guitars, backing vocals)
Mike Dudley (drums)
Stefan Bornhorst (keyboards)

Tracklist "Commotion & Style":

  1. Silent Air
  2. Fatal Flaw
  3. I Can’t Escape Myself
  4. New Dark Age
  5. Total Recall
  6. Heartland
  7. Winning
  8. Hand Of Love
  9. Party Of The Mind
  10. Barria Alta
  11. Monument
  12. Heartland (Encore)

Gesamtspielzeit: 55:53, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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Mail: ulli(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Pierre DeLuca

    I just listened to commotion and style live concert from the band IN2THESOUND. To say I am galvanized is an understatement.
    If you ever dreamed of Adrian, if you ever felt offering thanks for his tarrying in music, if you ever felt you could have been there for Adrian to prevent his passing THEN listen to commotion and style and free yourself because I know Adrian was there with us that night passing atonement to all of us in attendance and the same to the listeners of this out-worldly live recording.
    I was there that night mind you and could not believe my ears or my eyes. Michael shoots 1-2-3-4-5-6 with the voice of a possessed 20 year old.. fond and maybe astonished of what he can still do with a drum kit from the other side..(for sure the snare was) Carlo & team in A+ mode pacing the whole to lyrical highs becoming of a London amphitheatre. Juxtapose the imagery of Shakespeare in there dancing to poetic rhythm and you will be more right than wrong.
    If that night was cathartic, this recording sublimely mastered by Stephan Bornhorst offers the encore infinitum. come, listen, and ponder. This is how the hand of love sounds like….

  2. Hartmut Oberstech

    Simple the best CD of the year !!!!

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