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Jail Job Eve / Wildfire – CD-Review

Jail Job Eve / Wildfire

Ein musikalischer Flächenbrand aus der Friedensstadt

Jail Job Eve aus Osnabrück sind besorgt. Besorgt um diesen schönen Planeten, auf dem wir alle leben – und auf dem möglichst die Generationen nach uns auch noch leben sollen. Deswegen sagten sie spontan zu, als die Osnabrücker Organisatoren anlässlich der landesweiten 'Fridays For Future'-Klimamärsche direkt vor den letzten Bundestagswahlen die Band anfragten … und deklarierten über ihre Social Media Kanäle diesen Urnengang unverblümt zur Klimawahl.

Bei der grafischen Gestaltung der Verpackung ihres Ende des Monats erscheinenden neuen Albums "Wildfire" lässt der Grafikdesigner und Illustrator Sebastian Jerke keine Zweifel offen … um die Zukunft unseres Planeten ist es – sehr beschönigend formuliert – nicht zum Besten bestellt. Dekadente Erdlinge mit den nötigen monetären und gesellschaftlichen Mitteln flüchten in Scharen auf den Mond, machen sich auch diesen zum Untertanen und feiern dabei wilde Partys. Es dürfte kein Zufall sein, dass einer der Protagonisten des 'New Florida' frappant an Donald Trump gemahnt. Und im Hintergrund ist die kleine Erde zu sehen, auf der weite Teile der Landfläche abfackeln, um dann auf dem Front-Cover zu explodieren.

Ja, die Band lässt keinen Zweifel aufkommen, dass es um die Zukunft der Erde schlecht bestellt ist – bei weitem nicht nur aus der Perspektive der Klimaveränderungen und ihrer Folgen – und thematisiert dies auch in den von Vokalistin Victoria Semel und Hammond B3-Mann Jens Niemann verfassten Texten. Die dazugehörige musikalische Umsetzung fällt entsprechend harsch, energiegeladen, ungestüm, vehement, druckvoll, dramatisch und eindringlich aus, jede Minute dieses Albums ist so zwingend wie packend. Da führt der Kniff mit dem angedeuteten Baba-O’Riley-Intro beim Opener "Down The Rabbit Hole" ganz gepflegt schmunzelnd in die Irre, bis Bonham-Drums und ein prägnantes Gitarrenmotiv, von pustenden Hammond-Klängen unterstützt, die siedende Luft durchschneiden und Victoria Semel von Beginn an keinen Zweifel daran lässt, dass ihr Nachtigallen fremd sind. Josef Röhner auf dem Schlagzeug-Schemel hat überhaupt auf diesem Album einen Jason Bonham gefrühstückt, während Organist Jens Niemann selbstbewusst wie nie zuvor den kleinen Lord in sich entdeckt. Frau Semel wiederum agiert so herrlich außer Rand und Band, wie sich der Rezensent Kollegin Jule Neigel (heutzutage Julia Neigel) immer gewünscht hätte, während Tieftöner Tim Beckers die Fliehkräfte bravourös zusammenhält.

Musikalisch gemahnt das gerne mal an Deep Purple inklusive Saiten-Hammond-Duell, könnte an anderer Stelle aber auch im nächsten Bond-Streifen eingesetzt werden, während nicht selten Assoziationen an Siena Root oder die Blues Pills wach werden, wobei letztere erstaunlich locker in die Tasche gesteckt werden. Alleine der bei "Keep It Quiet" demonstrierte Stimmumfang Semels degradiert Elin Larsson zur staunenden Statistin.

Fazit: Hier musiziert ein Musiker*innen-Kollektiv aus der bundesdeutschen Blues-Hauptstadt Osnabrück auf internationalem Qualitätsniveau, wobei der Schwerpunkt auf klassischer Rockmusik liegt, wie sie klassischer nicht sein könnte. Dabei gelingt es den ehemaligen Absolvent*innen der Musikhochschule jeglichen Leichengeruch zu vermeiden, allen Staub einem Flächenbrand gleich vom Genre zu fegen, inhaltliche Relevanz als Gesamtkonzept zu kreieren und im wahrsten Sinne des Wortes eine warnende Stimme zu erheben, die im Gegensatz zu diversen Wahlversprechen nicht überhört werden kann.


Line-up Jail Job Eve

Victoria Semel (vocals)
Benedikt Schlereth (guitar)
Jens Niemann (organ, backing vocals)
Tim Beckers (bass)
Josef Röhner (drums)

Guest appearance:
Henning Oppermann (percussion, backing vocals)

Tracklist "Wildfire":

  1. Down The Rabbit Hole (5:07)
  2. Mid-Flight (3:38)
  3. Hit Me With A Lightning (4:00)
  4. Wildfire (7:25)
  5. Lost (3:49)
  6. Flying V (3:31)
  7. Keep It Quiet (4:04)
  8. No Means No (3:22)
  9. Neither Man Nor Machine (3:47)
  10. Riot (3:16)

Gesamtspielzeit: 41:58, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

1 Kommentar

  1. Harald Birkner

    Sehr gelungene CD auch der Süden ist daran beteiligt die Victoria Semel
    stammt aus Unterfranken .

    Rockige Grüße

    Harald .

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