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Jakob K. / Your Great Imagination – CD-Review

Jakob K. / Your Great Imagination – CD-Review

Vierzig Jahre ließ sich Jakob Künzel aka Jakob K. Zeit für sein erstes Soloalbum. Seine musikalische Wurzeln reichen zurück bis ins Jahr 1979 zu den Bands Hammerfest aus Vlotho (die auf einer Kompilation vor acht Jahren bei uns Erwähnung findet) sowie der Schweizer Lazy Poker Blues Band. Jakob, ebenfalls Schweizer, hat eine große Bandbreite auf künstlerischem Terrain. So ist er Sänger, Multiinstrumentalist, Songwriter, Arrangeur und Produzent.

Beste Voraussetzungen also, um mit eigenem Material nach vorne zu treten. Zumal dieses Unterfangen einem inneren Drang folgte, denn Jakobs Idee war »ein Album zu produzieren, das mich selbst als Jugendlicher anfangs der 70er Jahre berührt und begeistert hätte«. Wohl dem, der sich so einen Traum in Eigenregie erfüllen kann.

Zur Seite standen einige musikalische Freunde wie z. B. Nadja Leonti, die auch in RockTimes bereits Erwähnung fand, Beat Schneider von Zlang Zlut, David Schnee vom Kaleidoskope String Quartett, Rémy Sträuli von Yolk, Yonder Pond und Fido Plays Zappa, Stefan Strittmatter von The Universe By Ear, den wir vor kurzem erst im Interview hatten und auch im Line-up von Fido Plays Zappa finden sowie einigen mehr, die ihr dem Line-up entnehmen könnt.

Bedenken könnten aufkommen, wenn man der Labelinfo entnimmt, dass Jakob von einem Pop-Album spricht und einer der beiden Coversongs (neben zehn Eigenkompositionen), nämlich Genesis' Neunminüter "Dancing With The Moonlit Knight", von Jakob als dreiminütigen Popsong ohne jede Temposchwankung arrangiert wurde. Die Bedenken sind aber bedenkenlos beiseite zu wischen, Jakob hat es gut gelöst, indem er erst gar nicht versucht hat, den progressiven Charakter des Stückes zu verwässern, sondern alles in ein leichtes Reggae-Gewand gepackt hat, das stimmlich in die richtige Richtung weist und voll auflöst, wenn die Worte »selling england by the pound« fallen. Man kann von einer sehr schönen Coverversion sprechen.

Weniger gecovert, sondern eher anders interpretiert ist die Kate Bush-Nummer "Wuthering Heights". Das ist an sich ein schwieriges Unterfangen, da dieses Lied doch stark an Kates außergewöhnliche Stimme im Hirn des Hörers gekoppelt ist. Aber auch da geht Jakob einen gangbaren Weg, lässt eine Knopfler-Gitarre vom Stapel und forciert den Rhythmus – ähnlich übrigens wie beim Vorgänger "Shades Of Brightness", dessen Rhythmus in Richtung Rock treibt und mit fast schon proggiger Gitarrensequenz aufwartet. Die einsetzende weibliche Stimme geht dann frequenzmäßig in die Bush-Richtung und spätestens jetzt sollte das Stück erkannt sein. Nachdem eine Trompetenpassage Tupfer setzt, stellt sich gegen Ende gar leichtes Country-Flair ein.

Dabei startet "Your Great Imagination" mit "Grape" recht elegisch und Jakobs angenehm leicht brüchige Stimme legt sich über eine traurige Mundharmonika. Weibliche Stimmen gesellen sich dazu, eine beseelte Geige taucht auf, deren Melodie in meinem Hinterkopf Richtung "All Along The Watchtower" schielt. Eine sehr starke Einstiegsnummer, die vom folgenden "Pale Singer" adäquat fortgesetzt wird. Hier glänzen Streichinstrumente und meine Synapsen sind nicht ganz sicher, ob sie in den Melodien mehr "Dream On" oder doch eher "While My Guitar Gently Weeps" finden.

Jakob K. reminisziert in der Tat auf Musik, die ihm damals sicherlich gefallen hätte. Dazu setzt er ein Sammelsurium an Blasinstrumenten ein, nutzt Bluesharp und Geige sowie an den richtigen Stellen geballte und treffsichere weibliche Vocals. Auch die Gitarren sind perfekt platziert und schwirren je nach Umfeld akustisch oder elektrisch. Man darf ihm das perfekte Händchen attestieren. Wie auch der Mitmusikerin Nadia Leonti, die das Album mitproduziert hat.

Musikalisch bewegt man sich irgendwo im Schmelztiegel Singer/Songwriter und Pop an der fließenden Grenze zum unwilden Rock. Im gleichen Orbit kreisen Künstler wie Gerry Rafferty, Cat Stevens, Al Stewart und vielleicht auch etwas Tom Petty oder Lindisfarne. Die Songs bleiben gut im Ohr und das ursprüngliche Genesis-Monster gewinnt in der verkürzten Reggae-Fassung bei jedem Durchlauf. "Your Great Imagination" begeistert und wenn das Pop ist, ist es Pop wie er sein sollte!


Line-up Jakob K.:

Jakob K. (lead vocals, ukulele, mandolin, baritone sax, bluesharp, keyboards, programming)
Nadia Leonti (vocals, organ, keyboards, electric & acoustic guitars, jews harp)
Cristina Weber (vocals)
Stefan Strittmatter (electric guitars, vocals)
Florian Senn (bass guitar)
Simon Ramseier (drums & percussion)
Bodo Maier (trumpet)
Victor Hege (euphonium)
David Schnee (viola)
Beat Schneider (cello)
Anna Aaron (vocals)
Rémy Sträuli (vocals)

Tracklist "Your Great Imagination":

  1. Grape
  2. Pale Singer
  3. Dancing With The Moonlit Knight
  4. Something
  5. Cows
  6. Shades Of Brightness
  7. Wuthering Heights
  8. King Of The Future
  9. Your Great Imagination
  10. Blue Christmas

Gesamtspielzeit: 33:39, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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Mail: ulli(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. strittmatter

    Und wieder mal heisse ich "Schrittmatter" im Text. Strittmatter wäre korrekt. Unten stimmts…

    1. Ulli Heiser

      Hi Stefan,

      da das anscheinend schon öfter passiert ist, bin ich wenigstens nicht der einzige Schussel 🙂
      Sorry für den Verschreiber, ist jetzt korrigiert.

      Gruß

      Ulli

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